Lina: Willkommen zu einer eher ungewöhnlichen Folge unseres Praxis-Talk Brand Storytelling und des Internet Marketing Podcasts. Wir machen nämlich heute eine Crossover-Folge und dabei treffen geballte Storytelling- und Social-Media-Marketing-Expertise aufeinander. Und weil alles ein bisschen anders ist heute, gibt es nicht nur ein Gespräch, sondern auch die Moderation von mir an Anna-Lina. Gemeinsam mit Nora Feist und Björn Tantau betrachten wir die Schnittstelle von Storytelling und Social Media etwas genauer. Wie ihr wisst, ist Nora gemeinsam mit Miriam Rupp Geschäftsführerin von Mashup Communication, der PR- und Brand-Storytelling-Agentur in Berlin. Björn ist Experte für digitales Marketing in Hamburg. Die erste Folge unseres Crossovers gibt es bereits in seinem Internet Marketing Podcast zu hören. Und jetzt geht’s auch direkt weiter mit der zweiten Folge bei uns und dabei wünsche ich euch viel Spaß!
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Lina: Dann leg ich mal direkt los mit der ersten Frage:
Björn: Ja, „Evergreen Content“ ist das, was immer alle haben wollen. Also ein Content Piece, das alle toll finden und das ewig lange hält. Und das gut funktioniert, das viel geteilt wird, weil es die Leute mitnimmt und sie begeistert. Das ist der gute alte „Evergreen Content“, der auch außerhalb von Social Media übrigens sehr beliebt ist. Also überall dort, wo man letztendlich auf etwas längerfristig zurückgreifen kann.
Storytelling hilft natürlich dabei, indem man das Ganze unterstützt. „Evergreen Content“ sind also Inhalte, die heute interessant sind, aber auch noch in fünf Jahren. Dass du beispielsweise als Publisher sagst: „Nee ich muss jetzt nicht wie eine Tageszeitung jeden Tag 50 neue Meldung rausballern, sondern ich habe ein Thema, das immer interessant ist.“ Ein ganz dumpfes Beispiel für „Evergreen Content“: Reiseratgeber. Also zum Beispiel „Verreisen mit Kindern“, „Verreisen mit Tieren“ oder „Verreisen nach Afrika“. Aber auch, was man auf der Reise mit dem Hund beachten muss oder mit Kleinkindern. Was musst du in Afrika beachten, wogegen musst du dich impfen lassen, damit du nicht an Malaria erkrankst, solche Sachen. Das ist „Evergreen Content“, rein von der Definition her. Das ist natürlich nicht so spannend im Bereich Storytelling, weil man vielleicht keine Kampagne zum Thema Malaria Impfschutz macht. Das ist sicherlich auch wichtig, aber es gibt wahrscheinlich Themen, die spannender sind.
Interessant ist es dann eher, wenn man sich Marken anschaut, die sich z.B. in Social Media präsentieren wollen. Wir hatten das Beispiel schon bei mir in der Folge. Thema adidas, die bei Instagram Influencer Marketing machen. Die bauen dann eine richtige Story auf innerhalb eines Themenbereichs, von A bis Z. Das sind Geschichten, die letztendlich insofern „evergreen“ sind, weil sie immer weitergeschrieben werden, sowohl von den Marken selber als auch von der Community, die sich dann über Social Media mit einhakt. Und das ist letztendlich genau das, was meines Erachtens Marken machen sollten. Indem sie sich vornehmen Content zu bauen, der tatsächlich nicht nur heute interessant ist, sondern auch morgen. Und selbst wenn er mit der Zeit etwas älter wird, dass er zumindest aufgefrischt wird. Das man immer sagen kann, man ist noch immer die Marke, die dafür steht. Dann kann an dem Image und am Konzept weiter gearbeitet werden. Das ist tatsächlich fließender „Evergreen Content“. Aber das Ziel ist es, letztendlich das Ganze so zu machen, dass die Leute auch in Social Media immer wieder auf diese Geschichten zurückkommen.
