Gendergerechte Sprache im Agenturalltag: Warum alle gendern sollten
Wir tun es, viele unserer Kund:innen tun es bereits und wir denken, alle Unternehmen sollten es tun: Gendern! Doch nicht erst seit der gesetzlichen Einführung des dritten Geschlechts divers wird das kleine Sternchen besonders hitzig diskutiert. Gendergerechte Sprache heißt, alle Geschlechter bewusst mitzudenken und sie auch im alltäglichen Sprachgebrauch sichtbar zu machen. Eigentlich ganz einfach, doch auch bei uns im Team wirbelte die Diskussion einige Emotionen auf und spiegelte wider, was gerade auf Twitter und Co. rund ums Gendern so los ist. Für Einige sei es unnötig oder verhunze die Sprache, Andere übernehmen es gern, um (solidarisch) Haltung zu zeigen, wieder Andere fühlen sich von ersteren diskriminiert.
Mehr Einfluss als gedacht
Als Agentur pitchen wir täglich Themen bei Medien, gestalten Content auf Social Media oder verschaffen Kampagnen die nötige Aufmerksamkeit. Häufig ist der gesellschaftliche Impact der eigenen Arbeit nicht richtig bewusst – das beobachten wir auch mitunter bei uns im Team. Doch auch wer „nur“ auf Social Media postet oder Pressemitteilungen versendet, setzt aktiv Themen auf die Agenda von Redakteur:innen und den Menschen, die diese ganzen Inhalte konsumieren. Dabei ist jedoch nicht mehr nur wichtig, worüber wir sprechen, sondern auch wie. Wir haben uns Anfang letzten Jahres deshalb dazu entschieden, uns bewusster mit der eigenen Sprache auseinander zu setzen und damit auch Haltung zu zeigen. Wie wir sprechen, bildet nicht nur Realität ab, sondern schafft auch Realität und beeinflusst so unser Denken und Handeln.
„Unser Denken wird von Sprache stark beeinflusst. Dazu gibt es verschiedene Studien, zum Beispiel, indem man Assoziationen abfragt und die Zeit des Antwortens misst. Wenn man zum Beispiel fragt, ob für den Satz “Die Handwerker gehen gerade über den Hof” der Satz “Die Frauen sind durch den Regen ordentlich durchgenässt” eine sinnvolle Fortführung ist, dann dauert es deutlich länger, bis die Menschen auf “Ja” klicken.“ Tizia Macia, Mitgründerin von fairlanguage im news-aktuell Interview
Und sei ehrlich – wer ist hier in deinem Kopf gerade durchnässt über den Hof gelaufen und wo waren dabei die Handwerker?
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“: Das Team vom Gendern überzeugen
Aktuell machen viele Unternehmen lieber erstmal gar nichts – die Vorteile erscheinen zu klein, der Aufwand zu groß und die anstrengende Diskussion im Team schreckt zu sehr ab. Doch auch wer nichts tut, nimmt so bereits heute eine klare und damit konservative Haltung ein. Sich vermeintlich neutral zu verhalten, geht gerade bei jungen Zielgruppen, Mitarbeitenden oder Bewerber:innen nicht mehr. Bei uns im Team waren – wie Miriam sagte „sehr symptomatisch“ – vor allem die Cis-Männer schwer zu überzeugen, was zu sehr emotionalen Diskussionen geführt hat, die auch privat weitergingen. Mittlerweile sprechen sich jedoch einige genau dieser Kollegen selbst fürs Gendern auf Social Media aus. Das zeigt, wie wichtig es ist, diese Diskussion im Team auch zuzulassen, um wirklich einen Wandel herbeiführen zu können.
Sprachpolizei und Anderen den Mund verbieten?
Darum geht es natürlich nicht. Das Ziel sollte nicht sein, direkt alles perfekt umzusetzen und die Bloghistorie bis 2010 umzuschreiben. Es ist ein Prozess, den alle Schritt für Schritt erlernen müssen, und das darf man auch ganz transparent zeigen. So haben wir vorerst die Website und unsere internen Dokumente umgestellt und festgelegt, dass in gemeinsamen Meetings oder als Seminarleiter:in gendergerecht gesprochen wird. Dabei gilt es, Andere nicht auf Fehler hinzuweisen, sondern es gemeinsam einander vorzuleben, bis es ganz „normal“ geworden ist. Und dieser Prozess begrenzt so auch den Aufwand. Es muss nicht alles auf einmal passieren. Wie Tizia Macia von fairlanguage im newsaktuell Interview so treffend sagt: „Logisch, dass man anfangen möchte, wenn man erstmal verstanden hat, warum das so wichtig ist!“. Eine Guideline fürs Team ist natürlich dennoch sinnvoll, um gerade die geschriebene Sprache langfristig einheitlich zu gestalten.
Von Unternehmenswerten bis zur Zielgruppe: Kund:innen vom Gendern überzeugen
Manche Kund:innen sind schnell dabei, andere weniger. Unsere überzeugte vor allem, dass sie so ohne großen Mehraufwand Haltung bei ihrer Zielgruppe zeigen können. Viele wünschen sich doch auch genau solche Impulse von einer Agentur. Ich erinnere mich jedoch auch an ein Unternehmen, dessen Kund:innen zu 80-90 % männlich sind und sie somit davon ausgingen, dass Gendern erstmal nicht so gut ankommen würde. Dann muss man sich natürlich fragen: Wie weit will man als Marke gehen, um es seiner Zielgruppe Recht zu machen und stimmt das noch mit den eigenen Werten überein? Kann die eigene Community nicht auch etwas herausgefordert oder hier sogar etwas verändert werden? Und wo hört Zielgruppen-Targeting auf und fängt politische Inkorrektheit an?
Gendergerechte Sprache heißt, alle Geschlechter bewusst mitzudenken
Sprache verändert sich schnell und gendergerecht zu sprechen wird wenigstens in Unternehmensauftritten immer mehr zur Norm. Glaubwürdig bleibt es also nur, wenn man sich wirklich bewusst damit auseinandersetzt und die Veränderung im Unternehmen lebt. Wir hatten uns vor eineinhalb Jahren für das Binnen-I entschieden, um nun festzustellen, dass Gender-Sternchen und -Doppelpunkt besser geeignet sind. Jetzt stellen wir uns also – Schritt für Schritt – weiter um.
Du willst noch mehr zum Thema Gendern in unserer Agentur erfahren? Dann höre rein in die vierte Ausgabe unserer Agency Stories!
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