Von Hals- und Beinbrüchen: 5 Dinge, die ich durch die Reha fürs Arbeitsleben gelernt habe
In Deutschland gab es im vergangenen Jahr über 2,6 Millionen Unfälle im Straßenverkehr. Allein in Berlin knallt es alle 3,5 Sekunden. Letztes Jahr gehörte auch ich zu den Unfallopfern. Innerhalb einer Sekunde hat sich vieles in meinem Leben verändert. Während meines Aufenthaltes im Krankenhaus und in der Reha habe ich vieles gelernt, was mir bei meinem Wiedereinstieg in das Berufsleben geholfen hat. Die fünf wichtigsten Learnings möchte ich mit euch teilen.
Neuer Tag, neue Form
Jeden Tag erlebe ich mittlerweile komplett unterschiedlich. Es gibt Tage, da habe ich so starke Schmerzen, dass ich kaum gehen kann, und dann gibt es auch Tage, an denen ich das Gefühl habe, wieder normal laufen zu können. Das Prinzip der Tagesform trifft jedoch nicht nur auf den Bewegungsapparat zu, sondern auf unsere gesamte Leistungsfähigkeit. Diese wird durch die unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst, wie z. B. durch unsere Schlafqualität, unsere Ernährung, aber oft auch über Faktoren, die uns gar nicht so genau bekannt sind. Absolvieren wir mit einem gewissen Zeitabstand dreimal einen identischen IQ-Test, dann werden wir wahrscheinlich jedes Mal ein unterschiedliches Ergebnis erzielen. Mitunter können die Ergebnisse in bis zu 30 Punkten variieren.
Diese Erkenntnis ist auch für unser Arbeitsleben enorm wichtig. Jeder hat es schon mal erlebt, dass der Schreibtisch gar nicht voll ist, aber der Berg an Aufgaben irgendwie trotzdem nicht kleiner wird. Dann gibt es wiederum Tage, an denen wir uns fragen: „Wie habe ich das denn heute alles geschafft?“ Wenn ich merke, dass es an einem Tag einfach alles nicht so läuft, dann versuche ich nicht dringliche Aufgabe so weit möglich liegenzulassen. Denn in der Regel kommt nicht viel dabei raus, wenn man versucht, sich jeden Tag in das gleiche Arbeitspensum zu zwängen.
In der Reha musste ich über Schmerzprotokolle Krisen mit Datum, Länge und Intensität dokumentieren und mit der Zeit wusste ich dann morgens schon immer besser einzuordnen, was für ein Tag heute werden würde. Auch für die To-do-Liste auf der Arbeit ist es wichtig, die Planung immer an die Tagesform anzupassen. Besonders hilfreich ist, wenn man Buch darüber führt, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten man produktiver ist, und auf Grundlage dieser Erkenntnis versucht, seine Aufgabenplanung dementsprechend anzupassen. Nicht umsonst haben viele große Denker der Zeitgeschichte Tagebuch geführt, denn es hilft uns tatsächlich ungemein bei unseren täglichen Herausforderungen.
Wichtige Meilensteine festhalten
Jeder von uns hat schon mal etwas Großartiges im Leben geschafft, worauf er stolz ist. Sei es eine bestandene Prüfung oder das Meistern einer anderen Herausforderung. Bei vielen unserer Kunden ist es beispielsweise die Gründung ihres Unternehmens oder der erste Unternehmenserfolg. Diese Erinnerungen geben uns im Leben viel Aufschwung. Trotzdem werden sie nicht ausreichend zelebriert oder gar festgehalten! In der Regel wissen wir nicht einmal mehr das Datum dieser Ereignisse. Interessanterweise ist es aber bei Neugeborenen noch vollkommen gängig, Meilensteine festzuhalten. Das erste Lächeln, das erste Mal krabbeln und dann die ersten Schritte vorwärts.
Einer meiner großen Meilensteine im letzten Jahr war, als ich es das erste Mal allein mit Krücken die Treppe hoch geschafft habe. Dann als ich das erste Mal allein ohne Krücken das Haus verlassen konnte. Ich habe diese Momente nicht visuell festgehalten, weil das wirklich alles andere als aussah, aber ich habe mir in meinem Erinnerungskalender im Handy genau das Datum notiert und was ich in diesem Moment gedacht habe. Auch für die Arbeit habe ich ein kleines Sammelsurium von tollen Erinnerungen angelegt, mit Erfolgen, die wir erzielt haben, oder auch einfach lustigen Geschehnissen. Jeder hat auch mal auf Arbeit Zeiten, wo man sich denkt, es könnte besser laufen. Ich kann an solchen Tagen immer besonders gut aus vergangenen Meilensteinen schöpfen.
Entspannung mit PME
Entspannen und Abschalten ist manchmal gar nicht so leicht. Das weiß jeder und gerade, wenn man unter Zeitdruck steht oder einem irgendwelche Sorgen im Kopf herumschwirren. Ich war im letzten Jahr besonders oft angespannt, weil ich es mir vor allem in der Anfangszeit nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus einfach nicht erklären konnte, warum ganz einfach Dinge nicht mehr so funktionierten wie früher. Das hat mich oft so geärgert, dass es dann gleich alles noch viel schlechter ging. Das ist auch kein Wunder, denn wenn wir gestresst sind, dann spannen wir unsere Muskulatur unwillkürlich an, ohne diese aber wieder zu entlasten.