Es gibt z.B. Sachen, die in Social Media immer wieder auftauchen. Irgendwelche Memes – sei es wie früher die Game of Thrones Memes, die es von der ersten bis zur letzten Season gab. Da kam immer wieder der Typ der sagt: „One does not… Dingsbums“ und dann mit seiner Hand rumgefuchtelt hat. Das ist „Evergreen Content“, zwar ein bisschen simpel gestrickt, aber er funktioniert sowohl vor fünf Jahren als auch heute. Bei der Zielgruppe. Eine Story dazu und das Ganze auf Social Media posten – das funktioniert schon ganz gut. Das ist auch ein guter Weg, um dieser Schnelllebigkeit, die du angesprochen hast, entgegenzuwirken. Denn in dieser Schnelllebigkeit, die ja zweifelsohne da ist, ist es natürlich wichtig für Marken, dass sie versuchen ihr Produkt ein bisschen zu manifestieren. Damit es nicht sofort aus dem Gedächtnis rausfällt, um es dann ein Jahr später beispielsweise bei der nächsten Staffel der TV-Serie wieder benutzen zu können. Fußball ist zum Beispiel auch ein schönes Thema, wo das gemacht wird. Aber ich denke da kennt ihr auch noch ein paar interessante Beispiele zu.
Nora: Genau, ich kann auch nur wiederholen, dass es wichtig ist zeitlose wiederkehrende Formate zu schaffen. Die eben auch einen Wiedererkennungswert haben und dadurch eine Bindung zum Unternehmen aufgebaut wird. Ganz wichtig ist auch heutzutage, Stichwort Employer Branding, dass du beispielsweise potenzielle Mitarbeiter an dein Unternehmen heranführst und sie bindest. Selbst wenn die sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht damit auseinandergesetzt haben, dass sie bei dir arbeiten könnten, aber dass du da auch schon eine Brand aufbaust.
Und das kannst du beispielsweise auch durch Content schaffen. Dass du z.B. Zitate von Mitarbeitern immer wieder einfließen lässt in deinen Kanal oder eben Mitarbeiterbilder und vielleicht auch Unternehmenswerte visuell aufbereitest. Oder eben mit Statements und so weiter arbeitest, damit du immer Content schaffst, wo Leute lernen, dass das eine Kategorie ist, die auf deinem Kanal immer wieder kommt. Da kannst du dich dann austoben. Denn wenn du erstmal Content angesammelt und aufbereitet hast, dann hast du in dieser Kategorie beispielsweise für jeden Freitag Content. Das muss natürlich nicht der „Freitag Faktencheck“ sein, aber du hast einen Redaktionsplan. An dem Tag weißt du, was kommt, und dann sitzt du auch nicht davor und denkst: „Aber was mache ich denn heute?“. Wenn du also mehrere Formate schaffst, die „Evergreen Content“ sind, dann hast du es auch für deinen ganzen Kanal und für deine Planung viel leichter.
Björn: Genau.
Lina: Wir haben jetzt schon viel an die Hand bekommen, was Marken oder Unternehmen tun sollten und da stellt sich natürlich auch die Frage:
Björn: Ja, natürlich der Klassiker: Zielgruppe verfehlt! Nicht zu wissen, wen ich überhaupt womit ansprechen möchte. Es wird immer gesagt, man braucht Reichweite und Aufmerksamkeit. Das ist auch alles richtig, aber die Reichweite bei den falschen Leuten bringt dir nichts. Wenn du Vanille-Eis verkaufen willst und du landest bei Leuten, die nur Schoko essen, dann verkaufst du nichts, so einfach ist das. Das machen viele falsch, weil sie vorher nicht genau hingucken und nicht hinhören. Es ist doch heutzutage so simpel, speziell in den großen sozialen Netzwerken, auch wenn die vielleicht nicht mehr so sexy sind. Vielleicht sagen jetzt manche, dass Facebook schon so outdated ist, aber das ist natürlich Quatsch. Man muss hingucken und sich angucken, wie da diskutiert wird.
