Unsere Serie „Planet Storytelling“ führte uns bisher rund um die Welt und wieder zurück. Die Mashies haben von Dubai über Japan, die USA, Indien und Island berichtet. Der Name des Projektes „Planet Storytelling“ macht seinem Namen alle Ehre. Doch warum nur Geschichten aus weiter Ferne erzählen, wenn auch bei uns in Deutschland zahlreiche Sagen und Legenden über bekannte Orte und Begebenheiten zu hören sind. Viele sind so nah und doch so unbekannt – wir erzählen einige von Nord nach Süd.
In Norddeutschland sind neben den leicht bewachsenen Stranddünen, den Deichen und schroffen Klippen, die kleinen Häuschen mit Reetdächern charakteristisch für diesen Landstrich. Viele der wunderschönen Hansestädte, wie Bremen, Stralsund, Hamburg, Rostock oder Lübeck, befinden sich an Nord- und Ostsee. Die deutsche Hanse existierte von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie bezeichnet den Zusammenschluss der deutschen Hafenstädte. Ihr Ziel war die sichere Überfahrt von Handelsschiffen und die Vertretung wirtschaftlicher Interessen. Dadurch erlangten sie großen Reichtum und Einfluss in die Politik und das öffentliche Leben. Vom 2. Weltkrieg nicht ganz verschont geblieben, können Besucher:innen noch immer die einstige Pracht und den Reichtum der Städte und ihrer Kaufleute erahnen.
Wo Häfen und Schiffe nicht weit sind, hört man auch allerlei Seemannsgarn. Stets undurchsichtig irgendwo zwischen Wahrheit und Fantasie, aber glaubhaft erzählt. Geschichten von Riesenkraken und Meerjungfrauen sind allseits bekannt. Jedoch gibt es auch andere Wesen, die Seemänner auf ihren langen Reisen durch die Meere dieser Welt begleitet haben sollen.
Seit den Geschichten von Meister Eder und seinem Pumuckl kennt fast jedes Kind neckische Kobolde. Auf hoher See waren es Klabautermänner, die ihr Unwesen trieben. Jedoch spielten sie nicht nur kleine Streiche und machten Lärm, sondern kündigten auch Gefahren wie Stürme und anderes Unheil an. In manchen Geschichten heißt es, der Klabautermann verlässt das Schiff erst, wenn es untergeht.
Es gibt außerdem die berühmte Legende vom Kapitän und Freibeuter Klaus Störtebecker. Nach seiner Gefangennahme und vor seiner Hinrichtung hatte der Seeräuber mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Kersten Miles einen Handel geschlossen: Der Henker sollte diejenigen aus einem Spalier der Piraten verschonen, an denen der Enthauptete noch vorbeilaufen konnte. Buchstäblich kopflos sei Störtebeker an elf seiner Männer vorbeimarschiert bis er schließlich tot zusammenbrach. Ihr Leben konnte er angeblich trotzdem nicht retten, weil Miles sein Wort nicht hielt und sie ebenfalls hinrichtete.
Eine schöne Anekdote lässt sich vom Kölner Dom erzählen: Bemerkenswerte 632 Jahre vergingen von der Grundsteinlegung bis zum Ende des Baus im Jahr 1880.
Einer der Gründe für die lange Bauzeit geht auf folgende Geschichte zurück: Einst war der Teufel der Meinung, Köln hätte bereits genug Gotteshäuser und Kapellen. Warum bauten die Kölner also noch einen Dom? Und dann so einen riesigen? Kurzerhand zeigte sich der Teufel in Menschengestalt und forderte den Baumeister des Doms zu einer Wette auf: Er wollte einen Kanal von Trier nach Köln bauen, der Wasser oder Moselwein transportieren konnte. Wer zuletzt fertig war, musste sein Bauwerk stehen lassen und den Hammer beiseitelegen.
Der Baumeister nahm die Wette an und machte sich ans Werk. Hoch und höher wurde sein Bauwerk. Doch nah und näher wuchsen von Trier auch die Pfeiler eines gewaltigen Aquädukts. Ein wahres Teufelswerk! Als der Kanal bis an den Dom herangerückt und seine Niederlage gewiss war, stürzte sich der Baumeister von seinem Baugerüst in die Tiefe. Der Dom konnte nicht vollendet werden. Die Wasserleitung brach irgendwann durch die mächtige Hand der Zeit.
Als Siegeszeichen warf der Teufel einen Stein durch das Dach der Heiligen Dreikönigskapelle. Dort liegt er noch heute mit seinen sich darauf abzeichnenden Krallen. Um den „Teufelsstein“ ranken sich unzählige Sagen und Legenden. In einer Sache sind die Kölner sich jedoch einig: Den Stein hat der Teufel geworfen!
Im Osten von Deutschland sind neben vielfältigen Landschaften, wie der Mecklenburger Seenplatte oder der Sächsischen Schweiz, ebenfalls zahlreiche Geschichten zu finden. Vor allem die deutsche Hauptstadt hat viel zu erzählen, schließlich ist sie seit jeher ein Schmelztiegel der Kreativität und Kunst.
In Berlin existiert die wahre Geschichte von der bekannten Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Als der französische Kaiser Napoleon nach dem Sieg über die preußische Armee 1806 nach Berlin kam, gefiel ihm die Siegesgöttin so gut, dass er befahl, sie herunterzuholen und in den Pariser Louvre zu schaffen. Die Besiegten waren tief gedemütigt. Acht Jahre danach, gewannen die Preußen die „Befreiungskriege“ und marschierten 1814 in die französische Hauptstadt ein. Sie nahmen die Figur wieder an sich. Der preußische Generalfeldmarschall Fürst Blücher, ließ sie wieder an ihren alten Platz bringen. Früher hatte der Wagen der Siegesgöttin so gestanden, dass sie der Stadt den Rücken kehrte. Dies sollte nie wieder geschehen und so entschied der General, die Statue andersrum aufzustellen.
Der Süden Deutschlands gilt bei vielen ausländischen Tourist:innen als eigentliches Deutschland: Alte Schlösser und Städte, zünftiges Essen und gutes Bier.
Im Erzkatholischen Süden genießt die sonntägliche Ruhe höchste Priorität. Eine Sage rankt sich um eine Spinnerin, die dennoch jeden Sonntag ihr Spinnrad kreisen ließ und sich nicht um den heiligen Tag scherte. Auch ihre Mägde zwang sie zur Arbeit. Einmal fingen ihre Spinnrocken, das sind die Holzstäbe, auf denen die Fasern aufgewickelt waren, aus dem Nichts Feuer. Die Frau ließ sich davon nicht beeindrucken, löschte den Brand und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Den folgenden Sonntag fing sie wieder an. Daraufhin ging ihr ganzes Haus in Flammen auf und sie verbrannte mitsamt ihren Kindern. Nur durch Gottes Gnade blieb das kleinste Kind in seiner Wiege vom Feuer verschont.
Geschichten aus Deutschland gibt es abertausende. Einige, wie beispielsweise vom Rattenfänger von Hameln, kennt jedes Kind. Andere sind der Allgemeinheit unbekannt und regional begrenzt. Die Vielfalt ist vielleicht dem geschuldet, dass Deutschland in der Mitte Europas aus vielen kleinen Fürstentümern und einigen Königreichen zusammengewachsen ist. Jeder einzelne Hof und jedes Dorf hatte seine eigenen kleinen Legenden zu erzählen.
Auch in Deutschlands kleinsten Orten lohnt sich also ein Abstecher ins Gasthaus. Gute Storys hört man dort allemal.
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