Seit über einem Jahrhundert gehört die Getränkemarke Coca-Cola nun schon zu unserer Alltagskultur. In den ersten Anzeigen aus dem Jahr 1886 wurden noch die Vorzüge des Getränkes „Delicious and Refreshing!“ angepriesen. Im Laufe der Zeit änderte die Marke jedoch ihre Ansprache. Statt die Eigenschaften des Produkts in den Fokus zu stellen, nutzte Coca-Cola Storytelling. Der Getränkekonzern setzte mehr und mehr auf die Themen Optimismus und Lebensfreude und traf mit seinen Kampagnen immer das Lebensgefühl der jeweiligen Generation.
In den 70er Jahren ermuntert Cola-Cola die jugendliche Zielgruppe mit einer neuen Lebenseinstellung, ihr Leben auf unkonventionelle Weise zu genießen und mehr Abenteuer zu wagen. Der legendäre „Hilltop-Spot“ von 1971, dessen Song „I‘d like to buy the world a Coke“ Jahre später gar das fiktive Lebenswerk des Werbespezialisten Don Draper aus der Serie „Mad Men“ krönte, war inhaltlich ein Statement für Vielfalt und Miteinander und damit schon damals auf der Höhe der Zeit.
In den nächsten Jahrzehnten greift Coca-Cola weiterhin die Stimmung der jeweiligen Generation auf. Im Mittelpunkt steht ein optimistisches Gefühl und eine positive Lebenseinstellung. In der Kampagne „Make it real“ von 2003 erzählt die Marke beispielsweise Geschichten von Menschen, die ihre Lebensvorstellungen und Träume verwirklicht haben. Auch die darauffolgenden Kampagnen „Live on the Coke side of life“ und „Open Happiness“ folgen dem Warum der Marke, also ihrer Vision „Inspiration für Momente des Optimismus und Glücks zu geben“. Sie sprechen dabei die Wachstumsbedürfnisse Verspieltheit und Reichhaltigkeit an, also den Wunsch nach fröhlichen Erlebnissen und dem Bedürfnis, das Leben in all seiner Komplexität und Vielfalt zu erleben.
Auch die visuelle Storywelt von Coca-Cola spiegelt die Vision und Werte der Marke wider. Das Logo sowie alle visuellen Kommunikationsmittel stehen ganz im Zeichen der Farbe Rot. Diese steht unter anderem für die Eigenschaften Selbstbewusstsein, Spaß und Leidenschaft. Ob auf Fotos, in Videos oder bei Illustrationen – starke Farbkontraste bringen das Rot in jeder Situation zum Leuchten und sorgen dafür, dass die visuellen Geschichten nicht zu übersehen sind.
2013 ging Coca-Cola dann den nächsten Schritt im Storytelling und ersetzte seine Unternehmenswebsite durch ein redaktionelles Angebot. Die neue Homepage sollte wie ein Magazin wirken. Der gewählte Name „Journey“ war dabei Programm: Die Seite sollte eine Reise durch einen unterhaltsamen und positiv gestimmten Themenmix bieten. In den Rubriken Happiness, Entertainment oder Gesellschaft finden sich beispielsweise Anleitungen für DIY-Vasen aus Cola Flaschen, Ratgeber zur „persönlichen Sweat Rate und dem entsprechenden Flüssigkeitsbedarf beim Sport“ oder die Interview-Rubrik „Auf ne Coke mit… “.
Die neue Webseite bietet dennoch alle Informationen rund um das Unternehmen, aber eben im journalistischen Format. Der Leser erhält neben Produktinfos einen umfassenden Blick hinter die Kulissen des Konzerns und seine Aktivitäten, ob zum Thema Nachhaltigkeit, Diversity oder die Geschichte von Coca-Cola. In der Rubrik „Nahaufnahme“ werden in Videoform die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Getränkekonzerns mit ihren Berufen vorgestellt, wie beispielsweise eine Kraftfahrerin oder ein Automatentechniker auf einem Schiff.
Ziel von Coca-Cola war es bis 2020 seine Kommunikationsstrategie komplett umzustellen und sich vom Werbegiganten zum Content-Produzenten zu entwickeln. Weg vom traditionellen Marketing durch Massenmedien und keinerlei Interaktion mit dem Publikum hin zur dynamischen Form des Geschichtenerzählens. Storys sollen sich innerhalb der Medienformate und Sozialen Netzwerke weiterentwickeln und verbreiten können.
