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Miriam: Mit unserem Podcast „Praxistalk Brand Storytelling“ wollen wir euch inspirieren die Macht der Geschichten für eure Marken einzusetzen. Dafür sprechen wir mit spannenden Persönlichkeiten aus der Kommunikationsbranche über ihre Erfolge und wie sie dahin gekommen sind. Doch auch bei uns selbst, bei Mashup Communications, gibt es einiges aus dem Nähkästchen zu plaudern. Was passiert eigentlich hinter den Kulissen einer PR und Brand Storytelling Agentur? Darüber reden wir auf LinkedIn live. Und die Essenz dieser Agency Stories gibt es nun auch noch mal hier als Podcast.
Miriam: Du hast heut ein sehr emotionales Thema ausgesucht, was uns schon das ganze Jahr begleitet hat und was jetzt gerade einen super aktuellen Anlass hat: Gendergerechte Sprache. Vielleicht kannst du dazu etwas erzählen. Ich blende dazu mal ein Bild ein, was heute das Thema unserer kleinen Talkrunde ist.
Louisa: Wie du schon gesagt hast, war das ein sehr emotionales Thema auch bei uns intern im letzten Jahr. Almdudler hat gerade eine neue Diversitäts-Kampagne gestartet und sie setzten jetzt auf inklusive Sprache in einer Diversity Edition. Es werden 2.000 limitierte Flaschen verkauft, wo sie das Gendersternchen verwenden, also Almdudler*innen. Eine sehr schöne Aktion, die mit Sicherheit auch viel Aufmerksamkeit bringen wird. Da werden natürlich auch einige sagen: „Warum nur eine limitierte Edition? Warum ändern sie nicht einfach ihren Markennamen?“ Aber es ist natürlich schon mal ein schöner Anfang und ein Anstoß vielleicht auch für andere Marken.
Miriam: Vielleicht auch nochmal dazu gesagt: Ich finde es besonders spannend bei solchen Sachen, wenn man sich wirklich traut auch bis auf den Produktnamen, bis auf das Etikett an der Flasche, dem Label der Flasche zu gehen. Man hätte auch eine Aktion machen können, die irgendwie drum herum ist. Und dann sagt man: „Wir stehen auch für Diversität, Inklusion, gendergerechte Sprache und das ganze Thema“. Aber, wenn man das wirklich auf sein Produkt packt, dann ist das echt nochmal eine Ansage. Und hat dementsprechend die Runde gemacht, um an Aufmerksamkeit zu gewinnen. Was auch einfach nur daran liegt, dass es eben bis aufs Label ging.
Dann hatten wir überlegt, wir können nun einmal bisschen Revue passieren lassen, denn wir haben es dieses Jahr auch umgestellt. Vielleicht kannst du erst einmal erzählen. Du hattest zusammen mit Lea bei uns das quasi federführend „educated. Und mitgestaltet, wie wir das alles umgestellt haben und für welche Schreibweise wir uns entscheiden haben. Und auch nochmal die Leute motiviert, wo das vielleicht jetzt irgendwie noch nicht so dringend war. Ich selber hatte auch ein bisschen die Befürchtung „das wird aufwendig“.
Wie bist du eigentlich zu diesem Thema gekommen, dass du dich dafür begeistert? Du hattest auch relativ viel Vorwissen mitgebracht. Kannst du vielleicht darüber ein bisschen erzählen?
Louisa: Lea und ich sind da irgendwie federführend dabei gewesen. Ich glaube, wir kannten das einfach noch aus unserer Uni-Zeit. Vor allem an den Berliner Unis kenn ich das dort auf jeden Fall das Binnen-I schon Standard ist. Und auch für mich war das am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig. Wenn man das nicht gewohnt ist, kommt einem das ziemlich aufwendig und kompliziert vor. Aber wenn man sich nach kurzer Zeit einmal dran gewöhnt hat, wird es schnell normal. Man benutzt es einfach und es kommt einem dann auch schon schnell negativ vor, wenn es jemand nicht macht.
