Unsere Sinneseindrücke kreieren unsere Realität. Alles, was für von unserer Außenwelt wahrnehmen, wird zuerst von unseren Sinnen registriert – der Geruch eines frisch gebackenen Brotes; das Geräusch, wenn wir das frische Gebäck durchbrechen; der Geschmack, wenn wir hineinbeißen, und das Gefühl, wenn wir mit unseren Händen die warme Kruste berühren. Kein Wunder, dass sich in unserer Sprache Spuren dieser Sinneswahrnehmungen wiederfinden: Wir hatten einen harten Tag, haben Schmetterlinge im Bauch oder uns fällt ein Stein vom Herzen. Storytelling, das uns mit all unseren Sinnen abholt, ist die Königsdisziplin im Geschichtenerzählen. Doch wie können dabei die einzelnen Sinne angesprochen werden, um über diesen Weg unsere Gefühle positiv zu beeinflussen?
Der Sinneseindruck, der uns Menschen am allgegenwärtigsten erscheinen mag, ist das Erfassen von Licht und somit Farbe – oder mit anderen Worten: der Sehsinn. Aussagekräftige und spannende Infografiken statt trister Diagramme, visuelle Untermalung von Text statt endloser Bleiwüsten. Mit Farbakzenten lassen sich Informationen hervorheben – in Texten, Broschüren oder auf Plakaten genauso wie bei Events, bei denen der Einsatz von Licht eine besondere Rolle spielt. Auch wenn Geschmack und Wahrnehmung des Sinnesreizes von Person zu Person sehr verschieden sein mögen, fällt allen der Unterschied auf, ob sich bei einem Produkt Gedanken über das visuelle Design gemacht wurde.
In der Dunkelheit, wenn uns optische Sinneseindrücke nicht zur Verfügung stehen, nehmen wir die Informationen, die wir durch unsere übrigen Sinne aufnehmen, viel intensiver wahr. So ist es auch mit dem Hören. Nicht umsonst lässt sich gerade bei klassischen Konzerten ein Teil der Zuschauer mit geschlossenen Augen von der Musik einnehmen.
In den letzten Jahren ist eine wahre Renaissance des gehörten Wortes zu beobachten. Hörspiele sind wahrscheinlich so alt wie die Erfindung des Mikrofons. Moderne Podcast-Formate demonstrieren jedoch den Trend, dass Menschen sich wieder vermehrt für das Zuhören begeistern.
Auch in Formaten, bei denen Musik und Geräusche eher als Ergänzung zu weiteren Sinneseindrücken genutzt werden, stellen wir fest: Ohne Geräusche wäre die Welt sehr unangenehm stumm. Würde uns ein Film ohne den geschickten Einsatz des Soundtracks genauso emotional abholen? Wäre ein großes Event ohne Musik nicht etwas eintönig? Auch eine sehr leise Hintergrundmusik wird von unserem Unterbewusstsein registriert und verändert somit die Atmosphäre. Im perfekten Zusammenspiel mit anderen Sinneseindrücken wie Licht und Temperatur oder als Untermalung zu einer Rede kann sie in Form einer Gänsehaut auch physisch fühlbar werden. Auch wenn Töne für viele Menschen nicht immer bewusst wahrgenommen werden, sind sie bedeutend, wenn es darum geht, eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren. Dies macht sie zu einem wichtigen Tool für fühlbares Storytelling.
Dürfte stellen eine hervorragende Möglichkeit dar, die Atmosphäre in einem Raum zu verändern, da sie die stärksten und intensivsten Erinnerungen hervorrufen. Grund dafür ist, dass dem Duftsinn ein besonders großer Einfluss auf den Körper und unsere Wahrnehmung der Welt zugeschrieben wird. Wissenschaftler stellten fest: Wer nicht gut riecht, erinnert sich schlechter. Untersuchungen wie etwa die der Michigan State University kommen zu dem Schluss, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Riechvermögen und Demenzerkrankungen wie etwa Alzheimer gibt. Düfte wecken vor allem deshalb bestimmte Erinnerungen, da sie der einzige Sinn sind, der direkt mit dem Emotionszentrum im Gehirn, der sogenannten Amygdala, verbunden sind. Menschen sind dabei in der Lage, zwischen 10.000 verschiedene Gerüche zu unterscheiden.
