Menschen lesen freiwillig bis 2 Uhr morgens spanende Romane, auch wenn sie früh aus dem Haus müssen. Im Kino sitzen sie bis zu drei Stunden still und verfolgen die spannende Geschichte von Herr der Ringe. Andersrum wird aber ein teuer produzierter und hochglanzlackierter Geschäftsbericht im Schnitt drei Minuten gelesen*, um dann im Regal zu verstauben. Dabei arbeiten mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens drei bis neun Monate intensiv daran. Wieso ist das so?
Die Anzahl der Informationen, die wir jeden Tag aufnehmen müssen, steigt und die Aufmerksamkeitsspanne wird dabei immer kürzer. In Jahresberichten dreht sich viel um Zahlen und Fakten, die für die meisten Leser sehr eintönig sind. Doch der Abschlussbericht kann auch unterhaltsam und emotional gestaltet werden: Durch ein glaubhaftes Storytelling gelingt das, was Zahlen und Daten oft nicht können: Fakten eingängig zu transportieren und dabei Emotionen zu vermitteln. Wie ein Jahresbericht lebendiger mit der Methode Storytelling kreiert werden kann, zeigen wir euch anhand folgender Beispiele.
Nur ein Bruchteil der Leser, etwa die Finanzanalysten, sucht die harten Fakten. Der Rest will mit spannenden Geschichten, Überschriften und Bildern unterhalten werden. Der Jahresbericht von der Palfinger AG aus Österreich, einem führenden Hersteller von hydraulischen Hebevorrichtungen für Kräne, hat trotz des trockenen Themas genau das erreicht. Die Aussage des Berichtes lautete „Wir sind gewachsen“. Das Unternehmen nahm dies wortwörtlich und präsentierte sämtliche Mitarbeiter bis hin zum Vorstand in platzenden Hemden oder zu kurz geratenen Anzügen auf Fotos. Eine ganz einfache, aber klare Botschaft. Die Bilder, verbunden mit der Kernaussage des Berichts, zaubern ein Schmunzeln ins Gesicht der Leser. Über diese Bilderbotschaft taucht der Leser direkt in die Unternehmenswelt ein.
Warum das funktioniert: Über mutige oder lustige Bilder gelangen die Informationen schneller in die Köpfe der Aktionäre, Partner, Investoren und der Finanzaufsicht. Die Geschichte bleibt in Erinnerung und der Leser bringt diese positive Assoziation mit dem Unternehmen in Verbindung. Keine unpersönlichen Stock-Bilder, sondern Fotos, die die Mitarbeiter sowie den Vorstand von ihrer persönlichen Seite zeigen und gleichzeitig Werte, wie Mut und Humor, des Unternehmens widerspiegeln
Neben dem klassischen Zahlenteil, dem Lagebericht, bietet der Imageteil viel Raum für individuelle Gestaltung. Denn hinter einem Unternehmen oder einer Organisation stehen nicht nur Zahlen, sondern vor allem Gesichter und Geschichten. Die Leser sollen hinter die Kulissen geführt werden – durch Reportagen oder spannende Interviews werden die echten Storys aus dem Unternehmen erzählt. Die Leitung des dänischen Pharmaunternehmens Novo Nordisk legte 2015 einen Geschäftsbericht vor, bei dem sich die Leserschaft fragte: Ist das ein noch ein Jahresbericht oder bereits ein Magazin? Das Werk enthält zwar alle harten Fakten, die ein börsennotiertes Unternehmen liefern muss, wie den Finanz-, den Entschädigungs- und den Corporate-Governance-Bericht. Aber das Titelblatt mit der Schlagzeile „Warum so viele Menschen in den Städten an Diabetes erkranken“ sowie der ganze Bericht erinnerten stark an eine Zeitschrift. Mit Skyboxen und weiteren Lesehinweisen auf der Titelseite bekamen die Leser Lust auf mehr. Es wurde mit Statistiken aufgezeigt, wie viele Menschen an Diabetes leiden und dass sogar 193 Millionen der weltweiten Bevölkerung gar nicht wissen, dass sie zuckerkrank sind.
Warum das funktioniert: Das Pharmaunternehmen macht aus den Analysen und Zahlen zum Medikamentengeschäft ein übergreifendes Thema und bietet den Lesern zahlreiche Einblicke und Informationen zu Diabetes und anderen Krankheiten. In dem Bericht werden zudem Menschen hinter den Zahlen gezeigt. Das Thema des Unternehmens wird so mit einem großen Mehrwert für die Leser aufbereitet.
Im Bericht soll nicht nur mit trockenen Zahlen hantiert werden, sondern auch Menschen, die den Erfolg des Unternehmens ausmachen, zu Wort kommen. Zwei sehr erfolgreiche Beispiele liefert die Hamburger Stadtreinigung: Im Jahresbericht 2012 porträtieren Müllmänner ihre Stadt – mit ihren Mülltonnen. Denn kaum jemand kennt seine Stadt so gut wie die Hamburger Entsorger, die jeden Tag bei Wind und Wetter unterwegs sind. Mit umgebauten Mülltonnen fotografieren sie ihre Lieblingsorte, die sie auf Touren durch alle Stadtteile entdeckt haben. Im Geschäftsbericht 2014 erzählen die Mitarbeiter Geschichten, die ihnen morgens bei der Arbeit passieren. „Im Team bin ich schon früh mit meinen Kollegen auf Tour. Da gibt es schon mal ein Moin-Moin und manche nette Begebenheit. Auf der Barmbeker Straße zum Beispiel begegnete mir immer sehr früh und regelmäßig eine blinde Dame auf dem Gehweg. Sie war sehr ängstlich, wenn ich mit der kleinen Kehrmaschine, die so viele laute Geräusche machte, an ihr vorbeikam. Eines Tages, als ich das verstanden habe, hielt ich an und bin mit der Dame ins Gespräch gekommen. Sie hat die Maschine ringsum abgetastet und hat sich alles von mir erklären lassen. Von diesem Tag an winkte sie mir jeden Morgen fröhlich zu“, so Elke Below, Entsorgerin der Stadtreinigung Hamburg.
Warum das funktioniert: Die Mitarbeiter sind die wahren Helden des Unternehmens, die den Erfolg der Stadtreinigung ausmachen. Dies führt nicht nur zu einem unterhaltsamen Jahresbericht, sondern macht das Unternehmen greifbarer, sympathischer und persönlicher. Das sind Geschichten, die das wahre Leben schreibt.
*laut Jochen Rädeker, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Strichpunkt; Professor für Corporate Identity an der Hochschule Konstanz, Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 17.05.2010
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