Wir alle kennen diesen Moment in einem langen, zähen PowerPoint-Vortrag: Fühlen wir uns von dem Inhalt oder der Aufmachung des Vortrags nicht angesprochen, fällt es uns spätestens bei Folie 49 schwer, die Augen offen zu halten und nicht über die noch zu erledigenden Einkäufe nachzudenken. Denn bei Präsentationen mit aneinander gelisteten Stichpunkten aktivieren wir zwar unser Sprachzentrum, das uns ermöglicht, Wörter zu verstehen. Aber mehr auch nicht.
Bei einer Geschichte hingegen werden auch die Teile des Gehirns aktiviert, die für das Erleben des Erzählten tatsächlich gebraucht werden. Wenn von salziger Meeresluft die Rede ist, wird der Teil des Gehirns, der für Geschmack beziehungsweise Geruch zuständig ist, angekurbelt. Wenn im Krimi der Ort des Verbrechens detailliert beschrieben wird, haben wir das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Sogar, wenn über körperliche Bewegung erzählt wird, läuft sich der für Bewegung verantwortlich Teil des Gehirns, der motorische Kortex, warm. Je mehr Sinne und Bilder wir im Kopf aktivieren, desto stärker werden Inhalte verinnerlicht und die Lust, weiter zuzuhören, wächst.
Wie die milliardenschwere Entertainment-Branche zeigt, sind wir noch immer extrem fasziniert von guten Filmen, Serien oder Büchern. Weshalb sollten dann unsere Business-Präsentationen staubtrocken sein und nicht auch mit Geschichten arbeiten? Komplexe Erklärungen und Gedankengänge werden erst durch Metaphern und Anekdoten leicht verständlich. Das Publikum kann sich zurücklehnen und der Reise folgen, so wie es das Gehirn unserer Vorfahren schon vor Tausenden von Jahren getan hat.
Ein Modell aus dem klassischen Storytelling beschreibt die Situation aus Hook, Hold und Payoff – also die Aufmerksamkeit des Publikums bekommen, die Aufmerksamkeit des Publikums halten und dem Abschluss, in dem diese Aufmerksamkeit belohnt wird. Egal, wo man hinschaut, in jedem Film, in jedem Roman, selbst in den kürzesten Werbespots, wird dieses Modell angewandt.
Doch wie können sich Redner diese Methodik für ihren eigenen Vortrag zu Nutze machen? Die menschliche Aufmerksamkeitsspanne liegt gerade einmal bei acht Sekunden. Wer da im Vortrag erst mit dem üblichen „Hallo, mein Name ist…“ anfängt, hat das Publikum schnell verloren. Die ersten Sekunden sind entscheidend, also sollte auch schon hier das Storytelling auf unkonventionelle Art und Weise geschehen. Ehe der Redner das Publikum sprichwörtlich an der Angel hat, muss er zunächst seinen Haken (engl. Hook) auswerfen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer persönlichen Anekdote, passend zum Vortragsthema? Oder einer einfachen Frage, die das Publikum leicht verständlich ins Thema einführt und teilhaben lässt? Die Zuhörer werden so emotional abgeholt und erhalten eine Möglichkeit, sich mit dem Redner zu identifizieren. Vor der eigentlichen Informationsvermittlung sind sie schon in seinen Bann gezogen.
Drew Houston, Gründer von Dropbox, hielt eine Rede an seiner ehemaligen Universität über sein persönliches Rezept zum Erfolg. Diese begann so: „Wenn ich am heutigen Tage meinem 22-jährigen Ich einen Spickzettel zuschieben könnte, dann würde dieser folgendes beinhalten: Einen Tennisball, einen Kreis und die Nummer 30.000.“ Was für ein Hook! Man kann sich sicher sein, dass jeder der Anwesenden wissen wollte, wie es weiter geht. Keine Sorge, die Auflösung kommt später noch.
