In unserem neuen Teil der Planet Storytelling Serie machen wir uns auf die Reise nach China, das Land der Vielseitigkeit. Es handelt sich um einen Ort, an dem etliche Dynastien und Kaiserreiche vorherrschten. Von den Han-Chinesen bis hin zu muslimischen Minderheiten im Westen prägen dabei über 90 ethnische Völker die Wahrnehmung des Landes. Bei dieser Fülle an Diversität lässt sich daher die ein oder andere Geschichte im Land der Mitte erzählen.
Auf alten Orakelknochen, Schildkrötenpanzern und Bambustafeln ist die Geschichte Chinas vor über 3.500 Jahren schriftlich festgehalten worden. Die altertümliche Zivilisation steckte schon damals nicht mehr in ihren Kinderschuhen. Sowohl handverziertes Keramikgeschirr als auch Werkzeuge wie Pfeil und Bogen wurden bereits vor der Entstehung von Schriftzeichen angefertigt. Die kulturelle Blüte im fernen Osten wurzelte dabei in nahezu allen Lebensbereichen. So erstreckt sie sich vom Konfuzianismus über den Seidenhandel bis hin zur traditionellen Kampfkunst.
Maßgeblich entscheidend für die Überlieferung von alten Geschichten und später auch das Storytelling war die Schrift. In der Tat lassen sich nämlich mit 50.000 Schriftzeichen Poesie und Politik im Land der Mitte ausgeklügelt inszenieren. Die fernöstliche Weltansicht spiegelt sich hierbei in den einzelnen Schriftzeichen selbst wider. Die Wörter haben ihren Ursprung in jahrtausendalten Piktogrammen, den sogenannten Bildsymbolen. Unterschiedlich zusammengesetzt wird den Elementen dann eine bestimmte Bedeutung zugeordnet. Mit der Zeit haben sich die Zeichen und Laute entweder etabliert oder wurden abgeändert. Die Entstehung der Wörter ist dabei selbst für uns mühelos nachvollziehbar, wie folgendes Beispiel zeigt:
疆 jiāng ist die chinesische Bezeichnung für das Wort „Grenze“ und besteht aus vier unterschiedlichen Teilelementen. Bei Anbetracht dieses Schriftzeichens mögen Sprachanfänger zunächst den Kopf schütteln. Was zu Beginn wahnsinnig komplex erscheint, lässt sich jedoch mithilfe einiger Erläuterungen veranschaulichen.
So lassen sich nun die einzelnen Elemente wie die Komponenten beim Storytelling zum Großen und Ganzen zusammenführen: Die linke Seite des Charakters, bestehend aus Bogen und Erde, beschreibt den Vorgang, ein Stück Land zu vermessen. Die rechte Seite deutet auf zwei Reisfelder hin, die voneinander zu trennen sind. Zusammengesetzt ergibt sich dadurch das Wort „Grenze“. Schrift und Sprache sind in ihrer Beschaffenheit also ziemlich komplex – jedes Zeichen erzählt dabei seine ganz eigene Geschichte.
Nicht nur die Schriftzeichen, auch das traditionelle Storytelling in China erstaunt mich mit ihrer Detailverliebtheit. Neben der Kalligraphie und Dichtung ist auch „Pingshu“ als Kunstform bekannt. Auftritte fanden schon während der Qing-Dynastie in Teehäusern und kleinen Theatern statt. Das traditionelle Storytelling galt damals als kreatives Werkzeug, um geschichtliche Ereignisse und Interessen mit dem Volk zu teilen. Doch dazu war keineswegs jeder befähigt. Die Ausbildung zu einem professionellen Storyteller dauerte Jahre und begann schon im Kindesalter. „Pingshu“ gibt es auch noch heute. Erzählt wird dabei nicht nur über die drei Kaiserreiche und die fünf Dynastien, auch Geschichten über Abenteuer und Komödien sind etablierte Publikumslieblinge.
Eine der bekanntesten Geschichten beim traditionellen Storytelling in China ist „The Journey to the West“. Der Klassiker von Wu Cheng‘en entstand im 16. Jahrhundert und handelt von einem Mönch und einem Affenkönig, die auf ihrer Reise in den Westen die heiligen Schriften Buddhas nach China bringen sollen. Angefangen beim Ruf nach dem Abenteuer bis hin zum Vordringen in die tiefste Höhle weist diese epische Erzählung alle wesentlichen Elemente einer klassischen Heldenreise auf. Besonders spannend ist dabei die Tatsache, dass diese Geschichte auf einer wahren Begebenheit basiert. Teile der Erzählung wurden darüber hinaus zuletzt im Jahr 2015 als Fantasy-Serie verfilmt und erfreuen sich auch an internationaler Bekanntheit.
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