Wir tauschen uns in der Agentur immer mal zu Themen aus, in denen wir Haltung zeigen wollen, wo wir uns auch letztendlich positionieren wollen. Da war das Genderthema oder auch die gendergerechte Sprache eine wichtige Frage. Ich erinnere mich, ich glaub es war Ende letzten Jahres, Anfang diesen Jahres, haben wir sehr viel in der Agentur darüber diskutiert, wie es natürlich überall ist bei dem Thema. Es gibt total die Gegner, die es „Genderwahnsinn“ nennen, und dann die Leute, die total davon überzeugt sind. Auch bei uns in der Agentur haben wir sehr viele verschiedene Leute. Für manche war das auch ein superemotionales Thema. Ich habe dann versucht mich ein bisschen emotional zurückzuhalten und eher die Fakten zu sehen, die dafür sprechen. Es gibt auch Studien, die sagen, dass es keine Beeinträchtigung bei der Lesbarkeit oder der Verständlichkeit von so einer Schreibweise oder auch Sprache gibt.
Ich erinnere mich an sehr viel emotionale Diskussionen und dann hat sich das natürlich auch irgendwie auf unsere privaten Diskussionen ausgeweitet. Ich habe schon das Gefühl, dass wir einige Leute überzeugen konnten, wo ich jetzt sehe, dass sie das machen. Uns war superwichtig, dass wir das nicht wie so eine Art Zwang machen. Sondern dass wir sagen: „Das ist unser Ziel. Wir werden das als erstes zum Beispiel auf unserer Website umsetzen“, aber niemanden aktiv korrigieren, wenn er das in der Pause nicht macht. Einfach versuchen das vorzuleben, was wir erreichen wollen, und es im Alltag zu erlernen.
Miriam: Ich erinnere mich auch noch. Ich glaube der Stein des Anstoßes war, dass wir generell das Thema Gender als Haltungsthema 2020, bevor noch Corona irgendwie wichtiger war, für uns auf die Agenda geschrieben haben. Da hatten wir auch den Gender Report schon geplant und noch ein paar andere Ideen. Und dann war auch das große Thema, das wird das authentisch und auch glaubwürdig nach innen leben müssen. Wir haben auch kein Problem, im Gegenteil, mit Frauenquote, Frauen in Führungspositionen oder Frauenförderung. Das ist bei uns alles gar kein Problem. Aber bei diesem Punkt hackte es halt tatsächlich noch.
Und ich weiß, wir hatten da erst in einer kleineren Runde ein Gespräch geführt, wo ich selber auch ein bisschen dagegen war. Für mich war es vor allem der Aufwand. Es wirkte für mich erstmal nach sehr, sehr viel Aufwand. Am Anfang klang es für uns so: Wir müssen jetzt tatsächlich alles ändern. Den letzten Blog Post von 2014 wirklich nochmal umschreiben und alle Dokumente, die jetzt irgendwie herumschwirren, wo ich dachte „oh Gott, oh Gott das so im laufenden Tagesgeschäft umzusetzen“, aber das hat sich dann doch schnell relativiert. Am Ende ist es tatsächlich einfach nur eine Übungssache das irgendwie umzusetzen. Wir haben auch gesagt: „Es ist halt auch wichtig in der gesprochenen Sprache dran zu denken“.
Viele der Diskussionen waren auch darum, ob es jetzt eine Sprachpolizei gibt, dass man jetzt irgendwie vorsichtig sein muss, was man sagt, „Political Correctness“ und sowas. Da haben wir auch intern drüber gesprochen. Das ist auch nur ein Anspruch, das ist jetzt auch kein Gesetz, dass man es eben ein bisschen lernt. Aber wenn man informell miteinander spricht oder wenn man es jedes zweite Mal vergisst und eben nicht macht, ist dabei trotzdem schon was gewonnen. Es war dann auch – und das kann man anonymisiert so sagen – ein bisschen symptomatisch, dass vor allem aus der männlichen Riege erstmal nicht unbedingt die Notwendigkeit gesehen wurde. Einigen männlichen Mitarbeitern musste man tatsächlich auch ein bisschen die Augen öffnen mit den Gesprächen, um darauf hinzuweisen, warum das wirklich wichtig ist.
