Wir leben in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Inszenierung fließend verlaufen. In der sich jeder auf einer Plattform der sozialen Medien so präsentieren kann, wie er will. Eine Welt, in der jeder die Chance bekommt, der Held zu sein, der er gerne wäre. Dies gilt nicht nur für Politiker, Prominente und Manager. Auch Unternehmen können sich im Glanz der öffentlichen Bühne erfolgreich ins Scheinwerferlicht werfen und Zustimmung erhalten. Der Mechanismus dahinter geht auf eine bereits vor ein paar Jahrzehnten entstandene Theorie, die der instrumentellen Inszenierung, zurück. Zu Beginn des heutigen Blogposts reisen wir dafür ins Jahr 1989 zurück und schauen uns diese an.
1989 angekommen sehen wir eine Welt vor uns, in der sich Nachrichten über den gelegentlichen Klatsch und Tratsch mit der Nachbarin, Briefe, die Zeitung sowie das Radio verbreiten. Das Internet wird gerade erst als ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Doch das World Wide Web ist nicht die einzige Innovation, die in diesem Kalenderjahr das Tageslicht erblickt. Unter anderem veröffentlicht auch Hans Matthias Kepplinger seine Theorie zur instrumentellen Inszenierung, die das gesamte Dasein der Kommunikationswissenschaft kunterbunt aufwirbeln wird. Das Gedankengerüst dahinter bezieht sich auf das Phänomen, dass eine Vielzahl an Ereignissen „nicht mehr einfach so“ entsteht, sondern geschickt zum Zwecke der Berichterstattung. Ähnlich wie beim Storydoing heißt es hierbei: runter vom Schreibtischstuhl und rein in das Abenteuer. Es sind Taten, die viel mehr zählen als Worte. Doch die Angebotspalette der instrumentellen Inszenierung ist etwas breiter gefächert. Somit reicht sie von der simplen Pressekonferenz über die bevölkerungseinnehmende Petition bis hin zu glamourösen Fernsehauftritten und bezieht sich nicht nur auf spezifische Events. Diese Geschehnisse fallen unter den Begriff der Pseudo-Ereignisse. Ein Ausdruck, der heute oftmals nur so von negativen Vibes umhüllt ist, aber ursprünglich als vollkommen neutral ausgelegt wurde. Wenn nicht sogar mit dem Gedankenzug, dass sich ein unfassbares Potenzial hinter dem Einsatz verbirgt. Aber wie kann es kleinen und großen Unternehmen gelingen, diese verborgenen Chancen zu nutzen? Dies zeigt sich am besten, indem wir erfolgreiche Fallbeispiele unter die Lupe nehmen.
Wer erinnert sich nicht an die fesselnde „Das Meer ist keine Müllkippe“-Kampagne von Greenpeace und den damit verbundenen Konflikt um die von Shell geplante Versenkung der Brent Spar? Ein Thema, das die deutschen Medien beherrschte und sich in die Köpfe der Menschen einbrannte. Für diejenigen, bei denen jetzt noch kein Licht aufgeht und die noch nicht mit einem Lauten „Heureka“ aufgesprungen sind, nochmals ein kurzer, abenteuerlicher Rückblick. Diesmal führt es uns ins Jahr 1995:
Doch was ist hierbei nun der Einsatz der instrumentellen Inszenierung und was kann man daraus lernen? Das Pseudo-Ereignis ist im Fall der Greenpeace-Kampagne die Erklimmung der „Brent Spar“. Diese erweckt im Zuschauer heldenhafte Assoziationen zum Leben. Dies geht so weit, dass oftmals sogar der dramatische Vergleich zu einem Kampf zwischen David gegen Goliath gezogen wird. Die erfolgreiche Platzierung des inszenierten Ereignisses und die anschließenden Publikationen spielen sich durch eine enge Zusammenarbeit mit den Medien ab. Im Verlauf der Aktion eröffnet Greenpeace einigen Journalisten exklusive Möglichkeiten, wie beispielsweise das Entdecken der Welten auf See und somit die spektakuläre Mitreise auf den Begleitschiffen. Auf Basis der von Shell vorgegebenen Rahmenbedingungen konnte der Greenpeace-Kampagnenleiter Ulrich Jürgens selbst Drehbuch schreiben. In dessen Aufführung konnte er Shell demaskieren und Greenpeace einen in der öffentlichen Aufmerksamkeit erstrahlenden Heldenmantel umlegen.
