Unsere jungen Berater:innen Mona und Charlotte (genannt Lotti) waren dieses Jahr das erste Mal auf dem Online Marketing Rockstars Festival in Hamburg. Nachdem beide ihr Traineeship bei uns größtenteils im Corona-Lockdown und mit Online-Veranstaltungen durchlaufen hatten, wollten sie endlich mal in Präsenz netzwerken und lernen. Und wählten dafür gleich ein Marketing-Event der Superlative.
Grund für uns einmal nachzufragen, was sie dort alles erlebt haben, was sie gut oder auch weniger gut fanden und welche Learnings sie vielleicht für das nächste Mal mitnehmen können.
Lotti: Die gesamte Veranstaltung war ein absolutes Happening. Ein Blick auf die gelisteten Zahlen und Namen – 70.000 Besucher:innen, 800 Speaker:innen und Gäste wie Quentin Tarantino oder Paul Ripke – zeigte ja schon: Die Online Marketing Rockstars Messe ist nicht einfach ein gewöhnliches Event mit Ausstellungshallen und ein bisschen Netzwerken. Aber was da auf uns zukam, war nochmal ein ganz anderes Kaliber als das, was ich erwartet hatte.
Wir brauchten allein den ersten Tag, um uns überhaupt zurechtzufinden. Der Lageplan war zwar auf unseren Festival-Pässen abgedruckt und auch in der App zu finden. Dennoch war es auf dem Gelände selbst sehr unüberschaubar: Es gab die Messehallen A und B, sechs (oder zehn?) Stages, mehrere Foodcourts, Expo-Hallen, Premium-Expo-Hallen und noch so vieles mehr. Die erste Guided Tour, auf die wir uns beworben hatten, konnten wir nicht wahrnehmen, weil wir am Einlass noch auf unsere Akkreditierung warteten – unser Fehler, wir hätten mit langen Schlangen am Eröffnungstag rechnen sollen.
Auch das Programm war eigentlich nur in der OMR-App abrufbar. Doch die war so unübersichtlich gestaltet, dass wir oft nicht wussten, ob der nächste Talk frei zugänglich oder exklusiv war. Ein Blick in die Mails hat uns dann beide Tage verraten, welche Veranstaltungen als Highlights markiert wurden, und mit dem Klick in die Instagram-Storys der OMR-Seite konnten wir herausfinden, wo und wann welcher Special Act in der nächsten halben Stunde stattfindet. Diese Hacks erfuhren wir tatsächlich durch Lauschen am Nachbarplatz oder beim Netzwerken mit anderen Marketing-Menschen.
Im Großen und Ganzen haben wir gefühlt jeden Ausstellungsstand gesehen, weil wir uns Dienstag fast nur umgeschaut haben. Abends fanden Konzerte statt, auch hier war die Organisation ganz schön durcheinander und der priorisierte Einlass mit Festival-Pässen wurde nur mäßig umgesetzt. Am Mittwoch sind wir dafür von einem Vortrag zum anderen getingelt und konnten eine Masterclass besuchen.
Mona: Das erste, wovon ich immer erzählt habe, war der Overload an Eindrücken – die Messe lässt sich nicht ohne Grund auch als Festival betiteln. Allein die Massen an Menschen vor dem Eingang haben uns erahnen lassen, dass wir wohl nach den zwei Tagen einiges zu erzählen haben werden.
Tatsächlich war uns der Schwall an Eindrücken am ersten Tag sogar dezent zu viel. Lotti und ich sind orientierungslos von einer Stage in die nächste getingelt, haben versucht einen Überblick der Lage zu bekommen und sind dann letzten Endes doch immer wieder an der frischen Luft zwischen Halle groß und Halle noch größer gelandet. Die war zwischen all den unternehmerischen Inszenierungen, Robotern, die Cocktails shaken, und Virtual-Reality-Brillen, mit denen wir Menschen operieren konnten, auch bitter nötig.
In den kurzen Verschnaufpausen haben wir uns dann immer wieder gesagt, welche Talks und Promis wir auf keinen Fall verpassen wollen, und mussten dabei selbst lachen – wir hatten wirklich überhaupt keine Ahnung, wo was gerade passierte, und waren uns sicher, bereits die Hälfte verpasst zu haben. Der zweite Tag lief deutlich organisierter ab und schönerweise waren die ganzen Big-Speaker:innen – als hätten es die Organisator:innen der OMR erahnt – auch erst dann dran.
Mona: Wir haben uns bereits Wochen davor regelmäßig Updates zum Line-up eingeholt und wurden überschwemmt von großen Namen der Film- und Influencer-Branche. Natürlich lockten Quentin Tarantino, Ashton Kutcher, Paul Ripke und Co., sodass für mich außer Frage stand, dass ich bei jenen Talks unbedingt dabei sein will.