Louisa: Ich glaube deswegen sind auch diese zum Teil sehr emotionalen Diskussionen entstanden, weil es dann natürlich letztendlich auch wieder um Diskriminierung ging. Und um Leute, die Diskriminierung vielleicht nicht so gut verstehen können wie andere. Natürlich führt das dann zu extremen Emotionen bei vielen. Das, was du gesagt hast mit der Umsetzung, ist auch ganz wichtig um Unternehmen und anderen Agenturen die Angst vor dieser Mammutaufgabe „gendergerechte Sprache“ zu nehmen.
Wir haben auch gesagt, es geht gar nicht darum, dass wir jetzt so tun, als hätten wir das schon immer gemacht, und wir dann bis 2010 zurück alles ändern müssen. Darum geht es ja gar nicht. Es geht darum, dass man transparent sagt: „Wir machen das jetzt, weil wir das wichtig finden, weil wir da eine Vorbildfunktion einnehmen wollen und dass wir das dann natürlich auch auf unserer restlichen Website umsetzen. Auf der Karriereseite gab es das ja schon. Ich habe das auch schon von vielen Leuten, die sich aktuell bewerben gehört, dass ihnen das extrem negativ bei den Arbeitgebern auf der Website auffällt. Das man es nach und nach umsetzt, es muss ja auch nicht alles direkt perfekt sein. Da wird auch keine Genderpolizei kommen, die sagt: „Hier auf der Website ist das noch falsch“. Dass man das nach und nach einfach erlernt.
Miriam: Du hast zusammen mit Lea überlegt, was für uns, unsere Ansprüche und für diese Aufgabe ein guter Weg, vielleicht auch ein Kompromiss, wie wir das jetzt formulieren, ist. Du hast es dann vorgestellt und dazu noch ein bisschen Hintergrundwissen mitgegeben und nochmal erklärt, warum das wichtig ist. Vielleicht kannst du das ein bisschen zusammenfassen. Es gibt auch ein, zwei Studien darüber. Von den Kritikern ist eines der häufigsten Argumente, dass es das generische Maskulinum gibt. Es ist einfach gelernt und es schließt Frauen nicht aus. Man sagt ja auch „der Löwe“ und nicht „die Löwe“, wobei ja trotzdem alle Löwengeschlechter gemeint sind. Kannst du vielleicht noch einmal zusammenfassen, wenn du es aus dem Kopf weißt, was du schon für Studien gelesen hast, die die Wichtigkeit davon belegen.
Louisa: Wir haben uns damals für das Binnen-I entschieden. Ich habe auch gelesen, dass mittlerweile mehr das Gendersternchen in Onlinemedien genutzt wird. Wir haben uns für das Binnen-I entschieden, weil wir einfach das Gefühl hatten, dass es beides einschließt oder alle Geschlechter einschließt. Da gibt es mittlerweile natürlich auch andere Meinungen zu. Und es am wenigsten die Lesbarkeit und Verständlichkeit beeinflusst.
Zu den Studien: Da gibt es vor allem Studien, ich kann dir da jetzt keine genauen Zahlen aus dem Kopf sagen. Es geht vor allem darum, dass es wissenschaftlich belegt ist, wenn ich jetzt sage: „Ein Professor, ein Arzt und ein Rechtsanwalt betreten den Raum“, dass ich mir da nicht drei Frauen oder zwei Frauen und einen Mann vorstelle, sondern einfach mal drei Männer. Vor zwei Tagen habe ich dazu noch eine Studie gesehen, dass es auch auf Kinder oder SchülerInnen großen Einfluss nimmt, dass diese sich nicht vorstellen können, dass sie zum Beispiel so einen Beruf einmal erlernen würden, weil sie einfach davon ausgehen, dass dieser geschlechtsspezifisch ist.
Natürlich werden moderne Eltern ihren Kindern nicht mitgeben: „Du kannst niemals Arzt werden“. Natürlich lesen wir das einfach überall. Wir lesen es in Büchern, wir sehen es in Filmen, in der Zeitung lesen wir das überall, in Schulbüchern steht das natürlich auch immer noch überall so drin. Das nimmt natürlich total den Einfluss.