Ein weiteres Beispiel, wie man sich mit voller Wucht die Aufmerksamkeit des Publikums gleich zu Beginn sichert, stammt von Koch und Ernährungsaktivist Jamie Oliver: „In den 18 Minuten, die dieser Vortrag dauert, werden vier Amerikaner sterben, und zwar aufgrund des Essens, das sie zu sich nehmen.“ Auch hier macht bereits der erste Satz so neugierig, dass man sich gebannter Aufmerksamkeit sicher sein kann.
Während der „Hold“ Phase gilt es nun, das Publikum bei der Stange zu halten und ihnen das Vortragsthema so zu präsentieren, dass es für sie spannend bleibt. Was sind die Ziele der Rede? Welche Fragen sollen beantwortet werden? Grundsätzlich hilft es, die wichtigsten Bestandteile einer Geschichte zu beherzigen, um das Interesse möglichst lange zu halten. Wenn das Publikum einen interessanten Helden, dessen Ziele, die Konflikte, die ihm dabei im Weg stehen, usw. nachvollziehen kann, wird es auch langfristig der Story folgen.
Wer unabhängig vom Spannungsbogen der gesamten Rede zum Ende noch einmal richtig Spannung aufbauen möchte, darf ruhig am Anfang oder in der Hold-Phase eine Geschichte oder Information anteasern, die garantiert niemand verpassen möchte. Auch ihr wollt sicher noch immer wissen, was es mit dem Tennisball, dem Kreis und der Zahl 30.000 auf sich hat. Neugierde ist ein Magnet, mit dem das Publikum sprichwörtlich an den Lippen klebt.
Wenn man sein Publikum mit einem starken Vortrag gefesselt hat, wäre es doch schade, den Vortrag mit einem schwachen Schluss zu zerstören. Wichtig ist deshalb der letzte Satz einer Rede, die letzte Folie einer Präsentation. Fatal sind Sätze à la „Das war’s. Noch Fragen?“ oder „Meine Zeit ist um, ich komme dann jetzt zum Ende.“. Stattdessen sollten Rede, Vortrag oder Präsentation zum Schluss beispielsweise nochmals das ganze Bild zeichnen, den Bogen zurück zum Anfang schlagen, die Vision aufzeigen, wohin die Reise gehen kann oder die Zuhörer auffordern, das eben gehörte weiterzugeben oder umzusetzen.
Denn jede Geschichte und somit auch jede Rede sollte am Ende eine Auflösung haben, die die offenen Emotionen und Fragen des Publikums schließt, und im Idealfall mit dem Payoff – also was der Redner dem Publikum weitergeben möchte – endet. Als Beispiel dafür und für euer weiteres Leben, gebe ich euch deshalb das Erfolgsrezept von Dropbox-Gründer Drew Houston mit auf den Weg:
Tennisball
„Der Tennisball steht für etwas, worin du richtig vernarrt bist, wofür du dich richtig einsetzen kannst. Mich erinnert der Tennisball immer an meinen Hund, denn der wird immer ganz verrückt, wenn ich mit ihm gemeinsam spiele und den Ball werfe.“
Payoff: Die erfolgreichsten Unternehmer haben alle etwas, wovon sie förmlich besessen sind. Der Gedanke soll dazu ermuntern, selbst so eine Energie und Motivation zu verspüren.
Kreis
„Du bist der Durchschnitt deiner engsten fünf Freunde, also solltest du auch sichergehen, dass du dich mit Menschen umgibst, die das Beste für dich wollen und das Beste aus dir machen. Um so auch selbst das Beste aus dir herausholen zu können.“
Payoff: Der Kreis soll an die engsten Freunde erinnern und dafür stehen, dass man die Menschen in seinem Leben gut wählen sollte.
30.000
„Als ich 24 Jahre als war, habe ich einmal gelesen, dass die meisten Menschen ca. 30.000 Tage leben. Also nutzt jeden auch jeden einzelnen dieser Tage, den euch das Leben schenkt.“
Payoff: Die Zahl 30.000 soll dafür stehen, das Beste aus seinem Leben herauszuholen.
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