Das „Meer ist keine Müllkippe“ gilt zwar als glorreiches Paradebeispiel für den Einsatz der instrumentellen Inszenierung mit dem Resultat einer gelungenen PR-Kampagnen-Arbeit. Doch lässt sich diese Anwendung, in vielfältiger Form, beinahe immer erfolgreich einsetzen.
So muss nicht immer eine Ölplattform bei Wind und Wetter beklettert und besetzt werden, um Erfolgsgeschichte zu schreiben. Aktuell gelingt es beispielsweise der schwedischen Milchersatzproduktmarke Oatly in einem heroischen Licht zu erstrahlen. Indem sie sich den kritischen Blickwinkel, der die Themen des CO2-Ausstoßes und der Massentierhaltung umgibt, clever zu Nutze machen. Das skandinavische Unternehmen schnappt sich dafür als Pseudo-Ereignis ein politisches Mittel, um die Welt und das eigene Image zu verbessern. Somit starteten sie am 15. Oktober 2019 eine Petition über die verpflichtende Angabe des CO2-Fußabdrucks. Hiermit versuchten sie innerhalb von 28 Tagen online 50.000 Unterschriften zu sammeln. Die Kampagne dahinter ziert mit ihren Plakaten bereits viele Bahnhofshallen und blickt uns von zahlreichen Hauswänden entgegen. Doch anstatt eigene Produkte abzudrucken, ist auf den Aushängen eine überdimensionale Hand zu sehen, die einen Bleistift fest umklammert hält. Durch ihr selbstloses Superheldenverhalten schaut die Bevölkerung voller Unterstützung zu ihnen hinauf und auch die Medien stärken ihnen mit ihrer fleißigen Berichterstattung den in einen Heldenumhang gekleideten Rücken.
Ebenso schaffen es die Hilfsorganisationen German Doctors, Brot für die Welt, die Christoffel-Blindenmission, die Kindernothilfe und Misereor, mit einer Reihe von Inszenierungen den Medien und dem Publikum die wirklich heldenhafte Arbeit, die sie leisten, zu zeigen. In kurzen Spots treten unter anderem die Schauspieler Til Schweiger, Jan Josef Liefers, wie auch das Model Rebecca Mirund noch weitere Stars ins Rampenlicht. So unterstützen Sie vor der Linse die Kampagne „Entwicklung wirkt!“ und die Hilfsorganisationen. Die inszenierten Videos sind ab Mitte Oktober bis Ende Januar geplant. Innerhalb dieses Zeitraums werden sie gezielt, als klassischer Teil der instrumentellen Inszenierung, der Presse zugespielt und in zahlreichen Medien der Öffentlichkeit demonstriert.
Wie uns die obigen Beispiele glasklar zeigen, können Unternehmen durch den Einsatz von Kepplingers Theorie Aufmerksamkeit auf ihre Herzensthemen ziehen und Zustimmung erlangen. Oft gelingt es ihnen sogar mit ihren Absichten, über die Zielgerade zu schießen. In dem Moment, in dem sie ihre Geschichten nicht nur erzählen, sondern auch mit voller Leidenschaft Zeichen setzen, können sie sich von der kritischen Beäugung und der negativen Atmosphäre, die den Begriff Pseudo-Ereignis umhüllt, entfernen. Denn anstatt die Medien nur zu manipulieren und dem eigenen Auftreten zu schmeicheln, können Unternehmen mit Hilfe der instrumentellen Inszenierung nicht nur ihr Image, sondern auch die Welt verbessern und sich wahrhaftig das Heldenkostüm verdienen.
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