Auch aus dem Meer an Masterclasses mussten wir vorab sieben und uns dann auf einzelne Veranstaltungen bewerben. Lotti und ich haben Ausschau nach Storytelling-Input gehalten und wurden dann tatsächlich auch für zwei angenommen. Wobei wir dann nur einen besuchen konnten, da Ashton Kutcher mit einer der Masterclasses kollidierte – und ganz ehrlich: wenn schon OMR, dann müssen die Big Stars unbedingt mitgenommen werden.
Lotti: Als Festival-Pass-Inhaberinnen hatten wir Anspruch auf zwei exklusive Veranstaltungen. Ich habe die Events einerseits mit der Überlegung ausgesucht, was mir der Input für Mashup und meine generelle PR-Arbeit bringen kann oder den Begriff “Storytelling” im Veranstaltungsnamen hatte. Andererseits bin ich auch nach reinem Interesse gegangen.
Schlussendlich haben Mona und ich eine Zusage für “Creative Data Storytelling” mit Statista, Thyssenkrupp und PwC erhalten – das klang zumindest auch vielversprechend! Der Ansatz ist ungemein wichtig für datenbasierte Kommunikation, wie es beispielsweise in Geschäftsberichten der Fall ist.
Zudem wurde ich noch für die Guided Tour “Behind the scenes of OMR” eingeladen. Letztere fiel leider ins Wasser, da wir wie gesagt noch auf unsere Akkreditierung warten mussten.
Mona: Ich glaube, es muss unterschieden werden zwischen tatsächlichem Input, den Zuhörer:innen für sich mitnehmen konnten und der Faszination, bekannte Namen live und in Farbe zu sehen. Da ich Typ “WOW – ein Influencer/ein Schauspieler” bin, habe ich jeden Talk mit großen funkelnden Augen verfolgt und ein Foto nach dem anderen gemacht.
Sonderlich lehrreich waren diese aber – um ganz ehrlich zu sein – nicht. Es ging viel um die eigene Person sowie Erfolgsgeschichte, wodurch ich nur mäßig Inspiration mitnehmen konnte. Die groß gewählten Headlines waren zwar zumeist sehr vielversprechend, letzten Endes ging es aber dann doch selten um das jeweils gewählte Thema.
Lotti: Ich stimme Mona in allen Punkten zu: Ich habe selten so viel Selbstinszenierung erlebt wie auf dieser Messe. Ganz extrem ist mir das bei der Präsentation einer Influencerin aufgefallen. Es ging ständig darum, wie schnell sie es als unbekanntes Dorfmädchen mit Stil-Gefühl zur gehypten Mode-Influencerin geschafft hat. Nach dem Motto “Support your local” hat sie nun den Plan, nach der Gründung eines eigenen Labels (das ihren Namen trägt) einen Store (“Vorname Nachname Store”) sowie ein Café (natürlich: ebenfalls mit ihrem Namen gebrandet) in ihrem Heimatort zu eröffnen.
Die einzige Zahl ihrer Erfolgsgeschichte, die mir im Kopf geblieben ist? Eine meiner Meinung nach niedrige Engagement-Rate von rund 3.4 Prozent auf Instagram.
Ein Paul Ripke, der als erfolgreicher WM- und Motorsport-Fotograf wirklich bewegende Geschichten in Bildern festgehalten hat, hielt einen Vortrag zum Thema “The Art of Storytelling”. Interessant, oder? Aber Paul war nicht allein auf der Bühne, er hatte noch jemanden von der Luxus-Uhrenmarke IWC dabei, für die er nun ja Markenbotschafter ist. Insofern war der Talk nicht wirklich ergiebig.
Es gab aber auch wirklich authentische und berührende Gespräche und Vorträge auf den Bühnen. Da fällt mir zum Beispiel die Geschichte von Sophia Thiel ein. Die Influencerin nutzte Storytelling bewusst, um ihren Lebensweg zu erzählen. Für die Visualisierung ihrer Heldenreise bediente sie sich der Metapher eines Zugs, der unterschiedliche Haltestellen durchläuft: Vom gemobbten Dickie in der Schule über den krampfhaften Wunsch, als Fitness-Influencerin gemocht und verehrt zu werden, rein ins Burn-Out.
Dabei zeigte sie auch den fiesen Gossip, der in ihren zwei Jahren Abwesenheit über sie in den Medien verbreitet wurde. Heute steht Sophia Thiel für einen gesunden Lebensstil und wirkt als Sprachrohr, um vor den gefährlichen Folgen des Influencer:innen-Daseins zu warnen.