Social Media Monitoring und vor allem Listening ist wichtig. Auch, wenn viele das immer als ein bisschen lästig erachten. Sich einfach einmal hinsetzen, zwei Stunden, und mal gucken, was denn überhaupt so geschrieben wird. Was gesagt und behauptet wird. Das nicht zu machen, ist ein großer Fehler, weil viele dann einfach loslegen und denken, sie müssten jetzt mal was auf Plattform XY machen. Wir haben das in der ersten Folge schon gesagt, ganz aktuell zurzeit ist die Aussage „Wir müssen jetzt auch mal was auf TikTok machen.“ Ich kenne das von vor acht Jahren: „Wir müssen jetzt auch mal was auf Facebook machen.“ Und dann in acht Jahren wird es heißen: „Wir müssen jetzt mal was auf… keine Ahnung… Schubidu machen.“ Oder wie das dann heißen wird. Es geht darum, dir zu überlegen, wo die Leute sind, die du erreichen willst. Dich zu fragen, ob du auch die richtigen erreichst, um nachher an dein Ziel zu gelangen. Zum Beispiel das Ziel „Umsatz“, das haben wir auch vorhin schon genannt, darum geht’s ja letztendlich in Storytelling-Kampagnen in Social Media. Oder Social-Media-Kampagnen mit Storytelling, das ist völlig egal. Wenn du am Ende nicht das rausbekommst, das du reingepackt hast, dann wird das Ganze zu einer Nullnummer oder Minusnummer. Und das ist nicht wirtschaftlich, für kein Unternehmen der Welt, und auch nicht für Agenturen, für Unternehmer oder für Freelancer.
Insofern ist diese Zielgruppen-Unkenntnis, und manchmal auch das absichtliche Ignorieren der Zielgruppe, aus meiner Sicht eigentlich der schlimmste Fehler, den man machen kann. Und er ist deswegen so dramatisch, weil er so leicht zu vermeiden wäre. Du musst einfach nur hingucken und mal zuhören und dir Zeit nehmen – und auch ein bisschen Geduld haben. Also dich hinsetzen und dir sagen: „So, jetzt höre ich mir das mal an.“. Auch wenn von dem, was gesagt wird, vielleicht 80 Prozent Grütze sein mag. Ist ja möglich. Aber trotzdem dann daraus zu filtern, was die 20 Prozent sind, die interessant sind. Das nicht zu tun, ist ein ganz großer Fehler. Und der zweite Fehler ist dann natürlich das Ganze falsch aufzubereiten. Dass man zwar weiß, wer die Zielgruppe ist in Social Media und die auch erreichen will, aber dann keine gute Story macht. Sondern ein Prospekt postet oder die Lobes-Meldung vom Umsatzziel oder von der Auktionsversammlung. Das erreicht zwar schon die richtigen Leute, aber das will keiner hören. Das sind aus meiner Sicht die beiden größten Fehler. Hast du noch einen Fehler, Nora, oder pflichtest du mir bei?
Nora: Ich pflichte dir sowieso bei, aber ich habe noch drei Fehler. Einmal, was du ja auch gesagt hast, dieses „Ja wir sollten jetzt auch mal auf der und der Plattform sein“, obwohl man schon von vorne herein gar keine Idee hat, was man da macht. Dann macht das gar keinen Sinn. Also sich zu überlegen man müsse da jetzt auch vertreten sein, aber gar nicht zu wissen, was ich da eigentlich als Content rausgebe. Das ist Schwachsinn. Es geht eher darum, sich zu überlegen, was die Story ist und über welche Kanäle sich diese am besten erzählen lässt. Also abgesehen davon, dass ich natürlich wissen muss, wo meine Zielgruppe ist. Ich brauche nicht die Zielgruppe 50+ bei TikTok ansprechen wollen, da gehe ich lieber zu Facebook, beispielsweise.
