Regelmäßig sitze ich in einem der großen bekannten Theater Berlins und schaue neben verstaubter Schinken neue Inszenierungen junger, kontroverser Regisseure. Obwohl das On-Demand-Angebot für Bewegtbild heute boomt wie noch nie, ist das Schauspiel weiterhin Bestandteil unseres Medienkonsums. Veranstaltungen, die von Emotionen und echten Geschichten erzählen, haben eine magische Wirkung auf uns Zuschauer. Um die Welt der Bühnen zu honorieren, kommen hier ein paar schöne Beispiele für transmediale Werbekampagnen und Brand Storytelling im Theaterbetrieb. Sie zeigen die perfekte Beziehung einer unserer ältesten Kulturformen mit der jungen medialen Welt.
Anfangen möchte ich mit einer sehenswerten Kampagne des Hamburger Thalia Theaters. Die Spielstätte gehört zu den renommiertesten Bühnen in Europa, dessen Inszenierungen internationaler Künstler regelmäßig ausgezeichnet werden. Jedoch bedeutet Prominenz nicht, dass jede Spielzeit ausverkauft ist. Somit hat das Haus gemeinsam mit der Agentur Nordpol+ eine Transmedia-Kampagne umgesetzt, die auf Abonnenten abzielt. Unter dem Motto der „Langzeitbeziehung“ trifft die Kampagne den Nerv der Zeit. Schnelllebigkeit und Unverbindlichkeit machen es nicht nur unmöglich, Liebesbeziehungen zu führen, sondern auch Freundschaften zu einer komplizierten Sache. Jeder kennt die Absprache: „Wie wäre es mit nächstem Freitag oder Dienstag in fünf Wochen?“. Oder „Ist das jetzt was Festes?“. Genau diese Problematik greift die Kampagne auf. Planungssicherheit durch Abos in unserer schnelllebigen, digitalen Welt, bringt seltenen Mehrwert. So kann ein festgelegter Theatertermin zwar verpflichten, doch damit auch befreiend sein.
Die Schaubühne Berlin startet jede Spielzeit eine neue Kampagne mit Porträts der Ensemblemitglieder. Für die Spielzeit 2018/19 hat das Theater gemeinsam mit dem Fotografen Christian Jankowski ein transmediales Vorhaben umgesetzt. Der Künstler forderte das Ensemble auf, sich im Schlaf zu inszenieren. Das Prinzip lehnte er an die sogenannten „sleeping pranks“ an. „We are innocent when we sleep“ lautet der Titel. Unter den Bildern sind die ersten Worte der Schlafenden nach dem Erwachen aufgezeichnet: „Pipifax…Käsemeister…Klassenkampf“, sagte zum Beispiel Mark Waschke. Oder Lukas Turtur: „Ich kam mir so wichtig vor.“ Die Schaubühne platzierte die Bilder auf Plakaten in der Stadt und druckte sie im Programm. Auf Instagram posteten sie in regelmäßigen Abständen das Video und Foto des Erwachens in ihrer Story. Im Theater schläft wenn, dann eigentlich das Publikum. Deswegen und auf Grund mangelnder Zugänglichkeit bekam die Kampagne nicht nur positive Kritik. Dafür setzte ein mächtiges Medienrauschen ein.
Kampagnen müssen ja nicht immer einen Mehrwert in Bezug auf bessere Zahlen für ein Unternehmen mit sich bringen. PR kann auch einen Beitrag dazu leisten, politische oder gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen, wenn nicht sogar zu beheben. Mit den Terroranschlägen in Frankreich im Jahr 2015 auf das Bataclan-Theater, blieben die kulturellen Spielstätten leer. Mit der Kampagne „Ma place est dans la salle“ („Mein Platz ist im Saal“) mobilisierten sich Kulturschaffende in Paris und forderten geschlossen dazu auf, wieder ins Theater zu gehen. Innerhalb einer Woche tauschten insgesamt über 150 verschiedene Inszenierungen und Shows ihren Namen gegen den Claim „Ma place est dans la salle“ aus. Auf allen Druckerzeugnissen, Social-Media-Kanälen oder über den Türen der Spielhäuser prangte nun die Einigkeit der Unterstützer. Daraufhin schlossen sich über 200 weitere Verbündete an. Die Aktion verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wurde auf allen Social-Media-Kanälen gefeiert. Noch heute wird der Hashtag #MaPlaceEstDansLaSalle von Theaterinteressierten genutzt.
Eine weitere schöne Kampagne lieferte das Maxim-Gorki-Theater, das bereits für die Spielzeit 2014 gemeinsam mit der Agentur Ballhaus West eine Spendenkampagne startete. Gemeinsam entwickelten sie Kommunikationsmaßnahmen, die dazu dienten, englischsprachiges Publikum in die Theatersäle zu holen. Dabei ist vor allem der reißerische Claim „Not only for Krauts, but also for Crowds“ entstanden. Ein internationaler Dialog, der auf allen Kanälen vorangetragen wurde und es dazu brachte, dass die englische Sprache durch Spendengelder Einzug in die Säle nahm. Gerade für ein Theater, das für kulturelle Diversität steht und über die Grenzen Berlins hinaus gefeiert wird, ein wichtiger Schritt.
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Die Beispiele zeigen, wie es gelingen kann, Storytelling über die klassische Performance hinaus für sich zu nutzen. Via Transmedia-Kampagnen werden Geschichten gezielt gestreut. Hauseigene und speziell eingerichtete Social-Media-Kanäle oder klassische Plakate und Programmhefte verbinden auf geschickte Weise eine unserer ältesten Kulturformen mit der jungen medialen Welt. Hinzu kommen Landingpages, Merchandise, Fundraising und die persönliche Initiative der Kulturschaffenden. Dabei geht es nicht immer darum, ein gewisses Branding vorzunehmen, sondern auch darum, politische Hürden zu meistern. Sei es für den gesamten Betrieb oder für eine einzelne Performance oder Zielgruppe. Letztlich gilt es, das Publikum, bereits bevor der Vorhang fällt, einzufangen und mit auf eine Reise zu nehmen, die in den Theatersaal führt und alle Beteiligten spätestens nach der Vorführung reicher entlässt.
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