Content ist King – Multimedia-Reportage ist King Kong
Die Reportage gilt als journalistische Königsdisziplin, doch die digitale Hochkultur hat eine originelle Evolution hervorgebracht: die Multimedia-Reportage. Losgelöst von Text, entfalten sich Geschichten nun über die gesamte Webseite. Audioformate, Slides, Bilder – selbst das Scrollen ist das neue Stilmittel einer digitalen Story geworden. „Snow Fall: The Avalanche at Tunnel Creek“ von der New York Times, die „Arabellion“ der Rhein-Zeitung oder Spiegels „Mein Vater, ein Werwolf“ – diese Meisterwerke zeigen ihr ganzes Potential. Trotzdem ist das Erzählformat auf der Corporate-Seite eher selten zu finden. Unternehmen wagen sich nur zaghaft heran, obwohl die Multimedia-Reportage viele Möglichkeiten in Sachen Brand Storytelling bietet. Wie Marken den König in ihre Kommunikation integrieren können, zeigen wir anhand von drei Vorreiter-Beispielen.
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Das Auge liest mit – visuelle Komponenten richtig einsetzten
Als der ehemalige Journalist Steve Wiens begann in der Kommunikationsabteilung von Microsoft zu arbeiten, entstand kurze Zeit später einer der erfolgreichsten Corporate Storytelling Blogs unserer heutigen Zeit: Microsoft Story Labs. Auf der Webseite erhalten die Mitarbeiter des Technologieunternehmens die Möglichkeit, ihre persönliche Reise sowie die originellen Ideen, die sie entwickeln, zu teilen. Dabei zeigt Microsoft, wie das digitale Handwerk auf der unternehmerischen Seite funktioniert. Die Reportagen zeichnen sich vor allem durch eines aus: kreatives, interaktives und hochqualitatives visuelles Material.
Quelle: Microsoft Story Labs – Die Reportagen zeichnen sich durch interaktives Material aus
Die ausgefallenen Designs der Multimedia-Reportagen von Microsoft Story Labs unterstützen den Fluss jeder einzelnen Geschichte. Ein gutes Beispiel ist „ASTA ROSEWAY“ über die Microsoft-Designerin Roseway. Die Einbindung von interaktiven Bildformaten spiegelt die Persönlichkeit der Microsoft-Mitarbeiterin wider.
Dabei zeigt der Technologiekonzern, dass weniger mehr ist. Die unbegrenzte Fläche einer Webseite verführt dazu, sich mit den digitalen Spielereien zu viel auszutoben und sie zu überladen. Microsoft Story Labs verwendet nur einige wenige, dafür allerdings große und passende Komponenten. Marken sollten ihren Lesern nicht zu viel abverlangen, sondern sich auf das visuelle Bildmaterial beschränken, welches auch wirklich die Story unterstützt. Zudem nutzt der Blog des Technologieunternehmens Bilder, um komplexe Hürden, welche die Helden – ihre Mitarbeiter – auf ihrer Reise gemeistert haben, mithilfe von Grafiken oder mit gekonnt eingesetzten Scrollytelling-Elemente zu erläutern, wie in der Geschichte „Invisible Revolution“. Ob Bilder, Videos oder Grafiken, eine gute Multimedia Reportage nutzt visuelle Elemente, mit dem Ziel, dass die Leser die Story besser verfolgen können.
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Die Radio-Reportage – klassische Stilmittel werden digital
Die Radio-Reportage ist ein Stilmittel, das dem Verfasser erlaubt, seine Eindrücke so zu formulieren, dass der Leser sich in die Situation hineinversetzen kann. Mit ihrem szenischen Einstieg und den Hintergrund-Atmos ist sie eine effektive Methode, um seine Zielgruppe in die Welt der Geschichte hineinzuziehen. Ein deutscher Unternehmensblog, der dieses Kommunikationsrezept über die letzten Jahre perfektioniert hat, ist der Daimler-Blog.
Quelle: Daimler Blog – Screenshot
Das Ziel der Webseite lautet: Außenstehenden authentische Einblicke in die Unternehmenspraxis zu liefern. Daher ist es auch schlüssig, dass sich der Blog den Elementen der Königsdisziplin bedient. Dabei helfen Gastautoren, aber auch feste Redakteure, wie Sascha Pallenberg, den Radioklassiker in die digitale Corporate Welt zu katapultieren. Bei Pallenbergs „Date mit dem Concept EQ“ startet der Blogger mit dem nachfolgenden Einstieg:
Sein Treffen mit dem Auto wird textlich und in einer Mini-Audio-Reportage zusammengefasst, die Lust macht, tiefer in die Technologiewelt vorzudringen. Alle Audioformate auf der Webseite dauern vier bis acht Minuten. Insgesamt zeigt der Daimler-Blog, wie journalistische Klassiker auch auf der unternehmerischen Seite gut genutzt werden können.
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Ganz großes Kino – Eine Harmonie für alle Sinne
Wer kann eine Geschichte besser erzählen als die Person, die sie erlebt? Genau das hat sich die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace gedacht und setzt in ihrem Blog auf Augenzeugenberichte. Hier kommen Gastautoren zu Wort, die sich mit den grünen Thematiken befassen und live von Geschehnissen vor Ort berichten. Unterstützt werden sie dabei von einem stimmigen multimedialen Zusammenspiel.
Der Blogbeitrag „WENIGER IST MEHR“ befasst sich mit dem Fleischkonsum innerhalb Deutschlands. Dabei können Leser sehen, hören und zuschauen, wie es um die Massentierhaltung in der Bundesrepublik steht. Grafische Vergleiche zeigen das Ausmaß, Videos bieten einen Blick hinter die Kulissen und das große Bildmaterial zeigt, wie der Landwirtschaftsexperte an den Auswirkungen auf die Umwelt forscht. Das Corporate Design ist dezent gehalten und bietet dem Leser Raum, sich komplett auf die Geschichte konzentrieren zu können. Der Greenpeace-Blog zeigt eines: Wenn Brands mit einer Multimedia-Reportage arbeiten möchten, müssen sie der Dirigent sein, der das Zusammenspiel aller Komponenten zu einem wundervollen Kunstwerk lenkt.
Fazit: Die digitale Multimedia-Welt steht Unternehmen offen!
Ob Technologiekonzern, Automobilhersteller oder Umweltorganisation – unabhängig von der Branche, bietet unsere digitale Hochkultur viele Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen. Dabei muss es nicht ein großes interaktives Spektakel sein, wie es die New York Times auf die Beine gestellt hat. Der „WENIGER IST MEHR“-Beitrag vom Greenpeace-Blog fällt im Vergleich zu der Scrollytelling-Story „The Invisible Revolution“ von Microsoft kleiner aus. Daimler setzt auf Mini-Audio-Reportage und die Umweltschutzorganisation wiederum auf Vorort-Videos. Doch eines haben alle Beiträge gemeinsam: Nicht das Unternehmen kommt zu Wort, sondern die Mitarbeiter, eine neutrale Person oder Menschen, die hautnah dabei waren. Es geht weniger um ein konkretes Produkt, als vielmehr um eine Botschaft. Genau das macht eine gute Geschichte aus.
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25. November 2024