Ich habe jetzt gerade gelesen: Es gab am Anfang des Jahres von „News aktuell“ eine Studie in PR-Agenturen oder Kommunikationsagenturen, was das Beliebteste ist. Da kam raus, dass fast 50% das eigentlich als sehr wichtig ansehen. Aber gleichzeitig haben 45% da gar keine einheitliche Regelung, dass man dann dabei noch hin und her wechselt. Es wird auch viel die geschlechtsneutrale Variante benutzt, das machen wir auch möglichst. Solange es möglich ist, dass man zum Beispiel statt von MitarbeiterInnen dann von Mitarbeitenden spricht. Dass man einfach versucht, gar nicht geschlechtsspezifisch zu formulieren. Das ändert sich immer wieder.
Miriam: Wenn wir über einzelne Texte diskutieren, streichen wir uns selber immer noch einige Wörter an, weil der eine das eben so sieht und der andere so. Wir haben beispielsweise gesagt, dass bei zusammengesetzten Wörtern das vorangestellte Wort nicht gegendert wird, weil es dann eine wirklich sehr hohe Hürde beim Lesen wird, wenn man beispielsweise MitarbeiterInnenmaßnahmen als ein Wort hat. Das sind dann Kompromisse, wo man sagt: „Das ist jetzt das Hauptwort, darum geht es und das wird dann gendergerecht formuliert“. Auch bei Anglizismen, wo das sprachlich vielleicht sehr holprig wird. Dass man einfach Kompromisse macht oder auch wartet, es kann sich entweder verändern, wie die Wörter im alltäglichen Sprachgebraucht so häufiger verwendet werden.
Louisa: Wo es glaube ich noch am schwierigsten ist, und da kommen auch immer mal wieder Leute von uns auf mich zu, wahrscheinlich auf Lea auch, und fragen, wie wir das am besten machen sollen. Solche Wörter wie der Energiedienstleister XY ist eine Unternehmensbezeichnung, aber ist es dann auch eine Energiedienstleisterin? Das ist dann halt wirklich schwierig. Wir haben das bisher meistens in der männlichen Form gelassen, ich habe das manchmal auch schon andersherum gesehen. Und ich kann mir vorstellen, dass sich viele Marken dann dabei aufstoßen würden, weil es dann irgendwie extrem auffällt. Ich finde, bei den anderen Bezeichnungen akzeptieren es die meisten einfach, dass es natürlich beides einschließt. Dabei ist es für viele immer noch sehr schwierig sich daran zu gewöhnen.
Miriam: Ich dachte dabei auch an Organisationen. Denen würde ich jetzt nicht zum gendergerechten Gebrauch raten, aber das hängt zum Beispiel auch vom Typ der Organisation ab. Wir als Firma, die von Frauen geführt und sehr weiblich geprägt ist, würden uns schon als Arbeitgeberinnen bezeichnen. Einen unserer Kunden, welcher aus vier Geschäftsführern besteht, diesem fangen wir erst gar nicht an vorzuschlagen, ob sie sich als genderneutral und gendergerecht darstellen wollen. Die eigene Bezeichnung, der Typ des Unternehmens und der Brand Voice rechtfertigt das reine Maskulinum oder das reine Femininum.
Wir haben gerade eine Zuschauerfrage bekommen, mit der wir jetzt live debattieren können. Er fragt: „Was wäre überhaupt bei Arzt und Anwalt das beste Wording, mit welchem man Kinder nicht negativ beeinflusst?
Louisa: Dabei kann man sich natürlich entscheiden, ob man die Dopplung nimmt. Bei Arzt ist das natürlich auch schwierig, ich weiß gar nicht wie die Gendersternchenform wäre. Man würde wahrscheinlich am ehesten „Ein Arzt und eine Ärztin oder ein Anwalt und eine Anwältin“ sagen oder spezifisch formulieren, wer es tatsächlich ist. Man sieht manchmal in Medienberichten, dass nur von Männern gesprochen wird, einer Gruppe, obwohl Frauen dabei waren. Dort könnte man dann tatsächlich spezifischer formulieren, oder man nutzt die Doppelform.
