Wir schreiben das Jahr 2020. Es ist Dezember, wir sind müde und ausgelaugt, der Rücken tut weh vom schlechten Stuhl im Homeoffice, wir vermissen Austausch, Kolleg:innen und Normalität. Wie wohl für die gesamte Welt, war das Jahr auch im ganz kleinen Agenturalltag ein sehr forderndes mit vielen neuen Herausforderungen, doppelten und dreifachen Belastungen. Und so kam es nicht von ungefähr, dass Miriam in ihrer jährlichen Rede bei der digitalen Weihnachtsfeier, die Marschrichtung für 2021 ganz klar auf ein Thema fokussierte: Gesundheit als KPI.
Doch was hieß das für jeden ganz persönlich? Wie konnten wir als Arbeitgeberin unseren Teil dazu leisten, dass jeder und jede Kolleg:in mit mehr Kraft ins neue Jahr starten und bestmöglich auf sich achten konnte? Es begann ein gemeinsamer Prozess, der uns in puncto New Work in Siebenmeilenstiefeln vorangebracht hat, hin zu einer Arbeitswelt, die die Bedürfnisse jedes und jeder einzelnen noch weiter in den Mittelpunkt stellt. Ein kleines Resümee.
Wie so oft bei großen Reisen, begann auch unsere Odysee mit einem Traum. Oder besser vielen kleinen Träumen. In einer anonymen Umfrage waren alle Mashies aufgerufen, ihre Arbeits-Utopie zu beschreiben und frei von der Leber weg ihren Traumalltag auszumalen.
Wenn du deinen Arbeitstag komplett ohne physische, zeitliche, soziale, inhaltliche, etc. Beschränkungen / Annahmen / Regeln gestalten könntest, wie sähe dieser dann aus?
Heraus kam ein bunter Mix an Bedürfnissen und Wünschen. Da träumte jemand von einer morgendlichen Yoga-Session, ein:e andere:r sehnte sich nach Mittagessen mit den Kolleg:innen und spazieren an der frischen Luft. Und wieder ein:e Mashie wollte eigentlich nur noch am Strand leben. Mal sollte die Arbeit möglichst früh beginnen, manch anderer wollte erst in den Nachmittagsstunden so richtig kreativ werden.
Neben diesen sehr individuellen Tagesabläufen und Vorstellungen, zeigten sich dabei aber auch viele ganz konkrete Visionen, wie selbstbestimmtes, zeitlich und örtlich freies Arbeiten, bessere Feedbackkultur, mehr Motivation für persönliches Wachstum oder mehr Verantwortung als Agentur für Themen wie Mental Health oder Nachhaltigkeit. Wie bringt man jetzt aber all diese teils sehr persönlichen Wünsche zusammen und formt daraus ganz praktische Strukturen und Lösungen für uns als Team?
Für uns war sofort klar und völlig selbstverständlich: Solche grundlegenden Entscheidungen zur Zukunft des gemeinsamen Arbeitens dürfen nicht von oben herab getroffen werden. Eine Agentur ist (zumindest für uns) schließlich keine Maschine, sondern eher ein lebender Organismus, der nur durch all seine Einzelteile wachsen und gedeihen kann. Also wurde unser digitales Whiteboard 2021 kurzerhand zum New Work-Diskussionsring. Wichtigste Orientierungshilfe dabei: unsere Mashup Werte.
Um die Hemmschwelle für Kommentare und Meinungen so klein wie möglich zu halten, behielten wir den Deckmantel der Anonymität zunächst bei. Sortiert nach unseren sieben Unternehmenswerten, durfte sich im ersten Schritt jede:r austoben. Das hieß zum Beispiel Wünsche und Anregungen aus der Umfrage über Emojis unterstützen oder in Frage stellen und weitere Ideen in den Ring werfen. Alle Ansichten waren erlaubt, alle Einstellungen und Bedürfnisse gleich wertig.
Dabei zeigte sich schnell, in welchen Bereichen es die meisten Ideen, also scheinbar die größten Wünsche nach Veränderung, aber auch das größte Diskussionspotenzial zu geben scheint. Mit dem Mural füllte sich so auch die Liste an Themen, die wir im nächsten Schritt zur Debatte stellten.