Die Voraussetzungen, um ein Erlebnis über diese Sinneseindrücke zu verstärken, sind somit ideal. Beim Storytelling mit allen Sinnen sollte dieses große Potenzial daher nicht außer Acht gelassen werden. Schon jetzt nutzen Marken die Macht der Düfte erfolgreich für die Verbesserung des Kundenerlebnisses: In den USA gibt es laut dem Duftentwickler Robert Müller-Grünow kaum noch eine große Hotelkette, die nicht versucht, durch (individuelle) Düfte die Atmosphäre im Gebäude zu verbessern. Im Sheraton ist dies zum Beispiel eine Mischung aus Feige, Bergamotte und Jasmin. Unternehmen sollten dabei auf die unterbewusste Wahrnehmung der Düfte setzen. Ein allzu intensiver Geruch kann schnell als unangenehm aufgefasst werden und das Kundenerlebnis deutlich schmälern. In München hat dies bei der Modekette Abercrombie & Fitch vor einigen Jahren zu zahlreichen Negativ-Schlagzeilen geführt.
Es macht einen Unterschied, ob wir auf einem kuschelig-weichen Teppich stehen oder einem harten Steinboden: Teppichboden macht uns ruhig und entspannt, während ein harter Untergrund eher dafür sorgt, dass wir aufrechter stehen und angespannter sind. Dies zeigt: Die Art, wie sich unsere Umgebung anfühlt – sei es die Beschaffenheit der Gegenstände, mit denen wir interagieren, oder die Temperatur des Raumes – hat einen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen und verhalten. Angesprochen wird in diesen Fällen unser Tastsinn. Mit diesem erkennen wir haptische Reize: ob ein Gegenstand weich, hart, elastisch, dünn oder dick ist sowie Wärme und Kälte.
Wollen wir unsere Storys ins echte Leben transportieren, können wir von diesem Effekt Gebrauch machen. So bietet es sich an, die Einladung zu einem Event auf einem bestimmten, hochwertigen Papier zu drucken. Steht die Veranstaltung unter einem mediterranen Motto, würden sich etwa Papyrus oder Pergament bestens eignen. Wird bei der Pressearbeit eine Pressemappe an Journalisten ausgeteilt oder verschickt, kann dem Umschlag ein Objekt zum Anfassen beigelegt werden – somit hebt sich die Sendung von der üblichen Post ab.
Ein weiteres Beispiel: Bei einem Vortrag können wir unserem Publikum einen passenden physischen Gegenstand reichen. Im richtigen Kontext werden bei den Zuschauern mehr Reize angesprochen und die Informationen besser eingeordnet und erinnert. Das Spannende ist: Die im Gehirn für den Tastsinn zuständigen Areale können schon mit der Sprache allein stimuliert werden. Beschreibende Adjektive in Zusammenhang mit bestimmten Begriffen wie etwa „samtweiche Stimme“, „lederige Haut“ oder „sonniges Gemüt“ machen abstrakte Wörter fühlbar. Dies funktioniert auch dann, wenn wir sie in dem Augenblick nicht ertasten (können).
Es gibt wohl kaum eine Gelegenheit, bei der mehr Sinne und Reize gleichzeitig angesprochen werden als bei Events. Am naheliegendsten ist es, bei Veranstaltungen zunächst das Sehen und Hören anzusprechen. Wo stehen Lautsprecher-Boxen? Wie ist das Ambiente? Welche Dekoration wird verwendet, gibt es beispielsweise ein Motto? Mit dem gekonnten Spiel mit Licht und Schatten lassen sich beeindruckende Effekte erzielen. Ein Event ist jedoch erst dann komplett rund, wenn kulinarische Eindrücke serviert werden, die auch zu der übergeordneten Story passen. Die Wahl der Gerichte sollte daher nicht von beeindruckend klingenden Namen und mysteriösen französischen Begriffen geleitet werden. Stattdessen gilt es, die Gäste auf eine Reise zu entführen, auf der alle Sinneseindrücke zusammenkommen und ein harmonisches Ganzes ergeben.
Storytelling, das mehr als einen Sinn berührt, ist die Königsdisziplin des Geschichtenerzählens. Alle Eindrücke sind dabei ein Teil eines Ganzen und tragen dazu bei, dass Geschichten zum Beispiel in Form von Events, Kampagnen oder Veröffentlichungen deutlich intensiver und emotionaler wahrgenommen werden, als sie es mit nur einem Sinneseindruck tun könnten. Geschichtenerzähler, die ihr Publikum auf verschiedenen Ebenen abholen, beweisen den sprichwörtlichen sechsten Sinn, wenn es darum geht, nicht nur Inhalte zu verpacken, sondern Erlebnisse zu kreieren.
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