Zweitens ist es ganz wichtig, gerade in Bezug auf Storytelling, dass ich eben nicht die sogenannte dunkle Macht des Marketing anwende. Also, dass ich jetzt nicht nur wieder mit Werbung komme. Das will keiner sehen. Keiner möchte die ganze Zeit Rabattangebote und Produkte sehen, sondern dass Marken auch wirklich versuchen Geschichten zu erzählen. Dass ich überlege, was die Zielgruppe eigentlich darüber hinaus interessiert. Wenn die Werbung gucken wollen, dann weiß ich auch nicht, wo die dann sind, aber jedenfalls nicht auf meinem Facebook-Kanal.
Und der letzte Punkt, das hatten wir ja auch schon besprochen, ist, dass man eine einheitliche Brand Voice haben sollte. Und nicht anfängt, total durcheinander zu posten. Dann weiß die Zielgruppe überhaupt nicht, was sie auf dem Kanal erwartet. Da sind die Follower eher verwirrt und das bringt niemandem etwas. Die müssen einen roten Faden erkennen von dem, was Marken da tun. Und da hilft „Evergreen Content“ natürlich auch, denn dann haben sie gelernt, was auf dem Kanal passiert. Aber grundsätzlich hilft eben auch schon zu wissen, wie eine Marke auftritt und was mich auf deren Kanäle erwartet. Dann kann ich entscheiden, was mich interessiert, ob ich lustigen Content gar nicht gut finde oder ob ich lieber einer Marke folge, die mich unterhält. Oder ich folge dem Kanal, auf dem ich informiert werde und alles andere blende ich aus. Ich habe nämlich zum Beispiel mal jemanden getroffen, der fand den Instagram Kanal der BVG total bescheuert. Da meinte ich, dass das ja ein anderes Konzept ist – da sie dort immer andere User einladen eine bestimmte Zeit lang regelmäßig Fotos zu machen und das fand der doof. Denn der Facebook-Kanal ist was ganz anderes. Aber das ist eben gelernt: Ich weiß, was ich will und dann bleibe ich da oder eben nicht.
Björn: Genau.
Lina: Das ist super interessant. Wir haben in der letzten Folge schon erfahren, dass Reichweite generieren oder auch den Umsatz steigern nicht die primären Ziele von Storytelling auf Social Media sein sollten. Deswegen jetzt noch einmal ganz konkret nachgefragt:
Nora: Im Prinzip das, was Björn vorhin auch gesagt hat. Ich sehe Social Media auch wie das Zusammensitzen an einem Lagerfeuer. Geschichten waren schon immer das Bindeglied, das eine Community zusammengehalten hat. Da wurden die Erfahrungen weitergetragen, da wurde vielleicht auch mal zum Krieg aufgerufen und so weiter. Aber das war ein Ort, wo Leute sich getroffen haben und wo sie ein Thema diskutiert haben oder aufgeklärt wurden. Und vielleicht auch unterhalten wurden. Im Prinzip sehe ich das genauso bei Social Media. Dass du als Unternehmen wissen musst, was für ein Ziel du dort hast, das du dann verfolgen kannst. Und das kannst du dann eben auch durch Storytelling unterstützen. Indem ich entweder einen „Serien-Marathon“ mache oder eben auch kurzweilige Geschichten erzähle. Aber ich muss immer wissen, was mein Ziel ist. Möchte ich Leute zu etwas bewegen? Möchte ich zu etwas aufrufen? Dann setze ich zu diesem Ziel Storytelling ein. Oder habe ich ganz andere Ziele? So sehe ich das.
Björn: Ja, was du eben auch schon angemerkt hast und mir noch eingefallen ist, ist das Thema „digitaler Marktplatz“. Wenn Leute mich fragen: „Warum ist Facebook so, wie es ist? Warum gibt es da so viele interessante Sachen, aber auch so viel Schrott? Und so vielen Nettes, aber genau so viel nicht Nettes?“ Dann sage ich immer, dass das jetzt letztendlich der Dorfplatz von vor 500 Jahren ist, nur etwas größer und digital. Darauf sagen viele, dass früher viele seltsamen Meinungen aber nur beim Stammtisch geäußert wurden und jetzt öffentlich und das stimmt auch. Aber letztendlich ist es genauso wie früher, das Zusammenkommen der Menschen an einem bestimmten Treffpunkt. Manche unterhalten sich, manche erzählen sich Storys und tauschen Klatsch und Tratsch aus. Und am Rande des Marktplatzes sind die Händler, die versuchen etwas zu verkaufen.