Miriam: Es ist auch schwierig zu sagen, weil natürlich hier ein Satz für die Untersuchung gefragt wurde und was die Wirkung ist. Ich glaube am wichtigsten ist rein Plural. Häufig wenn du einen Satz sagst wie: „Ein Arzt und ein Anwalt betreten den Raum“, hat man konkrete Personen im Kopf, wo man dann ganz konkret sagen würde: „Ein Arzt und eine Anwältin betreten den Raum“. Beim Plural wird es schwierig, wenn man von einer Gruppe von Menschen spricht, weil verschiedene dabei sein können. Da würde man dann schon eher sagen „ÄrztInnen und AnwältInnen betreten den Raum“, das hat sich bei vielen, denen ich zuhöre, eingeprägt, dass man dann das auch bewusst so ausspricht. Nicht Ärztinnen und Anwältinnen, weil es dann nur weiblich klingt und die Diskussion zurückkommt und sich darüber beschwert wird, dass nur Frauen damit gemeint sein könnten.
Was eigentlich das Ironische ist, weil natürlich mit dem generischen Maskulinum genau dieser Vorwurf im Raum steht. Wenn das die Frage beantwortet? Ich denke es hängt auch von der Situation ab, von der wir sprechen. Das war jetzt eine Studienfrage. Im Plural würde ich dazu tendieren, dass ich sage: „ÄrztInnen und AnwältInnen betreten den Raum“, um das quasi offen zu lassen.
Louisa: Genau! Meistens arbeitet man mit dieser neutralen Form, dass man Mitarbeitende sagt, das ist ja auch immer der Plural. Und zum Beispiel nicht sagt: „Mitarbeiter müssen sich auf die Digitalisierung einstellen“, sondern dass man dann sagt „Mitarbeitende“, und das immer in den Plural setzt und dadurch das Binnen-I oder die neutrale Form nutzen kann.
Miriam: Ich bin lustigerweise vor einiger Zeit, schon bevor wir diese Diskussion geführt haben, auf einen Verein gestoßen. Er heißt glaube ich „Der Verein der deutschen Sprache“. Ich bin auf den gekommen, als ich nach den Top Headlines aus wichtigsten Tageszeitungen gesucht habe. Die haben das als richtiges Ranking zusammengefasst und dafür kann ich es schon einmal empfehlen, da vorbei zu schauen. Die haben aber eine richtige Petition gegen den „Genderwahnsinn“, wie sie es nennen, gestartet. Ich muss noch einmal genauer schauen, aber sie führen alle möglichen Argumente an. Ich habe ja auch Linguistik zum Teil studiert und was sehr häufig kritisiert wird, ist, dass die Sprache verhunzt wird. Und das irgendwie künstlich an Wörtern geschraubt wird, also der ganze Sprachstil verhunzt wird.
Meine persönliche Meinung ist, dass Sprache ein lebendes Wesen ist und Sprache bildet auch unsere Realität ab. Sprache hat sich schon immer verändert, je nachdem wie sich unsere Welt verändert. Vor drei Jahren hatte das Wort „Lockdown“ eine ganz andere Bedeutung gehabt als es heutzutage hat. Teilweise werden Wörter kreiert. Es gib auch immer das Wort des Jahres oder auch Jugendsprache und Jugendwörter. In der Linguistik oder wie ich es gelernt habe, gibt auch einen Unterschied zwischen beschreibender Grammatik und vorschreibender Grammatik. Man beschreibt einfach, wie sich die Leute und die Realität verändern. Das finde ich einfach noch einmal wichtig zu sagen. Wir leben immer noch in einer patriarchischen Gesellschaft, auch wenn sich da vieles verändert. Jetzt mit hoffentlich einer Frauenquote zum Beispiel in den Vorständen.
Aber es ist eben nicht die Realität und auch solche Sachen tragen dazu bei, dass sich eben Mädchen auch viel selbstverständlicher vorstellen können Ärzte und Anwälte zu werden. Da zählen natürlich auch noch mehr Einflüsse dazu als nur Wörter, die sie lesen. Man muss das natürlich auch in Bildern sehen und auch in Vorbildern. Das gibt es natürlich auch schon, es gibt natürlich jede Menge Anwältinnen und Ärztinnen. Das ist meine Meinung zu solchen Argumenten, die sich vor allem auf den Sprachstil und die schöne deutsche Sprache stürzt, die dabei verunreinigt wird. Es klingt für mich alles auch ein bisschen perfide, wenn man sich allein darauf stützt.
