Scripted – Filme als effektives Marketingtool
„Die Attraktivität eines Drehbuchs liegt für mich vorwiegend darin, dass es überhaupt verfilmbar ist.“
So Herbert Reinecker, Drehbuchschreiber und Konstrukteur der deutschen Erfolgsserie „Derrick“. Wer ein gutes Skript oder Drehbuch liest, dem sollte im besten Fall demnach der beschriebene Film oder das Video vor dem inneren Auge ablaufen.
Filme als effektives Marketingtool verpacken Informationen in Emotionen. Botschaften, die in Kurzfilmen erzählt werden, binden den Kunden an das Unternehmen, bauen eine Beziehung auf und bleiben besser im Gedächtnis.
Ein kleiner Test: Was bleibt besser hängen – der Text vom Onlineportal Opernreiseführer oder das Video?
„In Ungarn erleben Sie nicht nur große Kunst, sondern auch einen optischen Hochgenuss, den das Opernhaus „Magyar Állami Operaház“ zu bieten hat. Die Staatsoper ist eines der prachtvollsten Beispiele der Neorenaissance-Architektur, welches im Stadtteil Pest der ungarischen Hauptstadt Budapest zu finden ist. Dieses historische Opernhaus gilt als eines der Meisterwerke von Miklós Ybl und als eines der schönsten der Welt. Das zwischen 1875 und 1884 erbaute Gebäude ist überaus reich geschmückt mit barocken Elementen, zahlreichen Ornamenten, Gemälden und Skulpturen. Zu Recht zählt es damit zu den bedeutendsten Denkmälern von Budapest aus dem 19. Jahrhundert.“
Staatsoper Budapest
Doch um einen gelungenen Image-, Recruiting, Erklär- oder Werbefilm zu produzieren, bedarf es etwas Vorbereitung. Denn ein „aus dem Bauch heraus“ produziertes Bewegtbildmaterial führt beim Dreh nur zu Chaos auf allen Seiten. Ein Skript gibt hingegen Struktur, Überblick und kann wie eine Art Checkliste verwendet werden.
Aller (Videoskript-) Anfang ist schwer
Für den Start sind diese Aspekte und Fragen wichtig:
- Ziel: Was will ich mit dem Video oder Film erreichen?
- Kernbotschaft: Was soll er aussagen?
- Zielgruppe: Für wen mache ich das Video oder den Film?
Diese Fragen sollte sich jeder vor dem Skript schreiben stellen. Denn nur wenn klar ist WOFÜR man WIE, WAS und für WEN produzieren soll, wird der Film am Ende seinen Sinn und Zweck erhalten. Sind diese Fragen beantwortet, geht es zunächst an den kreativen Part. Wem das schwer fällt, kann mit Stichpunkten auf Post-It Zetteln anfangen und sich so die Story ordnen. Wer geübter ist, kann sofort eine grobe Vorstellung der Abfolge der Handlungen aufschreiben. Die sogenannte Kurzdarstellung hilft, um hinterher bei der Übertragung in das Skript mehr Struktur und Übersicht zu haben.
Ein prominentes Beispiel von Alfred Hitchcock`s „Der Fremde im Zug“:
Der Tennisprofi Guy Haines (Farley Granger) lernt auf einer Zugfahrt Bruno Anthony (Robert Walker) kennen. Die beiden kommen ins Gespräch, und schon bald bekommt Guy von Bruno das Angebot, dass er seine Frau umbringt. Im Gegenzug soll Guy Brunos Vater ermorden. Guy hält die Sache zunächst für einen Witz, doch plötzlich ist seine Frau tatsächlich tot.
Ist die Handlung grob umfasst, geht es darum, die Geschichte mit all ihren lebendigen Bildern, Texten und Tönen aufzuschreiben. Zwei essenzielle Fragen, die sich der Autor dabei stellen muss:
- Bilder, Einstellungen, Szenen, Grafiken: Was ist zu sehen?
- Gespräche, Interviews, Geräusche, Musik: Was ist zu hören?