Klar könnte man sagen, auch hier inszeniert sich Thiel selbst, aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zu vielen anderen Vorträgen: Sophie Thiel scheute sich nicht davor, ihre Prüfungen, Challenges und Downs genauso zu präsentieren wie ihre Hochphasen. Das macht sie aus meiner Sicht nahbar und echt.
Mona: Das dachten sich wohl alle 70.000 Besucher:innen der Messe! Wir waren schon Stunden zuvor in der absolut größten Halle, die ich je in meinem Leben gesehen habe und haben gerade noch so einen Sitzplatz bekommen. Auch leider nicht mit der besten Aussicht, sodass wir die ganze Zeit nur auf die große Leinwand blickten. Ich war bereits zuvor bei Ashton Kutchers Auftritt dabei und war noch nachhaltig begeistert von der amerikanischen Star-Präsenz. Kutcher war so unglaublich sympathisch, hat der ganzen Halle durch einzelne Sätze Gänsehaut verliehen und ging mit Standing Ovation von der Bühne.
Tarantinos Auftritt war tatsächlich das absolute Gegenteil. Er ging sehr reserviert auf die Bühne und wollte wenig über seine eigene Person reden. Der Moderator sollte ihm sogar erklären, warum er sage, Tarantino wäre eine Eigenmarke, ein Stempel, da er doch nur ein Mensch sei, der Geschichten liebe. Das Interview nahm sogar solch eine Wendung, dass Tarantino zum Schluss ein Fazit à la “Digitalisierung sei der Untergang guter Filme/Storys” kommunizierte – und das auf einer Messe mit Menschen, die jene Entwicklung feiert und zu ihren Jobs gemacht hat.
Lotti: Dadurch, dass wir so früh schon in der Halle waren, konnten wir einen sehr interessanten Vortrag von Elvir Omerbegovic, dem Gründer des Plattenlabels “selfmade records”, einen Austausch zwischen Shirin David und Tina Müller, CEO von Douglas, sowie einen etwas unkoordinierten Talk von Rapper Xatar anhören. Und dann kam er: “The greatest storyteller alive”.
Begrüßt wurde er mit Standing Ovations und teilen sollte er seine Weisheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Speaker:innen brauchte Tarantino sich nicht selbst zu inszenieren, das übernahm Moderator Steven Gätjen für ihn. Der Filmemacher wetterte so herrlich gegen die Streaming-Dienste und nutzte derart oft das Wort “fuck”, dass viele Zuhörende schon nach kurzer Zeit den Saal wieder verließen. Tarantino erfüllte einfach nicht die Erwartungen der Masse, aber das tut er ja auch schon in seinen Drehbüchern nicht. Warum das dann für die OMR ändern?
Lotti: Zu den Trends traue ich mich gar nicht allzu viel zu sagen. Das ist ein bisschen wie die Frage: Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Meiner Beobachtung nach wurden bestimmte Bühnen wie die “Finance Forward” oder die “Future Moves” mit Orientierung an den generell aufstrebenden Trend-Themen der Digitalbranche aufgebaut. Die Fakten, die im Rampenlicht besprochen wurden, gaben sicher neue Tendenzen vor, haben aber auch aktuell aufstrebende Thematiken aufgegriffen.
Was sich meiner Meinung nach weiter etablieren wird, sind Punkte wie das Metaverse, Augmented und Virtual Reality sowie alles rund um New Work. Die Ansätze, die beispielsweise Vodafone mit VR-Brillen im Health-Bereich verfolgt, scheinen auf dem aufsteigenden Ast zu sein.
Dr. Nina Gillmann von TWICE nannte zudem zwei interessante Zahlen auf der 50/50-Stage: Im Jahr 2021 fehlten rund 300.000 Fachkräfte. Das sind genauso viele wie Kita-Plätze fehlten. Koinzidenz? Sie fragt sich, warum deutsche Unternehmen nicht das Potenzial aus Teilzeit-Kräften, Job-Sharing und Tandem-Arbeiten schöpfen und prophezeit, dass sich derartige Arbeitsmodelle weiterentwickeln werden.
Mona: New Work war für mich DAS Thema der OMR. Überall wurden alternative Arbeitszeitmodelle thematisiert und momentane Probleme, an denen die Umsetzung teilweise noch scheitert, konkretisiert. Die 5050-Stage von der gleichnamigen Initiative behandelte ausschließlich Themen aus dem Spektrum. Selbst die großen Influencer:innen haben über ihre Art der Unternehmensführung gesprochen und damit zeigen wollen, dass das “verkrampfte 0815 Modell” einfach nicht mehr zeitgemäß sei.