Louisa: Ich habe mal gelesen: „Wenn man Angst vor Veränderung hat, dann ist Zeit, dass sich was verändert“. Das ist wie du schon sagst: „Sprache bildet nicht nur Realität ab, sie bildet auch Realität“. Das ist eigentlich auch das Hauptargument, warum man Sprache verändern sollte. Dass sie einfach Sichtbarkeit und Inklusion schafft, respektvoll ist und Geschlechter gleichstellt. Was dann vor allem diese Gendergap oder Gendersternchen machen.
Miriam: Wir wollten jetzt konkret über den Einsatz der gendergerechten Sprache in der PR und im Marketing sprechen. Vielleicht kannst du erst einmal aus deiner eigenen Erfahrung erzählen, wie das mit deinen Kunden und Kundinnen ist. Als wir das jetzt für uns eingeführt haben, haben wir natürlich auch gesagt, das gehört jetzt dazu, bei jedem neuen Kunden und natürlich das auch bei den bestehenden Kunden anzusprechen. Wir können sie nicht dazu zwingen, aber schon irgendwie darauf hinwirken. Wie ist das denn bei deinen Kunden angekommen?
Louisa: Bei manchen Kunden, wo wir uns schon gedacht haben, dass es kein Problem sein wird, die waren total offen und die haben sich auch eigentlich total gefreut, dass wir das Anstoßen. Es hat ja auch einen Grund, dass jemand eine Agentur aus Berlin bucht, wo junge MitarbeiterInnen arbeiten. Die wollen dann natürlich auch moderne Anstöße von uns haben. Viele haben sich darüber gefreut und es war auch überhaupt kein Problem. Sie haben uns das auch einfach machen lassen, wie wir uns das vorgestellt haben.
Bei manchen ist es so, dass sie direkt gesagt haben: „Ne, das passt gar nicht oder es ist sehr schwierig“. Zum Beispiel, wenn sie eine zu 80-90% männliche Zielgruppe haben, dann sehen sie dieses Thema vielleicht auch eher negativ, dass ihre Zielgruppe das vielleicht auch negativ sehen könnte. Und da ist dann auch die Frage, wo dann dieses Zielgruppen-Targeting aufhört und wo das vielleicht sogar irgendwann, wenn es sich stärker etabliert, dann irgendwann nicht mehr politisch korrekt ist.
Es ist auch schwierig, ob man sagt: „Wir sind halt modern und machen das trotzdem und unsere Zielgruppe wird das vielleicht auch erlernen“ oder ob man sagt: „Nein, wir bleiben einfach dabei, wir wollen da nicht negativ aufstoßen“. Und dann gibt es natürlich auch die Kunden, die sagen: „Ah ja, das ist schwierig, manche finden es ganz toll und andere gar nicht“ und die sparen sich dann vielleicht lieber die Diskussion auch intern. Ich glaube vor allem bei denen ist es dann an uns auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich weiß nicht, wie du das siehst?
Miriam: Ich glaube, es ist wie bei vielen Dingen, wo man berät und wo sicherlich auch gerade in der Kommunikation es ein sehr emotionales Thema ist. Man spricht nicht nur über Fakten, dass „Wie“ entscheidet am Ende auch ganz viel über das Branding mit. Ich denke auch, es ist schon viel getan, einfach dass wir schon bei 60-70% unsere Kunden damit eine Veränderung bewirkt haben. Und die anderen 30-35% bekommen wir auch noch hin.
Es muss jetzt auch nicht erzwungen sein. Unsere Kunden müssen sich auch wohlfühlen. Ich denke, das ist schon ein Erfolg, dass man eben, was man vorher nicht gemacht hat, jetzt bei ganz vielen Unternehmen, in vielen Pressetexten und im Content Marketing macht. Man erreicht auch sehr, sehr viele Leute damit. Allein für unsere Kunden und deren Kunden wiederum, das ist schon viel. Das ist auch eine Frage für viele Bestandskunden, die wir hatten. Da etwas zu verändern ist natürlich eine andere Sache, als wenn du bei einem Neukunden Onboarding das sofort integrierst. Da ist einfach noch eine viel höhere Akzeptanz von vornherein da und auch der Spielraum, um zu diskutieren, als wenn du schon mitten im Prozess bist.
