Warum Nein-Sagen gelernt sein will

Leute, die mich kennen, wissen, dass ich in der Vergangenheit schlecht Nein sagen konnte. Ich war immer diejenige, die man anrufen und um einen Gefallen bitten konnte. Und ja – ich war nett und sprang ein, wo’s am Mann fehlte, half, wo ich konnte. Mit der Zeit, nach meinem Abschluss als Linguistin an der Uni, als ich mich als Lektorin und Texterin selbstständig machte, half ich gerne Freunden aus, die ihre Bachelor- oder Diplomarbeit fertig hatten, um„mal eben rüberzulesen.“ Ich habe das gerne gemacht, wenn es die Zeit zuließ oder weil es ja eben Freunde waren.

„Ich habe da so ein Projekt und bräuchte mal Rat“

Seit zweieinhalb Jahren bin ich bei Mashup Communications tätig und berate und betreue Kunden in puncto PR und Content Marketing. Seitdem bin ich auch viel auf Network-Events unterwegs und auch wenn ich privat neue Menschen kennenlerne, kommt irgendwann die Frage „Und was machst du so?“ Wenn ich dann von meinem Job erzähle und meinem Background, scheint es bei meinem jeweiligen Gegenüber einen Knopf zugeben, mein Wissen abzapfen zu wollen. „Ach, das trifft sich ja gut, ich habe da so ein Projekt und bräuchte mal Rat, was man hinsichtlich Kommunikation noch machen könnte“ oder „Na, wenn wir jetzt so zusammenstehen, kann ich dich ja gleich persönlich fragen“.

Ich bin nett und gerne höre ich mir die Sorgen und Nöte an. Erst letztens war ich auf einer Messe mit einem meiner Kunden unterwegs und wurde dem Gründer eines befreundeten Unternehmens vorgestellt, das am nächsten Tag eine Crowdfunding-Kampagne starten wollte. Bei Mashup habe ich bereits einige Crowdfunding-Kampagnen begleitet und die von dem Kunden, mit dem ich auf der Messe war, lief sowohl für ihn als auch im Hinblick auf die PR sehr erfolgreich. Natürlich wollte der mir vorgestellte Gründer sofort wissen, was er noch tun könne, ob ich ihm Journalisten-bzw. Blogger-Kontakte vermitteln und über seine Pressemitteilung „rüberschauen“ könne.

„Könntest du mal so eben über eine Pressemitteilung rüberschauen?“

Was viele vergessen bzw. was vielen nicht klar ist, dass sich gute Journalisten-Kontakte erst über Jahre hinweg aufbauen und meine tägliche Arbeit daraus besteht, Vertrauen zu genau diesen Menschen aufzubauen und ihnen Geschichten zu liefern, die für sie von Interesse sind. Ich schreibe Pressemitteilungen, Gastbeiträge und verfasse Geschichten für mein Kunden, die nicht nur die Medien sondern auch letztendlich den Leser fesseln, Emotionen wecken und im besten Fall Aufmerksamkeit für meine Kunden generieren sollen. Das ist mein Job und ich liebe es. Und: ich werde dafür bezahlt. Mir diese Geschichten auszudenken, sie zu verfassen und den Medien schmackhaft zu machen, kostet viel Energie und Zeit. Daher ist es nicht damit getan, mal so eben über eine Pressemitteilung „rüberzuschauen“.

Meine Arbeit, mein Können und meine Kontakte haben ihren Preis und es ist wichtig, dass Menschen verstehen, diesen Preis auch zu bezahlen. Es ist vielen nicht klar, wie viel Zeit ein „rüberlesen“ kostet. Ich arbeite 40 Stunden die Woche, mal mehr, mal weniger. Meine Freizeit ist mir heilig und die versuche ich so gut es geht zu schützen und in dieser nur die Projekte anzugehen, die ich auch wirklich machen möchte. Ich möchte nicht, dass Menschen es für selbstverständlich ansehen, dass, nur weil sie mich kennen, mein Wissen und Können ausnutzen. Dahinter muss nicht mal eine böse Absicht stehen. Allerdings fehlt mir oft das Bewusstsein mancher Menschen, für gewisse Dienste auch einen dafür angemessenen Preis zu bezahlen.

Mit gutem Gewissen freie Zeit zurück erobern

Wir leben in einer Du-Gesellschaft, schließen schnell Bekanntschaften und oftmals verschmelzen berufliche und private Kontakte. Viele nutzen dies aus, indem sie den freundschaftlichen Aspekt mit einem beruflichen Dienst in Verbindung bringen. Auch ich habe mich oftmals dabei erwischt, ein schlechtes Gewissen zuhaben, wenn ich dem freundschaftlichen Kontakt, mit dem ich gerade noch bei einem Bier saß, in beruflicher Hinsicht einen Gefallen tun sollte und abgesagt hatte. Ich möchte kein schlechtes Gewissen mehr haben! Ich möchte, dass Menschen verstehen, dass es keine Gefälligkeit ist, mal „rüberzulesen“ oder mal eben ein paar Kontakte preiszugeben. Ich möchte für das, was ich tue und was ich kann – meine Leistung – angemessen bezahlt werden. Und ich möchte, dass meine Freizeit immer noch meine persönliche „freie Zeit“ ist.

Redaktion

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