Zwischen Information und Manipulation: Was darf Storytelling (noch)?
Hast du schon mal eine Geschichte lustiger erzählt, als sie tatsächlich passiert ist? Eine Anekdote aufgepeppt, ein Zitat leicht verändert, einer Person eine Eigenschaft angedichtet, die sie eigentlich gar nicht hat? Wenn wir ehrlich mit uns sind, muss fast jeder mindestens eine dieser Fragen mit „ja“ beantworten. Ist doch ganz normal, machen doch alle. Aber wo ist die Grenze? Was dürfen wir als Geschichtenerzähler noch, was nicht mehr? Wo ist die Grenze zwischen Information und Manipulation im Storytelling?
Lass mal die Fronten klären: Was genau ist Information, was Manipulation?
Bevor wir uns hier in die moralischen Untiefen des Storytellings stürzen, sollten wir erst mal untersuchen, was genau denn nun Information und Manipulation bedeuten. Tippst du bei der Suchmaschine deines Vertrauens „Definition Information“ ein, erhältst du grob geschätzt ca. 31.548 verschiedene Antworten. Der gemeinsame Nenner, den ich identifizieren konnte, ist folgender: „die Teilmenge von Wissen, die von einer bestimmten Person oder Gruppe in einer konkreten Situation benötigt wird und häufig nicht explizit vorhanden ist“. Wow, was für ein Satz-Monster! Auf gut Deutsch übersetzt, beschreibt er aber eigentlich nur das, was ein Mensch wissen muss, um die Situation zu verstehen, in der er sich gerade befindet.
Suchst du hingegen nach einer Erklärung für Manipulation, so ist sich das Internet einig: Du manipulierst, wenn du gezielt und verdeckt auf andere Einfluss nimmst, mit der Absicht, ihr Erleben und schlussendlich Verhalten zu verändern. Während du also bei Information darauf abzielst, Wissen weiterzugeben, steckt hinter Manipulation die Absicht, jemanden in seiner Meinung ohne Einverständnis zu steuern.
Was geht noch als Ansichtssache für Storyteller durch?
Egal, um was es geht – es gibt immer einen Point of no Return. Aber wo liegt diese mit Konsequenzen behaftete Grenze beim Storytelling? Darüber diskutierten sich auf der Storytelling-Konferenz #whattheplot in München unter anderem Regisseurin und Autorin Pauline Roenneberg sowie dpa-Infografiker Dr. Raimar Heber die Köpfe heiß.
Dr. Heber verdeutlicht seine Ansicht mit einem Beispiel: Wenn der DAX um 5% einbricht, ist das im Großen und Ganzen eine winzige Delle im Kurs, aber de facto gehen Vermögen den Bach runter. Erstellt er eine Infografik für DAX-Aktionäre, dann möchten diese aber genau wissen, wie es um ihr hart verdientes Geld steht. Dr. Heber wählt also als Startwert der y-Achse seiner Grafik nicht 0, sondern z. B. 12.300 Punkte, denn bei diesem Ausschnitt stellen die 5% dann einen deutlich größeren Einbruch dar – gebührend der Dramatik für die Investoren. Weil er aber immer noch die realen Werte abbildet, ist dieses Vorgehen für Dr. Heber vertretbar.
Beispielhafte Infografik zum DAX, Quelle: finanzen.net
Wann überschreitest du die Grenze zur Manipulation definitiv?
Wenn du die Dokumentarfilmerin Pauline Roenneberg fragst, sind alternative Fakten der Scheidepunkt. In der Panel-Diskussion bei #whattheplot erklärte sie ihren Standpunkt so: Ein Fakt ist ein nachweisbar wahrer oder anerkannter Sachverhalt. In dem Moment, in dem du einen Fakt so veränderst, dass er nicht mehr dem entspricht, was gemeinhin als „wahr“ bezeichnet wird, manipulierst du dein Publikum.
Zur Veranschaulichung ziehen wir mal einen der letzten Eklats von US-Präsident Donald Trump heran. Als der Hurrikan Dorian auf die Küsten der Vereinigten Staaten von Amerika zurast, sind sich die Meteorologen des Landes einig: Im Einzugsgebiet des Sturms liegen Florida, die beiden Carolinas und Georgia. Trump hingegen twittert, dass auch das weiter im Westen gelegene Alabama gefährdet sei. Dafür gibt es jedoch aus meteorologischer Sicht keinen Anhaltspunkt. Der lokale Wetterdienst gibt also Entwarnung für Alabama, Trumps Reaktion darauf: Er hält eine Wetterkarte in die Kamera, auf der jemand das in weiß eingekreiste Einzugsgebiet mit schwarzem Filzstift so erweitert hat, dass der Südosten Alabamas eingeschlossen ist. Die Manipulation ist für jeden sofort offensichtlich! Innerhalb kürzester Zeit schlägt sie als „Sharpie-Gate“ (von Sharpie = Filzstift auf Englisch) hohe Wellen im Internet allgemein und der Meme-Szene im Besonderen.
Quelle: AP
Verantwortung: Die schwere Last des Storytellers
Am Ende des Tages ist deine Intention ausschlaggebend: Wenn du eine Geschichte nach bestem Wissen und Gewissen erzählst, ist es deine Absicht, dein Publikum zu informieren. Sollte sich irgendwann herausstellen, dass du einen Sachverhalt nicht zu 100% korrekt wiedergegeben hast, kann dir daraus niemand einen Strick drehen. Du wusstest es eben nicht besser, hast einen Fehler gemacht, aber nicht mit böser Absicht gehandelt. Kein Problem, du kannst deine Aussage im Nachhinein richtigstellen, so wie es z.B. der Pressekodex fordert. Weißt du aber sehr wohl, dass sich die Dinge eigentlich nicht so ereignet haben, wie du sie nun deinen Zuhörern versuchst zu verkaufen, dann ist das ein Manipulationsversuch. Als Storyteller trägst du große Verantwortung: Wie du deinem Publikum eine Geschichte erzählst, beeinflusst ganz maßgeblich, wie sie die Ereignisse wahrnehmen. Ob rosarot oder rabenschwarz – du bist die Brille, durch die sie die Story sehen. Also nimm deine Funktion mit Verantwortung wahr!
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25. November 2024