Anker in der Not? Wozu PR in Katastrophen und Krisen fähig ist

Gewalt. Katastrophen. Diskriminierung. Die Welt hat einiges darüber zu berichten. Terroranschläge in Paris. Der Germanwings-Absturz über den Alpen und die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt. Kann PR etwas bewirken, wenn es nicht nur um gängige Kommunikationskrisen, wie zum Beispiel einen Produktfehler oder eine mangelhafte Unternehmensführung, geht? Wenn nicht nur das Image leidet, sondern es sich um menschliche Tragödien handelt? Es gibt Agenturen, die sich der heiklen Sache annehmen. Durch eine gut durchdachte Kampagne, gewürzt mit Mut und Nachdruck, haben sie es geschafft, etwas an dem Gegebenen zu ändern. Von der Stimmung in der Bevölkerung bis zur Überarbeitung eines alten Gesetzes. Wie mächtig PR-Instrumente einschlagen können, zeigen die drei folgenden Beispiele:

Angst vor dem Theater – die Nachwirkungen des Terrorakts von Paris

Frankreich im Jahr 2015. Nach den Terroranschlägen von Paris herrschte große Unsicherheit in der Bevölkerung. Die meisten Menschen trauten sich nicht mehr, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Die Säle blieben leer und der daraus entstandene wirtschaftliche Schaden war enorm. Ganz davon abgesehen, dass ungefüllte Spielstätten auch ein kulturelles Desaster darstellen. Mit der Kampagne „Ma place est dans la salle“ („Mein Platz ist im Saal“) schlossen sich Kulturschaffende in Paris zusammen. Gemeinsam forderten sie die Menschen dazu auf, wieder ins Theater zu gehen. Innerhalb von nur einer Woche tauschten insgesamt über 150 verschiedene Shows und Inszenierungen ihren Namen gegen den Claim aus. Auf Plakaten, Social-Media-Kanälen oder über den Eingängen der Spielhäuser prangte nun die Botschaft der Unterstützer. Daraufhin schlossen sich über 200 weitere Verbündete der Aktion an. Sie verbreitete sich blitzschnell, wurde in den sozialen Medien gefeiert und erreichte eine große Berichterstattung in den klassischen Medien. Ausverkaufte Säle waren das Ergebnis.

Diese starke Kampagne zeigt, dass es bei PR nicht immer nur um die Umsatzsteigerung eines Unternehmens geht. PR kann, nicht nur in Zeiten von Katastrophen, auf politische oder gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und gar ein Umdenken in der Bevölkerung schaffen.

Germanwings-Absturz: Kann ein Konzern hier überhaupt angemessen reagieren?

Für Germanwings schreibt der tragische Absturz der Maschine von Barcelona nach Düsseldorf im Jahr 2015 die schwärzeste Stunde in der Firmengeschichte. Wie soll ein Unternehmen mit der Katastrophe umgehen? Die Fluggesellschaft reagierte nach dem Unglück sehr schnell. Nach Bekanntwerden des Absturzes haben die Verantwortlichen das Logo in Trauerfarben getaucht und auf der Germanwings-Webseite eine sogenannte „Dark Site“ veröffentlicht. Hier konnten die Hinterbliebenen die ersten Informationen und Telefonnummern einsehen. Bereits nach einer Stunde fand eine Pressekonferenz in Köln statt, auf der die beiden Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr und Thomas Winkelmann auftraten. Live erklärten sie den aktuellen Wissensstand und gaben Auskunft über Flugzeug und Mannschaft. Das Auftreten der Akteure in dunklem Anzug und Krawatte vermittelte dem Zuschauer den Eindruck einer offenen und angemessenen Kommunikation. Durch die gelungene Reaktion der Verantwortlichen konnte Germanwings die Kommunikationshoheit in dieser schwierigen Phase sofort gewinnen. Selbst bei den oft so überkritischen Medien wurde die Vorgehensweise gelobt.

Besonders bei Katastrophen steht die Betreuung der Opfer und der Hinterbliebenen an erster Stelle. Der Absturz des Flugzeuges ist tragisch und doch ein Beispiel für eine erfolgreiche Krisenkommunikation. Hiervon können viele Unternehmen lernen. Was sich immer wieder bewahrheitet: Eine gut vorbereitete Strategie ist das A und O für eine zielführende Krisen-PR. In dem Fall wirkte sich die PR-Arbeit auch auf die wirtschaftliche Seite positiv aus. Die Fluggastzahlen gingen nicht wesentlich zurück, was bei einem Flugzeugabsturz normalerweise der Fall ist.

Menschen mit Handicap – Von „arbeitsunfähig“ zu „arbeitsfähig mit Einschränkungen“

Eine besonders gelungene Kampagne kreierte die polnische Non-Profit-Organisation und Job-Vermittlungsplattform Walk Digital for Intergration. Zum Launch der Webseite veröffentlichte sie den Film „I’m not asking to be a firefighter“. Darin legte sie den Fokus auf die Diskriminierung von Arbeitssuchenden mit Handicap. Eine Aktion, die bitter nötig war. 78 Prozent aller Menschen mit Behinderungen waren zu diesem Zeitpunkt in Polen arbeitslos. Vorurteile und Vorbehalte abzubauen, war die Zielsetzung der Kampagne. Darin wurde auf sehr groteske Art gezeigt, wie körperlich Beeinträchtigte erfolglos versuchen, ein Feuer zu löschen. Die Auflösung aber bestand darin, die Protagonisten mit ihren wirklichen Berufen zu zeigen. Sie wollten gar keine Feuerwehrmänner sein, sondern haben ganz andere Qualitäten. So wurde allen Skeptikern vor Augen geführt, welche Berufe sie trotz Einschränkungen ausüben können – zum Beispiel als Designer oder IT-Spezialist.

Der Film wurde ursprünglich auf YouTube veröffentlicht ohne jegliches Media-Budget. Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer und erreichte mit 200.000 Views sogar die polnischen und internationalen Medien. Außerdem zwang die Kampagne die Politiker des Landes, sich mit dem bestehenden Gesetz für gehandicapte Menschen auseinanderzusetzen und es anzupassen. Danach sollte die gesetzliche Regulierung geändert werden und zwar von „Unable to work“ zu „Able to work with limitations“. Das Beispiel zeigt, dass PR zu weitaus mehr imstande ist, als „nur“ als Retter eines Unternehmensimages zu fungieren.

Auch zur Krisen-PR in Unternehmen haben wir drei wertvolle Tipps zusammengetragen. Wie Marken einen Shitstorm unbeschadet überleben können, lest ihr hier!

Redaktion

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