In Hamburg haben wir beispielsweise unseren Fischmarkt. Und wenn am Sonntagmorgen der Aale-Dieter loslegt, um seinen Fisch zu verkaufen, dann macht der Storytelling par excellence. Das ist ein bisschen laut, das ist ein bisschen schrill, aber der erzählt zu jedem verdammten Fisch, den er ins Volk wirft, eine Story. Das muss man erstmal hinbekommen. Und das ist genau das, worum es geht: Wenn du schon die Leute auf diesem digital Marktplatz hast, dann musst du dir auch die richtige Story überlegen, die du erzählst. Denn sonst – und da sind wir alle gleich – hören wir halt weg, wenn es uns nicht interessiert. Deswegen fällt auch keinem mehr die Waschmittelwerbung auf, weil wir alle wissen es wird noch weißer und noch sauberer und irgendwann ist es dann transparent. Aber das ist genau der springende Punkt. Deswegen ist das, was du gesagt hast, genau richtig. So funktioniert es einfach und das muss man wissen als Unternehmen.
Quelle: „Hamburger Fischmarkt“ von Uwe Schubert, lizensiert unter CC BY-SA 2.0
Nora: Um dann noch mal auf die Fehler zurückzukommen, einfach nur laut zu sagen „Das Produkt habe ich, kaufte es!“ funktioniert nicht. Wenn das Aale-Dieter machen würde und einfach sagen würde: „Hier, meinen Aal“, würde den keiner kaufen. Aber wenn er eine Geschichte erzählt, schon. Es gibt dieses Beispiel, wo mal eine Plastik-Blockflöte auf eBay verkauft wurde und die Verkäufer eine Geschichte drum herum erzählt haben. Wo die Blockflöte her kam, was sie mit ihr schon erlebt haben. So haben die dann richtig viel Geld damit gemacht. Das heißt erstens, dass die Leute das sympathischer finden und mehr mitfiebern. Alleine der emotionale Wert, den diese Blockflöte dann hat, veranlasst sie dazu, mehr Geld auszugeben. Das ist im Prinzip genau das, was auch Marken machen. Die wollen Emotionen zum Produkt aufbauen und etwas auslösen, warum du das jetzt haben willst.
Das ist genau das, was ich vorhin gesagt habe. Egal, ob adidas, Nike oder ein anderes Unternehmen, am Ende verkaufen sie alle Turnschuhe. Deswegen muss die Story drum herum erzählen, warum Leute die kaufen möchten. Und die Möglichkeit geben, sich damit identifizieren zu können. Außerdem ist es so, dass durch Geschichten natürlich auch Sachen hängen bleiben. Denn wenn ich dir jetzt einfach drei Fakten oder drei Zahlen um die Nase werfen würde, dann würdest du dir das wahrscheinlich nicht merken. Wenn ich aber dazu eine Geschichte erzähle, wie ich zum Beispiel 97 Treppenstufen hochgerannt bin und dann die fünf Bauern getroffen habe, dann verknüpfst du das mit einem Bild vor deinem geistigen Auge. Dann merkst du dir das und nur, wenn du es dir gemerkt hast, kannst du es auch weitererzählen. Und wieder andere Leute damit anstecken. Nur wenn du dich länger mit der Geschichte beschäftigt hast, teilst du sie auch. Eher, als wenn du einfach nur trockene Fakten bekommst. Du willst deinen FreundInnen schließlich auch guten Content weiterleiten. Die sollen nicht sagen, dass das immer so langweilige Sachen sind, die du teilst, sodass sie das nicht mehr sehen wollen und sich denken: „Die/den mute ich jetzt mal.“.
