Auf Social Media ist alles möglich. Aus einem Hashtag kann eine Bewegung werden, die die Welt verändert, ein Rezept dich zum Kochbuchautor machen. Ob mit einem Meme oder einer Meinung: Wer hier das Richtige zum richtigen Zeitpunkt sagt, macht und teilt, kann alles erreichen – auch der oder die neue Kanzler:in der Bundesrepublik Deutschland werden? Das zeigt der Social-Media-Report zur Bundestagswahl 2021.
Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet – eine:r dieser drei Politiker:innen wird im Herbst diesen Jahres wahrscheinlich in Angela Merkels Fußstapfen treten. Ihre jeweiligen Parteien konnten sie für sich gewinnen, nun müssen sie uns überzeugen. Dabei stehen ihnen zahlreiche Tools zur Verfügung, von denen Merkel vor 16 Jahren noch nie gehört hatte – weil es sie noch nicht gab. Facebook, Twitter, Instagram & Co. haben den Kanzlerkandidat:innen von heute eine neue Brücke zu ihren potenziellen Wähler:innen gebaut. Wie gut nutzen sie diese aber eigentlich? Wer von den Dreien hat verstanden, dass jede Brücke zu einem anderen Publikum führt? Welche Themen laufen auf welchen Kanälen und wie sehen die Reaktionen der Community aus?
Auf Social Media ist alles möglich – was machen die drei wichtigsten Politiker:innen unseres Landes daraus? Lest es im Social-Media-Report zur Bundestagswahl 2021.
Im Rahmen des Reports haben wir die Social-Media-Accounts der Kanzlerkandidat:innen der Bundestagswahl 2021 genau unter die Lupe genommen. Dabei wird schnell klar: Auf YouTube, TikTok, Snapchat oder Pinterest ist an politischer Spitze wenig bis gar nichts los. Instagram, Facebook und Twitter hingegen werden immer wichtiger und täglich für politische Botschaften, persönliche Meinungen, private Einblicke oder die ganz großen Wahlversprechen genutzt. Untersuchungszeitraum war der gesamte Monat Mai im Jahr 2021. Sowohl Postings, Storys, (Re-)Tweets, Videos als auch Live-Formate wurden ausgewertet. So sind die Profile der möglichen Kanzler:innen auf diesen drei Kanälen Teil der Analyse.
Live-Stories, Reels oder doch lieber nur Postings? Wie nutzt die deutsche Spitzenpolitik Instagram und welche Themen sind hier wirklich wichtig?
Jede Plattform steht für andere Formate und ihre eigene Zielgruppe – spiegelt sich das in der Kommunikation von Baerbock, Scholz und Laschet auf Facebook wider? Worüber wird gesprochen und mit welchen Emojis reagieren die Follower:innen darauf?
Heiß diskutiert?! Wie erfolgreich und mit welchen Themen holen die Amtsanwärter:innen ihre Zielgruppe mit 280 Zeichen auf Twitter ab? Dabei ist auch von Interesse, wer nur retweetet und wo auch selbst regelmäßig gezwitschert wird.
Als Kanzlerkandidat:innen gehen in diesem Wahljahr 2021 Annalena Baerbock für Die Grünen, Olaf Scholz für die SPD und Armin Laschet für die CDU an den Start. Wer zumindest auf Social Media die beste Figur macht, die Bandbreite an Möglichkeiten des digitalen Wahlkampfes voll ausschöpft, mit der Community ins Gespräch kommt und worüber eigentlich gesprochen wird, zeigt der Social-Media-Report 2021.
Analysegrundlage des Reports sind die offiziellen Social-Media-Accounts der drei Kanzlerkandidat:innen für die Bundestagswahl 2021. Die Postings, Storys und Tweets von Annalena Baerbock (Die Grünen), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) wurden auf Instagram, Facebook und Twitter anhand folgender Kriterien analysiert:
Die Anzahl der Abonnent:innen von Baerbock, Laschet und Scholz wurden am 01. Mai und am 31. Mai 2021 auf den Kanälen Instagram, Facebook und Twitter festgehalten und miteinander verglichen.