Damit wir uns dabei aber nicht verzetteln und am Ende in feinster Marktplatzmanier alle durcheinander schreien und gar nichts entschieden kriegen, hieß es erstmal, Vorschläge zur Abstimmung erarbeiten. Jede:r war also gefordert, weiterhin anonym, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. Alle anderen durften dann widersprechen, aber nicht, ohne einen entsprechenden Gegenvorschlag zu machen. Man soll die Trolle schließlich nicht füttern, oder netter gesagt: Meckern ist einfach, bringt uns aber allein nicht weiter 😉
Mit jeder Session erarbeiteten wir so verbindlich entsprechende Veränderungen. Mal nur ein scheinbar kleiner Kniff, der das Miteinander aber enorm verbessert, mal eine riesige Anpassung, die unsere komplette Arbeitsweise auf den Kopf stellt.
Was haben wir nun aber letztlich alles geschafft und entschieden? Eine kleine Übersicht:
Teamwork & Talente
In puncto Miteinander war es vor allem die Wertschätzung, wo es laut Team definitiv noch Luft nach oben gab. So geht es bei der Bewertung jeder Aufgabe eben nicht nur darum, mit konstruktiver Kritik die noch fehlenden 20 Prozent zu optimieren, sondern – vielleicht noch wichtiger – die bereits großartigen 80 Prozent auch aktiv zu würdigen. Zu diesem Zweck haben wir gemeinsam neue Formate entwickelt, um uns noch mehr zu feiern und schamlos hochleben zu lassen. Ehre, wem Ehre gebührt!
Im Karma-Frühstück regnet es seither zum Beispiel einmal im Monat ehrliches und persönliches Lob – wohliges Gefühl im Bauch und liebevoll gerötetes Antlitz inklusive. Aber auch im täglichen Miteinander versuchen wir für mehr Wertschätzung zu sensibilisieren. Als kleiner Reminder, mit Schulterklopfern und Dank nie hinterm Berg zu halten, flattert deshalb immer zum „Warmduscher-Donnerstag“ die Einladung zur Karma-Dusche ins Postfach des Teams. Liebe Worte verteilen ist also stets maximal einen Klick entfernt.
Ehrlichkeit & Empathie
Aber was, wenn es mal knallt? Auch für diesen – ehrlicherweise eher seltenen Fall bei uns – haben wir ein paar Optimierungen gefunden, damit Konflikte nicht zur Belastung werden. Wichtigstes Thema dabei: Gewaltfreie Kommunikation. Da wir sie im Ernstfall brauchen, dieser aber so selten eintritt und deshalb schlicht die Übung fehlt, trainieren wir sie jetzt regelmäßig in unserem Kreativmeeting sowie einmal pro Jahr auch mit externer Unterstützung.
Und wenn die Hürde, ein Problem direkt mit dem oder der Konfliktpartner:in anzusprechen, zu groß ist? Anstatt einen anonymen Kummerkasten, der uns am Ende alle runterzieht, haben wir hier einen persönlichen Weg gewählt: Nach einer Schulung in Mediation bin ich intern neutrale Ansprechpartnerin.
Gleichzeitig hole ich frische Mashies durch unsere neuen Onboarding-Strukturen von Beginn an sorgfältig ab und versuche auch hier, alle Stolpersteine möglichst zu beseitigen, bevor sie unbemerkt Findlinge werden.
Optimismus & Begeisterung
Interessanterweise stand für diesen Wert vor allem das körperliche Wohlbefinden im Fokus. Zahlreiche Mashies wünschten sich mehr Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen. Wohl auch bedingt durch fast zwölf Monate, in denen die Maximaldistanz eines Tages öfter als uns lieb war lediglich die zwischen Bett und Schreibtisch blieb… Da gab es wenig zu diskutieren, wir haben unsere Benefits kurzerhand um ein Fitnessangebot ergänzt.
Damit auch der Homeoffice-geplagte Rücken dabei nicht zu kurz kommt, haben wir außerdem direkt noch ein Budget für ein Upgrade des heimischen Büros beschlossen, mit dem die eigene Ausstattung flexibel und hoffentlich ergonomisch aufgestockt werden kann.