Björn: Genau, das ist übrigens psychologisch ein wichtiger Faktor bei Social Media. Das ist der Grund, warum Menschen Beiträge teilen.Um sich bei anderen, ich will nichts sagen „wichtig“ zu machen, aber um etwas zu teilen, das auch spannend ist. Aus Berlin stammt beispielsweise der von mir sehr geschätzte Felix Lobrecht. Den kennt ihr hoffentlich auch? Der ist sehr witzig und hatte früher immer die Story von seinem Kumpel Matze erzählt und Matze erzählt immer Null-Geschichte. Das heißt, die fangen immer total geil an und am Ende ist es dann doch eine langweilige Story. Und das ist genau, was ich meine. Wenn du etwas anzubieten hast, was andere Leute letztendlich auch teilen, weil sie das cool finden, dann kommst du in den Augen deiner FreundInnen und Freundesfreunde auch nicht ganz so lame rüber. Sondern sie finden das cool und wissen, dass du immer super Postings verteilst. Ob das jetzt immer so ist weiß ich nicht, aber es ist ein Beispiel und untermauert genau das, was du gerade gesagt hast: Dass die Firmen entsprechend Futter, also guten Content, anbieten müssen, das sich lohnt geteilt zu werden. Und eben nicht nur drei trockene Zahlen.
Lina: Das ist wirklich interessant, gerade wenn du jetzt schon Felix Lobrecht ansprichst. Da komme ich direkt zu meiner nächsten Frage:
Björn: Ja, das haben wir eben schon angerissen. Felix Lobrecht ist jetzt kein Beispiel für Influencer Marketing. Wenn man es natürlich schafft, dass er bei NightWash oder so deine Marke erwähnt, wäre das zwar super, aber ich glaube er ist eher jemand, der selber Influencer hat. Aber Spaß beiseite. Also anschließend an das, was wir eben gesagt haben: Du solltest Dinge machen, mit denen du die Influencer erreichen kannst. Die müssen überzeugt sein von dem Content und dem Unternehmen und sich sagen, dass es ihnen das persönlich wert ist zu teilen. Für die Leuten, die auf ihr Urteil vertrauen, soll dieser Inhalt natürlich wertvoll sein. Denn jeder Influencer, zumindest jeder vernünftige Influencer, aus meiner Sicht, gibt nur das weiter, wofür er auch stehen kann. Es gibt sicher auch welche, die allen möglichen Dreck bewerben, weil gut dafür gezahlt wurde, das kann auch sein, das kann ich nicht beurteilen.
Aber ich persönlich würde immer nur das weitergeben, wo ich auch dahinter stehe, wo ich sagen kann, dass ich das gut finde. Das ist letztendlich die Lösung. Wenn jetzt jemand Influencer oder die Community einspannen möchte, für Werbung oder Product Placement, dann muss das natürlich mit einer Story passieren und mit einer Geschichte, die auch wirklich funktioniert. Bei der die Leute auch dahinter stehen und auch bereit sind, das anderen Leuten zu empfehlen, ohne im Video rot zu werden.
Denn auf Dauer macht man sich das Geschäft kaputt, wenn man immer Sachen empfiehlt, die schrottig sind. Wenn du immer langweilige Null-Geschichten teilst oder Fakten, die nicht unterfüttert sind, dann finden die Leute das langweilig und hören einfach nicht mehr zu. Und wenn sie nicht mehr zuhören, dann kannst du sie nicht mehr erreichen. Und „nicht mehr erreichen können“ ist ja gleichbedeutend mit „keine Reichweite haben“.
Wie wir schon besprochen haben, sorgt das dann letztendlich auch dafür, dass die sekundären Ziele wie Umsatz und Abverkauf nicht mehr funktionieren können. Ergo muss man sich genau überlegen, wie man sie einsetzt. Damit man seinen Followern genau das Richtige mitgibt, um dann auch sagen zu können, dass das wirklich guter Content ist. Den kannst du jetzt benutzen, um die Leute in deiner Community zu inspirieren. Deswegen würde ich sagen, ist das einer der praktikabelsten Wege.