Louisa: Ja, deswegen find ich es auch für andere Agenturen so wichtig, dass man das einfach sieht. Man weiß schon als Agentur, dass in der Kommunikation oder auch bei größeren Sachen wie Kampagnen man einen enormen Einfluss auf gesellschaftliche Themen haben kann. Auch Themen auf eine Agenda zu setzen, dass man einfach sieht, dass eine Agentur dann schon 20, 30, 40, 50 Unternehmen irgendwie verändern kann und was das für eine enorme Wirkung hat, wenn das immer mehr Agenturen machen. Dass man sich auch dann mit den bestehenden Kunden vor diese Diskussion stellt. Und bei den Neukunden ist das relativ einfach. Wir sagen dann meist schon im Kick-off: „Wir machen das so, ist es okay für euch, wenn wir das machen? Wir würden euch das empfehlen“ und dann passt es eigentlich auch meistens.
Miriam: Du machst auch viel Content Marketing und Social Media für ein paar Lifestyle-Kunden von uns. Da machen wir das auch für die Kunden von uns und nutzen die gendergerechte Sprache. Hast du in der Community selbst schon mal Feedback dafür bekommen? Oder gemerkt, wie das aufgegriffen wurde? Oder war das jetzt vor allem bei uns selbst, bei unserer eigenen Darstellung von Mashup als ArbeitgeberIn?
Louisa: Auf Social Media haben wir da eigentlich noch gar keine Reaktion dazu bekommen. Ich glaube auf Social Media sind das viele mittlerweile einfach gewohnt, sodass es einfach normal ist. Und wir hatten da jetzt auch noch keine negativen oder positiven Reaktionen. Ich würde eher bei Themen, wo es stärker auffällt, wo es dann wirklich um Jobs oder sowas geht, wo es schon sehr tendiert ist, erwarten, dass viele das vielleicht negativ finden würden, wenn man es nicht macht. Es fängt bei so kleinen Sachen an wie bei einem Gewinnspiel, wenn man schreibt: „Der Gewinner wird benachrichtigt“. Das ist immer schon so: „Wir wissen noch nicht, ob es ein Gewinner oder Gewinnerin ist“. Vor allem bei so etwas achte ich immer sehr darauf, aber ich hatte jetzt noch nie irgendwie eine Reaktion darauf.
Miriam: Ich habe halt schon ab und zu, also jetzt gerade auf LinkedIn, wo die Diskussion auch schon mehr in Employer Branding und sehr in Richtung Marketing in meinem Netzwerk geht. Und ich merk das dann schon ab und zu in Kommentaren, wo es eigentlich gar nicht um das Thema geht, es gar nicht in dem Artikel oder dem Post um das Thema Sprache geht. Es geht vielleicht im weitesten Sinne um das Thema Employer Branding oder um einen Genderreport. Vielleicht auch generell um das Thema Gendergerechtigkeit oder Frauenquote und so weiter. Und da wird in dem Post ganz selbstverständlich gendergerechte Sprache verwendet. Und da gibt es dann immer ein oder zwei KommentatorInnen und da sind manchmal natürlich auch Frauen dabei, die sich dann darauf stürzen und sich dann darüber beschweren, irgendwelche Fantasie-Wörter dazu machen und das dann ins Absurde führen.
Deswegen ist das, finde ich, schon mal ein gutes Zeichen, dass es bei Lifestylethemen, in der allgemeinen Bevölkerung und zumindest bei der jungen Zielgruppe in sozialen Medien, dass es gar keinen Grund zum Aufstoßen gibt. Das ist eigentlich ganz einfach.
Louisa: Wir betreuen auch einen Kunden, wo auch zum Teil eine etwas ältere Zielgruppe dabei ist. Und da hätte ich manchmal gedacht, dass vielleicht so etwas kommen würde, aber irgendwie gar nicht. Also anscheinend ist das dann doch schon bei vielen irgendwie akzeptiert.