Flexibilität & Unabhängigkeit
Last but not least: Das absolute und unangefochtene Schwergewicht in puncto Neuerungen 2021 – Flexibilität und Unabhängigkeit! Ein Wert, den wir zwar durch Workation- und Homeoffice-Möglichkeiten schon immer gelebt, aber auch für uns selbst stets als „aspirational“, also mit Luft nach oben, definiert haben. Nachdem Corona die Welt, aber eben auch die Arbeit, auf den Kopf gestellt hat, war für uns alle klar: Es geht nicht nur darum, von wo aus wir arbeiten, sondern vor allem auch darum, wann und wie. Feste Strukturen und Kernarbeitszeit (wenn auch Gleitzeit) fühlten sich nicht mehr zeitgemäß an, nicht mehr genug, um wirklich allen Bedürfnissen und Arbeitstypen gerecht zu werden.
Also stellten wir komplett flexible Arbeitszeiten in den Raum und gestalteten gemeinsam, wie das Modell für uns aussehen sollte. Dazu mussten wir erst einige Rahmenbedingungen festlegen: Woher wissen die Kolleg:innen, wann man verfügbar ist? Wie sorgen wir dafür, dass niemand in eine Always-On-Mentalität verfällt? Wie stellen wir trotzdem die Verfügbarkeit für Kund:innen sicher? Ebenfalls eine wichtige Folgefrage, gerade nach einem Jahr, das wir quasi komplett mit Remote Work verbracht haben: Kommen wir überhaupt wieder ins Büro oder kann auch hier jede:r frei entscheiden?
Die wohl größte Überraschung stellte für mich dann die letzte große Anpassung fürs neue Jahr dar: Vertrauensurlaub, sprich, jede:r Mitarbeiter:in kann sich Auszeiten so nehmen, wie er oder sie sie braucht – ohne Tage zählen, ohne durchquälen, obwohl Körper oder Geist nach Pause schreien. Ein Traum, oder? Als Teil des „Regie-Teams“ wusste ich im Voraus, dass Nora und Miriam uns diese Freiheit einräumen würden und freute mich insgeheim schon drauf, im neuen Jahr ganz flexibel Urlaub zu planen. Doch dann kam die Abstimmung mit dem Team und tatsächlich brauchte es etwas Überzeugung und Diskussion ehe alle Kolleg:innen der Idee Vertrauen schenkten.
Auch daran zeigt sich wieder, dass New Work ein Prozess ist, es braucht Zeit und Gespräche, um den Mindset jedes und jeder einzelnen auf die eigenen Bedürfnisse zu fokussieren. Viel zu sehr sind wir darauf trainiert, immer auch den Vergleich zu anderen zu suchen, dabei geht es doch im Kern darum, ganz individuell gesünder und produktiver zu arbeiten. Nachdem wir die entsprechenden Voraussetzungen jedoch festgezurrt haben, können die freien Tage kommen!
Jetzt stehen wir am Anfang des Jahres 2022, es liegen weitere anstrengende zwölf Monate hinter uns, aber ich finde, wir können stolz auf uns sein. Sind wir jetzt wirklich gesünder? Wahrscheinlich (noch) nicht. Haben wir aber alle Chancen, auf uns zu hören und unsere Arbeit den individuellen Bedürfnissen anzupassen? Ich würde sagen, der Grundstein ist gelegt!
Bisher werden gerade die strukturellen Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeit eher zögerlich genutzt. Die meisten Mashies bleiben beispielsweise bei einer eher traditionellen Zeiteinteilung, es nimmt sich selten jemand lange Phasen des Tages „frei“ und es flattern eher auch keine Mails nachts oder am Wochenende in den Posteingang. Aber die Entscheidung liegt bei ihnen und darauf kommt es meiner Meinung nach an. Zumindest haben wir uns alle besser im Blick, achten auf uns, aber auch aufeinander.
Ich freue mich auf 2022 und lasse mich überraschen, welche Neuerungen und kleine und große Stellschrauben wir als nächstes einführen. Gemeinsam versteht sich.
Übrigens, vielleicht auch passend zum Thema New Work: 2021 ist auch unsere Initiative Fairgency an den Start gegangen, schaut doch mal vorbei!
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