Nora: Ja, ich würde dazu noch ergänzen, dass es ganz wichtig ist, auch wieder basierend darauf, dass ich als Unternehmen weiß, was meine eigene Story ist, was die Story ist, die ich weitergeben möchte und wer meine Zielgruppe ist, dass ich genau schaue welche Influencer eignen sich wirklich dafür. Also wer passt wirklich auch zu mir als Marke, damit es glaubwürdig ist. Und dass ich dann schaue, ob es jemand ist, der auch als Brand Ambassador arbeiten kann und nicht jemand, der im Prinzip jeden Tag nur Werbung macht. Sondern dass man eben schauen kann, ob meine Marke glaubwürdig in den Alltag des Influencers passen würde.
Man sieht oft ganz schreckliche Beispiele, wenn ich z.B. an Coral denke. Da nimmt jeder halbe Influencer-Promi diese Flasche in die Hand und ist an den absurdesten Orten mit dem Weichspüler unterwegs. Das passt eben nicht. Es muss auch wirklich wieder in die Geschichte des Influencers passen, damit dieser dann die Leute mitnehmen kann. Und ihnen erklären kann, warum er dieses Produkt vorstellt, ohne, dass es Schleichwerbung ist. Sondern wirklich glaubwürdig den Followern vermitteln, warum genau dieses Produkt vorgestellt wird und was die dann auch davon haben – denn er hat natürlich auch etwas davon.
Björn: Genau.
Lina: Super, dann jetzt zu meiner abschließenden Frage, Björn: Wir haben schon darüber gesprochen, dass Facebook von manchen bereits totgesagt wird. Da rücken jetzt ganz neue Plattformen in den Fokus der Aufmerksamkeit. TikTok hattest du z.B. vorhin schon angesprochen oder auch Snapchat.
Björn: Das muss man differenzieren. Zum Teil ja, aber nicht komplett. Was sich auf jeden Fall verändern wird, ist die Darbietungsweise. Klar, du musst Content auf TikTok anders inszenieren als auf Facebook, wegen des Story-Formats. Es sei denn, du konzentrierst dich auch bei Facebook auf die Storys. Und natürlich musst du dich auch von der Zielgruppe inspirieren lassen. Du kannst auf TikTok keine Kampagne fahren, die auf 40+ ausgelegt ist – also kannst du schon, da gibt’s auch ein paar die 40+ sind, aber eben nicht so viele wie die, die unter 20 sind. Das wird sich auf jeden Fall verändern, diese Kleinigkeiten, die Darstellungsweise.
Genau wie du heutzutage kein Freizeitbad mehr bauen kannst, mit den Standards von 1950. Da würde niemand mehr reingehen, weil es keine Riesenrutsche und keinen Whirlpool hat und sowas geht halt nicht. Aber das Prinzip des Geschichtenerzählens wird gleich bleiben. Weil es seit der Steinzeit gleich ist. Wir haben das digitale Lagerfeuer schon mehrfach genannt. Die Menschen machen seit es sie gibt genau das: Sie sitzen zusammen und unterhalten sich über irgendetwas. Vor 500000 Jahren über die Mammut-Jagd, heute über die neuesten Sneakers. Aber zusammensitzen, sich austauschen, kommunizieren, das wird immer so bleiben. Deswegen sollte man nicht die Plattform in den Vordergrund stellen, denn die Plattform ist austauschbar.
Wie gesagt, jetzt ist TikTok gerade der neueste heiße Scheiß und in fünf Jahren ist es vielleicht etwas anderes. Und vor fünf Jahren war es Snapchat, das ändert sich ständig. Aber das Prinzip, dass die Menschen kommunizieren wollen, das wird immer gleich bleiben. Deswegen wird es auch Storytelling immer geben, genau wie „Evergreen Content“. Dinge, über die man sich austauschen möchte.