Ein gelungenes Beispiel ist das Imagevideo von Hipcamp – Find yourself outside. Das Onlineverzeichnis für die schönsten Zeltplätze in den USA zeigt aneinander geschnittene Szenen: Duschen im Freien, das Klackern der Zeltstäbe beim Aufbauen, Kochen am Lagerfeuer, der Sprung ins kalte Wasser, Mücken. Kurz: Den Klang und die vielen Impressionen die sich beim Campen in der freien Natur einstellen. Ein Video, dass genau jenes Gefühl vermittelt, das sich beim Campen irgendwann einstellt und somit genau die „Sprache“ seiner Zielgruppe spricht, ohne ein Wort zu sagen.
Bilder statt Gefühle – das gehört in ein Filmskript
Ein Film- oder Videoskript ist keine Prosa, sondern eine Anleitung für den Dreh. Wichtig ist dafür eine ganz genaue Bildbeschreibung, was zu sehen sein soll. So steht im Skript nicht „Laura freut sich über den Geburtstagskuchen“, sondern „Close sieht man Lauras Gesicht, im Vordergrund unscharf einen Kuchen. Laura schaut lachend auf den Kuchen und pustet die Geburtstagskerzen aus“.
Am wichtigsten ist in einem Video oder Film immer das erste und das letzte Bild. Es sollte eine Symbolkraft haben, oder zumindest sehr hervorstechen, da es den Zuschauer entweder in das Video reinzieht, oder eben nicht. Genauso ist es mit dem letzten Bild – es ist der Eindruck, mit dem der Zuschauer nach dem Ende entlassen wird.
Ein Beispiel für einen Werbefilm, der für seine Emotionalität gefeiert wurde, ist der Spot „Dear Brother“ des Whisky-Brands Johnnie Walker. Ohne das Skript der Filmemacher Dorian Lebherz und Daniel Titz der Filmakademie Baden-Württemberg zu kennen, wird in den Beschreibungen der Einstellungen und Bilder keine Emotion zu lesen sein gewesen. Sondern eher sachliche Bildbeschreibungen wie:
Halbtotale: Bruder steht an der Klippe am Meer
Close: Eine schwarze Urne wird geöffnet
Was immer zählt: Das richtige Timing
Das Zeitgefühl ist bei einem Video oder Film immens wichtig. Wie lang soll jeder Bildausschnitt zu sehen sein? Wie lang soll die Person in dem Video sprechen? Eine acht-Sekunden-Einstellung, in der eine Person ein Gebäude betritt, ist deutlich zu lang. Hier greift die KISS-Regel: Keep it simple and short! Der Zuschauer braucht etwa drei Sekunden um ein Bild gut zu erfassen und zu verstehen. Natürlich kann ein schneller Schnitt oder ein Slow-Motion-Einsatz bewusst gewählt werden, um Dynamik oder einen besonderen Fokus zu legen. Um Spannung zu erzeugen kann auch mal eine Einstellung fünf Sekunden stehen, ohne dass viel darin passiert. Das sind dann aber immer stilistische Mittel, die mit Bedacht eingesetzt werden sollten. Der Overvoice-Text, der von einem Sprecher über die Bilder erzählt wird, sollte genau getimed werden. Dies geht am besten, wenn man eine Stoppuhr mitlaufen lässt, während der Text gelesen wird.
Die Filmskript-Vorlage
Hat sich der Autor alle Fragen beantwortet und Ideen für Einstellungen, Bilder und Töne gesammelt und festgehalten, trägt er sie in die Skriptvorlage ein. Dies beinhaltet die Punkte
- Zeit
- Bild / Einstellungen / Grafiken
- Ton / Geräusche / Musik.
Um noch mehr Struktur und einen Überblick über den Drehplan zu bekommen, kann man das Skript um folgende Spalten ergänzen:
- Ort
- Besonderheiten
Klappe die Erste: Ein simples Filmskript-Beispiel
Zeit
Bild
Ton
Ort
Besonderheit
Makroeinstellung:
Eine weibliche Hand fährt sanft über eine Reihe von Buntstiften
Einstellung close Halbtotale:
zu sehen ist der Arm, wie er über dem Schreibtisch liegt / schwebt, die Finger ziehen einen blauen Stift
Halbtotale/Over Shoulder:
Über die Schulter der Zeichnerin ist ein weißes Papier zu sehen, die Zeichnerin setzt mit den ersten zwei Strichen an
Und am Ende heißt es dann: Film ab!
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12. November 2024