Miriam: Ja super! Ich denke, damit haben wir doch mal ein schönes Thema umrissen. Hast du sonst vielleicht noch einen Ausblick, wir haben jetzt fast das Ende dieses Jahres. Oder was denkst du könnte bei uns auch noch besser durchgängig kommuniziert werden, was gendergerechte Sprache angeht? Was sind so die Baustellen bei uns oder in der allgemeinen Öffentlichkeit, wenn wir uns auf das Beispiel von AlmdudlerIn zurückbesinnen.
Louisa: Es ist auf jeden Fall spannend, was für eine Form sich dann letztendlich etabliert. Ende letzten Jahres, wo wir das so entscheiden haben, hatte ich das Gefühl, dass das Binnen-I noch sehr etabliert war. Vor allem, weil wir es noch aus den Unis als Vorgabe kannten. Mittlerweile ist dieses Gendersternchen immer mehr im Kommen. Was man natürlich auch sagen muss, wenn man aus SEO-Sicht denkt, natürlich auch für Unternehmen vielleicht eine ganz sinnvolle Variante ist, weil ich glaube Google ist noch nicht so weit mit gendern. Bei uns im Unternehmen, finde ich, machen wir das eigentlich ganz gut, auch im sprachlichen Gebrauch, dass wir vor allem in Meetings darauf achten. Mit Sicherheit kann man das auch noch verbessern, wenn es dann in so kleinere Team-Meetings geht, wo jetzt niemand einen offiziellen Vortrag hält. Da verfällt man dann schon leicht immer wieder in alte Muster.
Miriam: Es ist auch alles eine Gewohnheitsfrage. Wie wir am Anfang auch gesagt haben, wenn man da jetzt anfängt den Zeigefinger zu erheben, dann beginnt man schon irgendwie zusammen zu diskutieren. Ich denke auch, es ist wichtig das intern zu leben und auch zu üben. Weil es tatsächlich eine Übungsfrage ist. Ich musste mich selber auch in einigen Interviews oder wir machen auch häufig Podcasts mit anderen Firmen als ModeratorInnen und GästInnen und wenn man dann nicht daran denkt, dann ist es halt schon ein bisschen peinlich. Deswegen finde ich es auch total wichtig sich selbst auch bei informellen Gesprächen oder auch in kleineren Diskussionsrunden ein bisschen darauf zu besinnen, das ein bisschen zu üben, damit es einfach total ins Blut übergeht.
Auf der anderen Seite ist auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Ich selbst denke, dass man in Organisationen, wenn man jetzt sowas beschreibt oder in sehr großen – gerade in der deutschen Sprache gibt es sehr lange zusammengesetzte – Wörtern sich da auch einfach abwechselt. Das ist auch total okay, wenn man innerhalb eines langen Textes zum Beispiel einfach auch da vielfältigere Beschreibungen nimmt. Und manchmal ist es das Maskulinum und manchmal das Femininum und dadurch hat man dann auch eine Gesamtrealität abgebildet.
Louisa: Und du sagst auch, wenn man es anfängt im privaten Bereich zu machen, dann wird es irgendwann so normal, man merkt es gar nicht mehr und dann fällt es andersrum eher negativ auf, wenn es jemand nicht macht. Aber ich find es auch nicht schlimm, wenn jemand spricht und es mal richtig und mal falsch macht. Dann ist es halt so.
Miriam: Ganz viele unserer befreundeten Agenturen machen das schon generell, aber wenn jemand irgendwie denkt: „Ah es ist mir zu aufwendig“. Es ist nicht so aufwendig, wenn man dazu steht, dass man das einfach mal so hinstellt. Dass man nicht den Anspruch hat seine komplette Agenturhistorie gendergerecht nachzuvollziehen. Und auch bei den Kunden peu á peu ein bisschen Aufklärungsarbeit zu leisten, das ist eigentlich total machbar. Dann gibt es irgendwann einen Effekt, weil es sich einfach über die Kunden, deren Kunden und größere Zielgruppen immer mehr verbreitert. Vielen, vielen Dank, dass du mitgemacht hast, Louisa. Danke, dass du mitgeholfen hast, das bei uns auch einzuführen und durchzusetzen. Und es durchzukämpfen trotz kritischer Stimmen oder Skepsis am Anfang. Gucken wir einmal, welches Thema wir uns nächstes Jahr auf die Fahne schreiben.
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