Der Durchschnitt aller Kommentare pro Posting wurde vermerkt. Beiträge, bei denen das Engagement sehr stark über der Norm lag, wurden gesondert berücksichtigt. Reagierten die Politiker:innen auf einen Kommentar? Riefen sie zur Meinungsäußerung auf? Ging es ihnen um die Äußerung von Kritik oder um Eigenlob? Aspekte, die in dieser Kategorie ausgewertet wurden.
Die Analyse befasste sich mit den thematischen Inhalten der Postings während des Analysezeitraums. Welche politischen Angelegenheiten haben die Kandidat:innen unter ihren Beiträgen oder in ihren Storys angesprochen? Wie stark wurde auf das Wahlprogramm oder auf Parteikampagnen Bezug genommen?
Welche Worte nutzten die drei auf Instagram am häufigsten? Über welche Themen sprachen sie am meisten auf Facebook? Was sind die Top-Ausdrücke ihrer Tweets? Das jeweils am häufigsten verwendete Substantiv, Verb und Adjektiv aller drei Spitzenkandidat:innen wurde hier herausgestellt.
Die Vielfalt an unterschiedlichen Formaten auf den Kanälen ist groß. Doch welche der Möglichkeiten wurden genutzt? Kamen IGTVs, Reels, Instagram-Lives oder -Storys zum Einsatz? Nutzten Baerbock, Scholz und Laschet auch die Facebook-Story-Funktion oder gingen sie live? Wie häufig retweeteten sie Links oder formulierten sie eigene Kurzbotschaften? Welche Hashtags fanden Beachtung?
Teil der Analyse sollte auch der Einsatz von Selfies und die persönlichen Einblicke in den Alltag der Kanzlerkandidat:innen sein. So ergab sich jedoch, dass keiner der drei Politiker:innen diese Einsichten gewährte.
Meist genutzt und zeitsparender sind Postings und Storys bei Instagram und Facebook. Doch darüber hinaus sind viele weitere Formate möglich, um der Community Inhalte zu präsentieren. Erstaunlich ist daher, dass die drei Politiker:innen diese kaum bis gar nicht nutzen. Weder Takeover noch Reels oder Guides werden der Community präsentiert. Lediglich die SPD und die Grünen posten im Mai 2021 jeweils ein IGTV. Herr Scholz zeigt darin einen Ausschnitt von einer Bekanntgabe in einer deutschen Innenstadt, wo er über das Pflege-Tariftreue-Gesetz spricht. Frau Baerbock publiziert hingegen einen Ausschnitt aus einer Fernsehdiskussion beim WDR-Europaforum, in der sie zum Thema Klimaneutralität spricht.
Die Auswertung der Häufigkeit der genutzten Content-Formate zeigt außerdem, dass sich die Beiträge auf Instagram und Facebook kaum bis gar nicht unterscheiden. Ähnlich wie bei vielen Unternehmensaccounts werden Fotos und Videos gleichzeitig auf den beiden Plattformen gepostet: zwei Fliegen mit einer Klappe.
Dass Bild- und Videomaterial besonders gern gesehen sind, wurde von allen dreien erkannt. So kommen reine Textpostings auf Facebook nur selten zum Einsatz und auch Statements als Bildbeiträge kommen nur gelegentlich und fast ausschließlich bei Armin Laschet und Olaf Scholz vor. Andere Kanäle wie Snapchat, Clubhouse, TikTok oder YouTube werden gar nicht bespielt, wie der Social-Media-Report zur Bundestagswahl 2021 zeigt.
Die Frage ist einfach: Welche Worte verwenden unsere Kanzlerkandidat:innen am häufigsten? Abseits der Wahlprogramme, ohne den Interviewleitfaden einer Redaktion – welche Substantive, Adjektive und Verben lesen die Abonnent:innen von Baerbock, Scholz und Laschet am meisten? Und: Unterscheiden sich diese von Plattform zu Plattform?
