Neben Presse, Funk und Fernsehen sowie Direktwerbung auf der Straße ist ein Wahlkampf ohne das Internet heute undenkbar. So nutzten auch die Berliner Parteien für die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 ihre Social-Media-Auftritte für die Positionierung ihrer Wahlprogramme. Doch wie erfolgreich, wie engagiert waren die Parteien überhaupt, welche Inhalte und welche Formate nutzten sie im Social-Media-Wahlkampf und wie erfolgte die Interaktion mit den Wähler:innen? Für die rbb Abendschau gab Miriam Rupp ihre Einschätzung zu den Social-Media-Strategien der Berliner Parteien. Hier fassen wir ihren Beitrag noch einmal zusammen und geben ein paar Zusatzinfos, für die im Studio keine Zeit mehr war.
Facebook und Twitter, Posts und Hashtags sind aus dem politischen Geschehen längst nicht mehr wegzudenken. Dennoch werden die sozialen Medien von den Parteien unterschiedlich (effektiv) genutzt. Während die SPD mit etwa 5.400 Facebook-Fans und 8.600 Follower:innen aufwartete, konnte die CDU nur rund 3.500 Facebook-Freunde und 480 Twitter-Follower:innen aufweisen. Bei den kleineren Parteien hatte die LINKE über 10.400 Facebook-Freund:innen sowie circa 5.000 Follower:innen und kommuniziert auffällig viel mit den Wählern. So entstehen Diskussionen, die aber auch viel Moderation durch die Parteimitarbeiter:innen erfordern.
Auch die Grünen spielen mit 6.000 Fans auf Facebook und 6.500 Follower:innen auf Twitter in der oberen Social-Media-Liga mit. Die präsentierten Inhalte waren ebenso wie die Parteien divers: Von Katzen-Posts und markanten Sprüchen, über Wahlplakate und Spitzenkandidat:innen bis zur Kritik an anderen Parteien. Auch wenn Die Piraten in den Umfragen eher schlecht dastanden, hatten sie dennoch 4.000 Facebook- und 12.700 Twitter-Fans. Ein Grund könnte die Aufmachung ihrer Posts sein, die gerne mal abgefahren und skurril war, was den Wiedererkennungswert und dadurch die Reichweite erhöhte.
Die erste Regel im Internet lautet, präsent und leicht auffindbar zu sein. Das klingt erstmal ganz leicht. Trotzdem gelingt dies in der Umsetzung nicht immer, wie Miriam in der rbb Abendschau beschreibt. Der regierende Bürgermeister Michael Müller hatte es bei Twitter ganz gut gelöst, indem er mit dem Hashtag #MüllerBerlin arbeitete, der den generellen Charakter seiner gesamten Kampagne ganz gut widerspiegelte. Frank Henkel von der CDU dagegen konnte im Netz leicht mit dem gleichnamigen Waschmittelhersteller verwechselt werden, weil er nur mit seinem Nachnamen #Henkel bei Twitter unterwegs war.
Muss man als Partei oder als Spitzenkandidat:in besonders schnell reagieren, sollte man salopp sein oder lieber seriös? Das Erfolgsrezept liegt laut Miriam in den Händen der Parteien, dir ihr eigenes Publikum am besten kennen. Eine Reaktion sollte auf jeden Fall erfolgen. Auch die Schnelligkeit ist im Netz sehr wichtig. Der Ton war allerdings von Partei zu Partei ganz unterschiedlich gewählt. Die großen Parteien nutzten meist sehr werbliche Formulierungen und wichen selten davon ab. Die SPD versuchte, bei den Kommentaren schlagfertig und auch manchmal humorvoll zu sein. In manchen Fällen ging das aber auch in Richtung arrogant. Die CDU wies in den meisten Kommentaren auf die entsprechenden Passagen ihres Programmfilms hin.
Kleinere Parteien wie die FDP waren da teilweise authentischer, ehrlicher und räumten auch mal Fehler ein. Die Piraten und die Linken hatten dafür einen frecheren Ton. Den kennt man aber auch sonst nicht anders und das Publikum kann damit umgehen. Miriam warnt bei politischen Themen vor der Gefahr, dass der Ton in den Kommentaren manchmal nicht nur danebengeht, sondern die Äußerungen dort auch diskriminierend, rassistisch oder gewaltverherrlichend sein können. Natürlich ist eine Moderation ein großer Aufwand, aber als Partei sollte man immer darauf achten, dass die Grundrechte der Nutzer:innen immer gewahrt werden. Vor allem die größeren Parteien wiesen aufgrund mancher aggressiverer Kommentare immer wieder auf die Netiquette hin. Im Notfall mussten aus diesem Grund auch ab und zu Kommentare gelöscht werden.
Auch das Medium Video wurde von allen Parteien genutzt, um ihre Kampagnen zu unterstützen. Die FDP zeigte sich mutig und ließ sich auch einmal auf ein Facebook-Live-Video ein. Die CDU hatte in diesem Jahr ein 30-minütiges Video erstellt, das ihr gesamtes Wahlprogramm zusammenfasste und der Mittelpunkt ihrer Kampagne darstellte. Der Ansatz war gut, sagt Miriam, da Bewegtbild im Netz die Basis für viele Nutzer, gerade junge Leute ist. Diese Strategie ist dennoch verbesserungswürdig. Für die Facebook-Nutzer:innen ist das Video einfach zu lang und auch die Kurzversion von drei bis fünf Minuten könnte noch in Schnipsel zerlegt werden, um mehr Wirkung zu erzielen.
Insgesamt ist es fragwürdig, ob sich der Aufwand gelohnt hat, denn nur etwas mehr als 4.000 Nutzer:innen hatten das Video gesehen. Die einzelnen Kurzversionen liegen von den Views meist sogar nur im dreistelligen Bereich. Eine ähnliche Reichweite erzielten die Piraten mit einem improvisierten Erklärvideo (inklusive Internet-gerechter Rechtschreibfehler), in dem Piet der Pirat den Parteinamen erläutert.
Mit ihrer Serie „50 gute Gründe, SPD zu wählen“ ging die SPD den visuellen Weg. Die kurzen Grafiken entsprachen genau dem, was man als leicht ablenkbare:r Internetnutzer:in verdauen könnte. „Könnte“, denn wie man an folgendem Beispiel sieht, ist der Inhalt – nicht nur bei dieser Partei – für den/die Otto-Normalverbraucher:in viel zu schwer auf den ersten Blick zu erschließen.
Was generell bei den meisten Parteien fehlte, waren Geschichten. Storys von ganz normalen Bürger:innen, anhand derer Lebenssituationen man erkennen könnte, was die Politik der jeweiligen Parteien tatsächlich bewirken könnte bzw. bewirkt hat. Die eigentlichen Held:innen sind die Wähler:innen und die kommen neben den etlichen Posts, auf denen man zum Beispiel Wahlhelfer:innen bunte Plakate aufhängen und die Kandidat:innen Interviews geben sieht, definitiv zu kurz.
An dieser Stelle bedanken wir uns bei unserer Tauschtag-Kandidatin Lisa Janowitz. Dieser Text ist an ihrem Tag bei Mashup entstanden. Vielen Dank.
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