Silvester 2019 schrieben meine Familie und ich unsere Zukunftspläne auf Zettel, weil meine kleine Nichte darauf bestand und keinem von uns ein wirkliches Gegenargument dazu einfiel. Dabei ließ ich mich etwas hinreißen und sah das kommende Jahr schon vor mir: Beruflich, privat, künstlerisch, Weltherrschaft – Ach, was würde ich durchstarten! Aber drei Monate später war das alles vorbei.
Das Corona-Virus suchte die Welt heim und Milliarden Zukunftspläne wurden alle gleichzeitig verworfen.
Dieses Gefühl war mir komplett neu. Klar, manchmal verlaufen Pläne nicht so, wie sie sollen. Aber nun hatte mir eine Situation das komplette Drehbuch meines Lebens entrissen und schrieb es für mich weiter. Es füllte alle Seiten uninspiriert mit den immer gleichen Abläufen: Aufstehen, beschäftigen, in Sicherheit bleiben, schlafen. Ich fühlte mich ohnmächtig und beneidete mein anderes Ich, das in einer Paralleldimension ohne Corona sicher bereits den Nobelpreis abgestaubt hatte.
Seit jeher geben mir Geschichten Mut und Kraft, Orientierung und Ratschläge. Nur hatten die Kunst, Netflix und Gaming in dieser Zeit kaum Geschichten auf Lager, die sich sinnvoll auf die Pandemie anwenden ließen. Ich war schließlich kein Superheld und mein „Gegner“ ließ sich auch nicht einfach mit Thanos‘ Handschuh wegschnipsen. Aber genau das war auch mein Problem, wie ich später verstehen musste:
Unsere Lieblingsgeschichten denken zu oft in Schubladen, wie „Sieg“ und „Niederlage“ – und die Pandemie ist keine Geschichte, die damit endet, dass wir uns nach einer letzten Schlacht die alte Welt zurückholen.
So, wie wir sie kannten, ist sie für immer verloren, aber …
… das einzusehen, ließ mich auch eine neue Welt mit anderen Möglichkeiten und Faktoren wahrnehmen, mit der sich komplett frische Pläne umsetzen ließen. Um nur ein paar Beispiele aus meinem Leben zu nennen: Die Universitäten setzten aufgrund der Kontaktbeschränkungen verstärkt auf digitale Lehre und konnten somit die hohen Fahrt- und Unterbringungskosten für Dozentinnen einsparen, was die Hürden für Einsteiger wie mich deutlich senkte. Die Gamingbranche, für die ich journalistisch tätig bin, hatte durch die Pandemie zwar Jahre an Geschwindigkeit und Fortschritt verloren. Aber nun konnten wir die wiedergewonnenen Kapazitäten dazu einsetzen, uns wieder stärker den Geschichten der User:innen zu widmen und viele neue Infotainment-Formate zu kreieren. Diese Beispiele haben mich darin bestärkt, viel flexibler und offener zu handeln.
Wenn ich auf meine Herausforderungen in den beiden Pandemiejahren und meinen Umgang mit diesen zurückblicke, könnte meine Leitfrage gelautet haben: In welcher Art von Geschichte komme ich gerade vor und welche Figur SOLLTE ich darin spielen? Und das „Spielen“ nehme ich als leidenschaftlicher Gamer wortwörtlich. So wie es im Storytelling die Mentor-Typen gibt, gibt es im Videospielbereich die verschiedenen Spielertypen, die der Forscher Richard Bartle 1996 in seiner Taxonomie zusammenfasste und die Nick Yee später um Motivationen erweiterte.
Worauf ich hinaus will: Die Pandemie-Jahre haben mich dazu bewegt, gewissermaßen meinen Spielertyp / meine Spielermotivation zu wechseln: vom Träumer zum Strategen.
Weil er den nötigen pragmatischen Optimismus mitbringt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Weil er die Situation auf alle Möglichkeiten hin analysiert und anhand dieser realistische Ziele festsetzt, ohne sich dabei von Emotionen überrumpeln zu lassen. Was nicht heißen soll, dass der Stratege nicht weiterhin den Rat und die Fantasien des Träumers miteinbezieht.
Ich weiß sicher, dass ich Silvester 2021 wieder Pläne auf einen Zettel schreiben werde – aber mit dem vorausschauenden Hintergedanken, dass sie am nächsten Tag verworfen werden und durch bessere ersetzt werden können.
Wie meine Kollegin Stefanie hingegen ihren persönlichen Motivation Code (auch ohne Dan Brown) entschlüsselte und was hinter ihrem Claim „Empathy for Everyone“ steht , darüber gibt sie hier Einblick in ihrem Blogpost.
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