Statt kreativer Werbehighlights sollen unterhaltsame, anregende Storys erzählt werden. Die Idee dahinter war, dass eine Marke Geschichten erzählen muss, die weitererzählt, diskutiert und aufgegriffen werden, um so als Unternehmen im Gespräch zu bleiben. „Wir möchten die Nutzer inspirieren, mit uns und untereinander zu diskutieren und die Themen in den sozialen Netzen zu teilen“, äußerte sich damals Patrick Kammerer, Director Public Affairs und Communication bei Coca-Cola Deutschland.
Die bisherige Content Strategie scheint aufzugehen. Die Quote derjenigen, die nach dem ersten Artikel weiterlesen, liegt laut Coca-Cola bei 70 Prozent.
Seine Content Strategie hat das Unternehmen in detailreich und in schönster Storytelling-Manier öffentlich kommuniziert.
Im Fokus der Content Strategie steht der sogenannte „Liquid Content“. Diese Inhalte sollen so kreativ sein, dass sie andere anstecken und sich im Netz verbreiten. Zudem soll dieser Content den Unternehmenszielen, dem Markenversprechen und den Interessen der Konsumenten entsprechen. Damit wird so genannter „Linked Content“ geschaffen, der Bezug zu aktuellen, populären kulturellen Geschehnissen nimmt. Heißt: Mittels Brand Storys soll einerseits inspirierender Content geschaffen werden, der aber den übergeordneten Zielen der Marke dienen soll. Und im besten Falle sollen aus den Geschichten Konversationen werden.
Eine bemerkenswerte Storytelling-Kampagne ist die Video-Reihe von 2018 mit dem Titel „One Last Summer“. In vier Episoden wird das Leben von Madison und ihrer Clique erzählt. Diese befinden sich in diesem Sommer genau in der Phase zwischen Highschool und College. Wieder tritt Coca-Cola als Mentor in den Hintergrund, lässt das Lebensgefühl der jungen Menschen für sich sprechen, die in ihrer Lebensphase zwischen derzeitigem Glück, Lebensfreude und unbekannter Abenteuerlust für die Zukunft stehen. Die ganze Dokumentation mutet nicht wie ein Werbespot an, sondern tatsächlich wie ein Real-Life-Format, ganz wie früher „The Hills“ auf MTV oder eine der anderen Real-Life-Dokus.
Mit der Kampagne „The Original Way“ geht Coca-Cola einen anderen Weg. Dieser richtet sich diesmal nicht an den Endkonsumenten, sondern gezielt an Gastronomen. Ziel der Marketing-Maßnahme ist es, die klassische Glasflasche verstärkt in der deutschen Gastronomielandschaft zu etablieren. Unter dem Motto „Das Original Original serviert“ stellt die Getränkemarke Restaurants in Form von Geschichten vor. Sie alle folgem dem Leitnarrativ „Wir sind die Original Cola, die mit Tradition und Qualität überzeugt“. Hier werden die gemeinsamen Werte des Cola-Produzenten und der Restaurants hervorgehoben. Die vorgestellten Gastronomen haben gemein, dass ihnen die Qualität ihrer Produkte, die ursprünglichen Traditionen, aber auch die Liebe und Leidenschaft für ihre kulinarischen Spezialitäten wichtig sind.
Da lernen wir Florian aus Berlin mit seinem Restaurant „Standard Serious Pizza“ kennen. Für seine Original Neapolitanische Pizza reist er mit seinem italienischen Koch Alessandrio nach Neapel, um dort vor Ort die Besonderheiten des Original-Rezeptes zu erklären. Oder Juan vom peruanischen Restaurant Nauta, dessen Name vom Heimatort seiner Nanny stammt. Deren amazonische Rezepte machen zusammen mit den Gerichten seiner peruanischen Großmutter den Kern des Restaurants aus. Coca-Cola als Marke tritt dabei dezent in den Hintergrund. Im Fokus stehen die teils auch sehr persönlichen Geschichten der Gastronomen. Diese sind so aufbereitet sind, dass man ihnen wie einer Dokumentation wie beispielsweise Netflix‘ „Chefs Table“ sehr gern folgt. Coca-Cola drückt damit seine Wertschätzung und seinen Respekt gegenüber den Sterneköchen aus. Deren Werte und Image werden auf die eigene Brand übertragen.
Der Erfolg der Gastro-Reihe beweist, dass emotionales Storytelling auch auf B2B-Ebene funktioniert. Neben Social-Media- und Out-Of-Home-Kampagnen liegt der Fokus vor allem in der sechsteiligen Video-Reihe. Jeder der 8-minütigen Filme hat zwischen 1,7 und 1,9 Millionen Aufrufe. Ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass diese Kampagne sich vorrangig an B2B-Kunden richten sollte. Und mal wieder der Beweis, dass mit Storytelling aus jedem Thema interessanter Content entstehen kann, dem man gern folgt.
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