Ein Großteil der Bevölkerung leidet beispielsweise unter Rückenschmerzen, weil viele Menschen verlernt haben, ihre Rückenmuskulatur zu entspannen – dies führt zu Verkrampfungen. In den 20er Jahren entdeckte der amerikanische Arzt Jacobson, dass man sich nachweislich entspannt, wenn man seine Muskulatur gezielt anspannt und anschließend loslässt. Er war der Begründer der Progressiven Muskelentspannung (PME). Bei dieser Methode spannt man nacheinander eine Reihe von Muskelgruppen für etwa zehn Sekunden an. Anschließend entspannt man diese für 30 Sekunden. Man wandert von den Händen und Armen zur Gesichtsmuskulatur, dann zur Nacken- und Schultermuskulatur, bis man dann am Ende bei den Füßen angekommen ist. Für die Methode benötigt man 20–30 Minuten. Auch wenn man nicht zu den Esoterikern gehört, dann ist die PME wirklich sehr einfach und gleichzeitig sehr effektiv. Ich versuche wenigstens jeden zweiten Tag eine PME durchzuführen. Sie eignet sich auch besonders für die Mittagspause und ist viel effizienter als ein Powernap. Eine Anleitung kann man hier herunterladen.
Wegzeiten sind Laufzeiten
Das hört sich zuerst einmal merkwürdig an, da die meisten Menschen ihre täglichen Wege zur Arbeit und wieder nach Hause wahrscheinlich eher als zeitraubende Stressfaktoren ansehen. Allein in Berlin hat man tagtäglich mindestens eine Stunde Wegzeit – vollkommen egal, ob man diese zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto zurücklegt. Ich bin in der Regel immer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen. Ich empfand es immer als sehr stressig, beim Umsteigen zur nächsten Bahn zu hetzen oder mich in den nächsten überfüllten Waggon quetschen zu müssen. Heute versuche ich, einen Teil meines Arbeitsweges – wenn möglich – zu Fuß zurückzulegen. Da ich über ein halbes Jahr lang kaum mobil war, genieße ich jetzt so oft wie es geht den Komfort des Laufens.
Doch was heißt eigentlich gesund laufen? Das ideale Lauftempo ist natürlich individuell von Alter und körperlicher Fitness abhängig. Man kann aber davon ausgehen, dass man genau das richtige Tempo hat, wenn man während des Laufens noch in der Lage ist, komplexe Sachverhalte zu erklären, diese mit Gestikulation zu unterstützen und dabei nicht aus der Puste gerät. Außerdem ist es wichtig, den richtigen Körperschwerpunkt zu finden, bewusst die Hüfte zum schreitenden Bein zu drehen und mit den Armen die Bewegung auszupendeln. Tolle Übungen zum richtigen Gehen findet man in „Die Heilkraft des Gehens“ von Wim Lujipers. Laufzeit ist auch eine wunderbare Zeit, um sich interessanten Inhalten zu widmen. Denn Laufen regt auch das Denken an. Ich höre mir beispielsweise unglaublich gerne während einer Laufzeit ein Hörbuch oder einen Podcast an und habe dann das Gefühl, dass ich viel tiefenentspannter im Büro ankomme.
Steh‘ auf
Das ist nicht immer einfach! Denn Sitzen ist doch so bequem. Eigentlich weiß mittlerweile so ziemlich jeder weiß, dass es viel gesünder ist, sich ab und an mal hinzustellen. Trotzdem machen wir es viel zu selten. Zu langes Sitzen wurde schon mit Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerosen und einigen Krebsarten in Verbindung gebracht. Trotzdem sitzen wir am Tag durchschnittlich 7,5 Stunden und ergreifen jede Möglichkeit, Platz zu nehmen. Ich muss zugeben, dass ich beispielsweise nach jedem Reha-Tag das Gefühl hatte, nach Hause kriechen zu müssen. Ich war immer so dankbar, als sich eine Möglichkeit bot, mich hinzusetzen. Allerdings fielen mir dann die ersten Schritte nach dem Aufstehen umso schwerer.
In den ersten Wochen auf Arbeit ist mir aufgefallen, wie schwer mir das Laufen fällt, nachdem ich gesessen habe. Bis heute ist es für mich ein täglicher Kampf, mich mal ein paar Minuten hinzustellen. Mir ist aber aufgefallen, dass ich nach einer halben Stunde stehen viel mehr schaffe, als im Sitzen. Stehen ist halt nicht ganz so bequem und dadurch sind wir viel fokussierter und tendieren viel zu Prokrastination. Schon eine halbe Stunde Stehen am Tag macht einen großen Unterschied. Und natürlich sind auch alle sonstigen Formen der Bewegung wichtig. Jeder Weg zum Kopierer oder auch nur zum Wasserspender tut dem Körper gut. Jegliche Bewegung hilft uns, in der Zeit danach fokussierter zu arbeiten. Wer sich gar nicht mit dem Stehen anfreunden kann, kann vielleicht über kleine Fitnessgeräte im Büro nachdenken. So können im Sitzen beispielsweise auch super nebenbei Übungen am Pilatesring oder mit dem Theraband absolviert werden. Mittlerweile bieten auch viele Krankenkassen kleine Trainingsanleitungen für Bürohengste an. Hierbei gilt als Faustregel: jede Übung 15-20 mal wiederholen und insgesamt drei Durchgänge nicht überschreiten.
Auch ohne Unfall kann man sich jederzeit in vielen Reha-Zentren Informationen zum Thema gesundes Leben und Arbeiten holen. Außerdem ist es möglich an Sport- oder auch Kochkursen sowie Seminaren teilnehmen.
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