An Krypto, NFTs und Blockchain sind die Besucher:innen der OMR auch nicht vorbeigekommen – Frank Thelen ging sogar so weit zu betonen, die Zukunft unserer Erde liege in den Händen der Digitalisierung und somit auch in der Online-Währung. Außerdem schienen für mich Multi-Channel-Lösungen breit vertreten zu sein, die insbesondere Agenturen dabei helfen sollen, einen ganzheitlichen Überblick aller genutzten Tools zu bekommen. Lustigerweise sagte uns jeder Stand, dass sie die einzige Lösung dafür seien.
Mona: Ich bin genau der richtige Typ Mensch für die OMR. Ich liebe Menschenmengen, Action, viel zu überladene Tage und Stars. Ich bin demnach echt zufrieden gewesen und habe die ganzen Eindrücke tief in mein Herz eingeschlossen. Insbesondere Ashton Kutcher und die Konzerte haben mir unglaublich viel Spaß bereitet.
Dennoch muss ich rückblickend feststellen, dass ich nicht allzu viel wertvollen Input für mich und meine Arbeit mitgenommen habe. Die Ausstellungsfläche war viel zu überladen, als dass ein Unternehmen – selbst wenn es uns etwas gebracht hätte – nicht auffallen hätte können. Bei den Speaker:innen sind Lotti und ich natürlich bekannten, großen Namen gefolgt, von denen wir jedoch hauptsächlich Dinge gehört haben, die wir bereits wussten … sie sind ja schließlich bekannt.
Mein generelles Fazit ist somit eher ein Learning: Sollte ich nochmal die Ehre haben, auf die OMR gehen zu können, würde ich versuchen, insbesondere zu Masterclasses und Speaker:innen zu gehen, von deren Thematik ich noch nichts weiß. Somit habe ich dann auch wirklich die Chance, etwas Neues zu lernen.
Lotti: Im ersten Moment habe ich den Gedanken festgehalten, dass mir die OMR-Messe einfach zu viel war. Es gab zu viele Bühnen, zu viele Speaker:innen, zu viel Drumherum, zu viel Selbstinszenierung – und wer mich kennt, weiß, dass „zu viel“ für mich selten ein Problem ist.
Obwohl ich das Gefühl hatte, wirklich eine beträchtliche Menge der Ausstellungsfläche gesehen und etliche Vorträge gehört zu haben, werde ich den Eindruck nicht los, ständig irgendetwas verpasst zu haben. Bei dem Überangebot war es schlichtweg unmöglich, alles aufzunehmen. Für Menschen mit FOMO (Fear of missing out) wäre das Event das reinste Fegefeuer gewesen.
Wenn ich nun, wenige Wochen nach der Messe, einen Blick auf das Geschehen werfe, frage ich mich: Steht mir mein Confirmation Bias, also die Neigung zur selektiven Wahrnehmung basierend auf dem, was ich kenne und sehen will, vielleicht gerade perfekt im Weg? Ich habe versucht, die Dinge mit einem distanzierteren Blick zu betrachten, und komme zu folgendem Entschluss: Aus der vor Selbstbewusstsein triefenden Marketing-Welt können PR-Agenturen einiges an Input ziehen.
Trendende Themen, Vorträge und Herangehensweisen großer Firmen liefern Inspirationen für Presse-Storys, aber auch die internen Prozesse. Gerade die Talks waren doch sehr lehrreich und boten einen gewissen Mehrwert – abhängig davon, mit welchem Fokus zugehört wurde. Aktuell stöbere ich in dem Programmplan auf der OMR-Website und suche mir dann auf YouTube den Vortrag im passenden Video heraus, denn glücklicherweise wurden sehr viele der Präsentationen aufgezeichnet. Menschen mit FOMO können sich also wieder beruhigen.
Mona: Ja!
Lotti: Wenn auch meine bisherigen Aussagen nicht dafür sprechen, würde ich die OMR im nächsten Jahr nochmal besuchen. Ich brauche keinen Festival-Pass, das Expo-Ticket reicht vollkommen aus – immerhin war Deichkind als Act in den Expo-Hallen, während wir frag-mich-nicht-wen auf der “Festival”-Stage gesehen haben. Allerdings wäre mein Fokus ein anderer.
Anstatt nach Veranstaltungen mit “Storytelling” im Namen zu suchen, würde ich mich auf den Trend-Stages umschauen und mir die Talks von Unternehmer:innen anhören, die in denselben Branchen arbeiten wie meine Kund:innen. Ich würde zum Netzwerken bei fischerAppelt gehen, um mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Die Masterclasses würde ich ebenfalls nach ähnlichen Kriterien aussuchen. Ich denke, die OMR-Messe lohnt sich erst so wirklich ab dem zweiten Jahr. Denn dann geht auch nicht der erste Tag damit verloren, sich erst einmal orientieren zu müssen.
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