Nelson Mandela und seine Rolle als Storyteller einer Nation

Quelle: BBC

An einem Tag im August des Jahres 1995, erst ein Jahr nach der ersten demokratischen Wahl Südafrikas machte Nelson Mandela einen ungewöhnlichen Besuch in Johannesburg, Südafrika. Als er in der windgepeitschten Stadt Orania, 400 Meilen südwestlich von Johannesburg, aus seinem Hubschrauber stieg, suchte er die 94-jährigen Betsie Verwoerd auf, um in ihrem Hause eine Tasse Tee zu trinken. Betsies verschiedener Ehemann war der ehemalige Premierminister Hendrik Verwoerd, welcher oftmals als „Architekt“ der Apartheid bezeichnet wurde.

Dieser Besuch gehörte wahrscheinlich zu einem der ungewöhnlichsten Momente der damaligen Zeit, als sich gesellschaftliche und politische Begebenheiten in einer Weise änderten, wie sich niemand hätte vorstellen können: Denn Orania war eine rein „weiße“ Stadt, die 1990 von rechten Afrikanern gegründet wurde. Wie auch die umliegenden Städte bereitete Orania den Übergang zur Mehrheitsregierung vor. Unter dem System von Betsie Verwoerds Ehemann hatte Nelson Mandela 27 Jahre im Gefängnis verbracht. Nun besuchte er sie als erster schwarzer Präsident der Nation.

Dieser Moment ist nur einer von vielen, der versinnbildlicht, dass Mandelas Geschichte nicht nur die des Landes Afrika war, sondern auch seine eigene. Am 18. Juli 2018 wäre „Madiba“ 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass wollen wir sein Leben vor dem Hintergrund der Heldenreise von Christopher Vogler noch einmal Revue passieren lassen.

Die gewohnte Welt:

Nelson Rolihlahlahla Mandela wurde am 18. Juli 1918 im Dorf Mvezo im heutigen Ostkap Südafrikas als Kind eines lokalen Häuptlings geboren. Abstammend aus dem afrikanischen Königshaus Thembu besuchte er als Junge eine Methodisten-Schule.

Der Ruf:

Die rechtliche Gleichstellung und Befreiung der Ureinwohner Südafrikas. Sein ganzes Leben ist von diesem Ruf nachhaltig geprägt und beeinflusst dieses maßgeblich.

Die Weigerung:

Nicht nur die Unterdrückung durch die Weißen beengt den Südafrikaner. Auch die urtraditionellen Ansichten seines Volkes lassen ihm kaum Raum, seine Träume zu verwirklichen. Nach einer arrangierten Vermählung, bei der bereits das Brautgeld bezahlt war, floh Mandela nach Johannesburg.

Der Mentor:

Mandela blickte in seinem Leben zu einigen Personen auf, die ihn nachhaltig geprägt haben. Einer der wichtigsten Mentoren war darunter Walter Sisulu, welchem er bereits in frühen Jahren begegnete. Sisulu war Generalsekretär der ANC und ermutigte ihn als jungen Mann sein Jurastudium zu beginnen.

Überschreiten der ersten Schwelle:

Seinen ersten Protest führte Mandela mit 23 Jahren an der eigenen Universität gegen die mangelhafte Verpflegung. Er hatte anschließend die Wahl klein beizugeben oder suspendiert zu werden – kurz darauf wurde der willensstarke Student vom College verwiesen.

Prüfungen, Verbündete, Feinde:

Im Alter von 26 Jahren tritt Mandela dem „African National Congress“ (ANC) bei. Dieser kämpfte für die Gleichstellung der Rechte zwischen Schwarz und Weiß. Um den Druck auf die Apartheid weiter zu erhöhen, gründete er mit 34 die „Deviance Campaign“, die der ANC mehr als Hunderttausend neue Mitglieder einbrachte. Nelson wird zu ihrem Anführer.

Vordringen zur tiefsten Höhle:

Während eines Friedensmarsches gegen die Polizeistation, um wegen fehlender Pässe eine absichtliche Gefangenname zu provozieren, sterben über 60 Menschen durch Schüsse. Dieser Vorfall ist seitdem als Massaker von Sharpeville bekannt.

Die entscheidende Prüfung:

Nachdem Mandela in den Untergrund geflohen ist, wurde er vor Gericht gestellt. In einer ergreifenden, vierstündigen Rede erklärt der Politiker am 20. April 1964, dass er bereit ist, für seinen Kampf gegen die Apartheid sein Leben zu lassen.

Die Belohnung:

Nelson Mandela wird zu einer Freiheitsstrafe von 27 Jahren verurteilt. In dieser Zeit finden weitere Kämpfe und Aktionen statt und der Widerstand wächst sogar so weit, dass die Aufstände international Wellen schlagen. Dies findet seinen Höhepunkt am 11. Juni 1988 in einem ihm gewidmeten Charity-Konzert mit 72.000 Besuchern und den größten Acts der damaligen Zeit.

Rückweg:

Im Jahr 1990 wird der südafrikanische Politiker nach Jahrzehnten der Inhaftierung aus dem Gefängnis entlassen. In einer geschichtsträchtigen Rede vor über 120.000 Menschen am Tag seiner Freilassung ruft Mandela seine Anhänger nicht zu Vergeltung, sondern zu Versöhnung auf.

Auferstehung:

In den ersten freien Wahlen nach der Apartheid wird die ANC zur stärksten Partei Südafrikas gewählt. Nelson Mandela ist der erste schwarze Staatspräsident.

Rückkehr mit Elixier:

Während der Rugby-Weltmeisterschaft betritt Mandela das Spielfeld mit dem Team-Shirt der „Springboks“. Da Rugby lange Zeit ausschließlich den Weißen vorbehalten war, symbolisiert diese Geste die Gleichstellung der Völker.

Mandela hat sein Publikum immer verstanden. Er wusste genau, mit wem er sprach und wie er die richtige Botschaft vermitteln konnte, um Wirkung zu erzielen. Es ist Mandelas tief empfundene Erzählungskunst, war es, die die Vorstellungskraft der Welt erobert hat. Und es ist die zeitlose Natur seiner persönlichen Geschichte, die für immer in den Herzen seiner Nachfahren leben wird.

Redaktion

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