Deswegen gibt es auch immer noch Sportarten. In den USA ist es American Football oder Baseball, bei uns ist es normaler Fußball, also Soccer. Natürlich gibt’s da mal ein paar neue Regeln, z.B. den Videobeweis oder es gibt härtere Strafen. Aber das Spiel an sich, dass 22 Typen hinter einem Ball hinterher laufen, das ändert sich nicht. Das bleibt gleich. Und am Ende muss immer jemand ein Tor schießen oder mehrere Tore. Das heißt: Das alles bleibt gleich, aber die Umgebungsvariablen ändern sich. Die Art, wie man sich etwas anschaut, die Art, wie man etwas inszeniert. Das ändert sich. Das Handwerkliche wird anders. Genau wie Autos sich entwickeln von einem Benzin- zum Elektromotor. Aber das Grundkonzept, dass man eine Geschichte erzählt und Leute damit ansprechen muss, die passen, das wird sich nicht verändern. Denn das würde ja heißen, dass sich die Interessen der Menschen komplett verändern. Jemand, der von Berufs wegen Ingenieur ist, der wird sich auch Zeit seines Lebens für Ingenieur-Themen interessieren. Und nicht mit 40 sagen: „Ich höre jetzt auf und mache nur noch Aerobic.“. Das ist ein bisschen unwahrscheinlich.
Nora: Wer weiß, in seiner Rente?
Björn: Das kann natürlich sein, obwohl du da ein bisschen optimistisch bist mit 60 und Rente.
Nora: Ich weiß.
Björn: Aber was ich sagen will, ist hoffentlich rübergekommen. Nämlich: Die Regeln ändern sich, aber das Spiel bleibt gleich.
Nora: Ja das ist ein guter Vergleich. Ich werde nämlich auch ganz oft gefragt, wann Storytelling tot ist und dass das jetzt nur so ein Buzzword ist. Dass sich das doch auslaufen wird. Und dann nehme ich genau dieses Beispiel, dass es Geschichten schon immer gab. Man muss einfach nur schauen, welche Geschichten zu welchem Format passen. Podcasts, wie wir welche haben, die kommen wie Pilze aus dem Boden. Das ist auch wieder ein Format, in dem man Geschichten erzählen kann. Ich glaube auch das Voice Storytelling durch Sprachassistenten eine größere Sache wird. Man muss tatsächlich gucken, wie man die Kanäle nutzen kann und wie man dort die Story erzählen muss. Natürlich muss ich die ganz anders auf TikTok erzählen, als wenn ich sie abdrucken möchte. Aber das Prinzip Storytelling wird immer bleiben – Gott sei Dank.
Lina: Gute Nachrichten für uns auf jeden Fall.
Björn: Das stimmt. Aber es ist genau so mit Social Media. Die Sozialen Medien werden auch bleiben. Vielleicht wird Facebook in 20 Jahren wirklich tot sein, aber irgendwas wird es immer geben, denn die Möglichkeiten sind da und die Leute wollen sich austauschen. Auch schon vor Social Media gab es die Newsgroups und es gab Leute, die sich E-Mails geschickt haben. Da wird sich also nicht wirklich was ändern.
Nora: Nein, ich glaube auch. Wenn ich mir die Mediennutzung meines fast 11-jährigen Sohnes anschaue, dann sehe ich ja auch, was der so benutzt. Beispielsweise Youtube-Tutorials, die ich mir nie im Leben anschauen würde, in denen Leute Spiele besprechen, stundenlang. Das findet er super. Bei Kanälen wie YouTube kann ich mir jetzt auch nicht vorstellen, dass die verschwinden werden. Aber andere Plattformen werden irgendwann gehen und dann werden noch krassere und coolere Sachen kommen. Die wir vielleicht erstmal nicht verstehen.
Björn: Aber mit der Zeit ist alles erlernbar.
Nora: Ja, so schwierig ist es nicht.
Lina: Also können wir uns noch auf was freuen. Dann danke ich euch beiden sehr für dieses interessante Gespräch, für den ganzen Input, den ihr auch aus euren eigenen Erfahrungen geteilt habt. Ich denke unsere Zuhörerinnen und Zuhörer konnten einige How-to’s mitnehmen und wissen jetzt einmal, was Storytelling ist und vor allem auch, wie es erfolgreich auf Social Media eingesetzt werden kann. Vielen Dank dafür!
Björn: Immer gern, hat Spaß gemacht. Dankeschön!
Nora: Danke dir, Lina!
Lina: Bis bald!
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