Wenn ihr das Wort Israel hört, was geht euch durch den Kopf? Die Wüste? Ein Kamel in der Wüste? Die Klagemauer? Das Tote Meer? Der Nahostkonflikt? Matkot? Bamba oder die flimmernden Strände von Eilat? Im fünften Teil unserer Reihe „Planet Storytelling“ werde ich über vier alte und neue Geschichten aus Israel berichten, die ein Land formen, das gerade einmal 71 Jahre alt ist!
Es wirkt etwas kurios. Vor allem für Besucher, für die das Judentum nicht zum Alltäglichen gehört. Matisyahu, der ursprünglich Matthew Paul Miller heißt, tritt in seiner ultraorthodoxen Kleidung auf. Im dunklen Anzug, schwarzen Hut und mit vollem Bart. Er ist das bekannteste Beispiel für die Performance chassidischen Raps. Der orthodoxe Jude versucht mit seiner Musik, in der Tradition von Shlomo Carlebach moderne Musikelemente mit dem traditionellen Judentum zu verbinden. Dazu verwendet er Geschichten der Religion und verbindet diese mit Hip-Hop und Reggae. Somit entsprang aus seiner schöpferischen Energie in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern die Bezeichnung „Chassidischer Rap“. Ungewöhnlich für den Begriff Rap ist, dass Matisyahu nicht über die klassischen Themen dieser Musikrichtung singt, sondern religiöse Inhalte verpackt und den Herrn preist. Somit gehört er zu den modernen Geschichtenerzählern, die versuchen Aspekte des Judentums verständlich und greifbar zu übermitteln.
Purim kann mit Schicksal übersetzt werden und ist ein Fest, das an die Errettung des jüdischen Volkes aus drohender Gefahr in der persischen Diaspora erinnert. Der Geschichte nach, die im Buch Ester zu lesen ist, versuchte Haman, der höchste Regierungsbeamte des persischen Königs, die gesamten Juden im Perserreich an nur einem Tag zu ermorden. Über Fasten und Gebete schafft Königin Ester es, das Reich zu retten. An dem Tag des Festes, das Ende März stattfindet, wird in der Synagoge ein Gottesdienst gefeiert, bei dem es sehr belebt und fröhlich zugeht. Das Ziel ist Freude! Ursprünglich schlüpften Juden in Kostüme der Ester oder des Haman. Aus der überschwänglichen Freude an dem Feiertag wuchs die Tradition sich auch anders zu verkleiden. Hauptsache es ist bunt und auffällig. Am Tag des Purim wird überall gefeiert, sei es in den Straßen Tel Avivs oder mitten im Nirgendwo der Wüste!
Die Förderpreisträgerin Sarah Stricker stammt aus der Pfalz und lebt seit 2009 in Tel Aviv. Von dort aus berichtet sie für deutsche Medien über Israel und für israelische Medien über Deutschland. Sie sammelte zahlreiche Kritiken über ihre beeindruckende erzählerische Kraft. Diese ist witzig, weise und wehmütig. Zu ihren journalistischen Texten gehört unter anderen das Tagebuch für das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung während der Militäroperation „Operation Protective Edge“ in 2014. „Die Israelis haben Erfahrung mit größeren Problemen und machen sich nicht mit Kleinigkeiten verrückt! Dieses Verbissene, was man hier so kennt, wird einem in Israel schnell ausgetrieben“, so Stricker. Mit ihren Beiträgen trägt sie sowohl Geschichten aus Israel heraus als auch hinein. So macht sie das Leben in Israel für Deutsche und das Leben in Deutschland für Israelis auf lebhafte Art und Weise tagesaktuell und emotional greifbar und trägt zu neuen Geschichten bei.
Mirna Funk ist Autorin, Journalistin und Geschichtenerzählerin. Sie ist eine der neuen, lauten Stimmen der Literaturszene, die sich auf unkonventionelle und schlaue Art zu Themen äußert, die uns alle und – auf ganz persönliche Art und Weise – Sie betreffen. Mit ihrem Debutroman „Winternähe“ hat sie 2015 die deutsche Literaturszene aufgemischt und wurde mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis ausgezeichnet. Ihr Buch, welches nach ihrer eigenen Aussage den „Grotesken Antisemitismus“ behandelt, bezieht sich auch auf Fragmente ihrer eigenen Geschichte. Mirna Funk ist Jüdin, geboren in Ostberlin. Heute lebt sie auch in Tel Aviv. Mit ihren Beiträgen beschreibt sie die Zerrissenheit einer deutsch-jüdischen Identität und rückt damit ein Thema in den Fokus, dass viele betrifft: Im Täter-Land aufgewachsen zu sein und gleichzeitig mit einer unausweichlichen neuen Form des Antisemitismus leben zu müssen.
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