So einfach die Frage, so interessant die Resultate. Von absoluten Politik-Evergreens, ohne die keine Wahl je über die Bühne ging, brisantesten Themen unserer Gegenwart, bis hin zur großen Überraschung – das sind die Ergebnisse:
Die Auswertungen zeigen, dass sich die Themenwelten, in denen sich unsere Kanzlerkandidat:innen bewegen, viele Gemeinsamkeiten haben. Aber auch, dass es Unterschiede gibt. Auf Twitter werden die Themen tendenziell spezifischer, auf Instagram geht es um das große Ganze. Die Auswertung zeigt auch, dass das Thema Klimaschutz bei allen Parteien in den Fokus gerückt ist. Wenn dieser nur von allen gemeinsam vorangetrieben wird, geraten die Posts der potenziellen Machtinhaber:innen doch fast in den Hintergrund.
Zum Start unserer Analyse Anfang Mai nahmen wir zunächst die Anzahl der Follower:innen auf Facebook genauer unter die Lupe. Olaf Scholz und Armin Laschet lagen in etwa gleichauf: Laschet hatte ca. 34.000 und Scholz ca. 34.900 Follower:innen. Klare Favoritin ist Annalena Baerbock mit 58.000 Anhänger:innen.
Ende Mai gab es hier einen großen Sprung. Während Armin Laschet einen Zuwachs von 500 und Olaf Scholz 1.000 Fans verzeichneten, gewann Annalena Baerbock 5.000 Follower:innen im Mai dazu. Die Kanzlerkandidatin der Grünen hat auch durchschnittlich die meisten Kommentare pro Facebook-Post: Wo bei Armin Laschet der Durchschnitt 154 und Olaf Scholz bei knapp 71 liegt, hat Annalena Baerbock mit einem Durchschnitt von 1.847 die Nase vorn bei Reaktionen aus der Community.
Obwohl die Grünen-Politikerin zwar fast doppelt so viele Follower:innen hat wie ihre Mitstreiter, ist die Anzahl der Kommentare im Vergleich dennoch unverhältnismäßig viel höher. Sie ist auch die einzige der drei Kandidat:innen, die die Kommentarfunktion bei Instagram zurzeit eingeschränkt hat, weshalb nur noch wenige Antworten von ihrer Community zugelassen und sichtbar sind.
Der Report zeigt: Für einen erfolgreichen Social-Media-Auftritt der Kanzlerkandidat:innen gibt es noch mehr Potenziale auszuschöpfen. Neben der Verwendung von weiteren Kanälen und vielseitigeren Formaten der schon genutzten, könnte und sollte vermehrt Storytelling eingesetzt werden. Um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen und von sich zu überzeugen, empfehlen wir Politiker:innen sich von Zeit zu Zeit auch von ihrer persönlichen Seite zu zeigen. So können sie volksnah auftreten und eine Verbindung zur vor allem jungen Wählerschaft aufbauen.
Ein kontinuierlicher Austausch wäre dabei sinnvoll. Auch wenn Diskussionen über Kommentarspalten müßig und bedauerlicherweise selten konstruktiv oder zielführend sind, wären Instagram-Lives denkbar, in denen Fragen aus der Community beantwortet werden. So entsteht eine Art Gesprächscharakter und es findet eine Interaktion statt, die sich nicht nur positiv auf die Algorithmen der sozialen Plattformen auswirken. Sie bedeuten auch einen sympathischen Effekt auf die Follower:innen, die sich so gehört und ihre Bedürfnisse gesehen fühlen.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die letzten Wochen vor der Bundestagswahl im September entwickeln und inwieweit die Kandidat:innen noch einmal alle zur Verfügung stehenden Kanäle nutzen, um ihre Ziele zu verbreiten und die Stimmen der Bevölkerung vorerst bei Facebook, Instagram und Twitter für sich zu gewinnen.
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