In unserer Reihe Planet Storytelling entdecken wir dieses Mal das längste und schmalste Land der Welt. Auf über 4.000 Kilometern durch fast alle Klimazonen der Erde erstreckt sich Chile an der Westküste Südamerikas. Ein Land der Kontraste und Gegensätze – wir tauchen ein in die Weiten der Atacama-Wüste, staunen über geheimnisvolle Inseln und lernen spannende Legenden kennen, die dieses faszinierende Land zu bieten hat.
Wer glaubt, die Sahara wäre die trockenste Wüste der Welt, der irrt sich gewaltig. In einigen Regionen der Atacama-Wüste vergehen Jahrzehnte, ohne dass ein Tropfen Regen fällt. Doch wenn einmal ein Niederschlag nach 5-7 Jahren auf Millionen von Knollen und Samen fällt, öffnen sich tausende Blüten von 200 verschiedenen Pflanzen und verwandeln die einst so karge Mondlandschaft in ein buntes Blütenparadies. Um eine der Blumen rankt eine besondere Sage.
In der Region Coquimbo gelegen, wächst die Blume La Añañuca, auf der eine Legende ruht. Die schöne Frau Añañuca lebte in einem abgeschiedenen Dorf und verliebte sich in einen gutaussehenden Bergmann. Sie lebten für eine Weile glücklich zusammen. Doch das Glück hielt nicht von Dauer. Auf der Suche nach einer Goldmine, die ihm zu Reichtum und Ansehen verhelfen sollte, verließ er sie irgendwann.
Die junge Schönheit wartete auf die Rückkehr ihres Liebsten. Voller Trauer und Sehnsucht starb sie bald darauf und wurde an einem verregneten Tag in der Erde des Tals begraben. Am nächsten Morgen schien die Sonne und das ganze Tal war von einem Meer aus roten Blumen, den La Añañuca, bedeckt. Auch heute noch kann man die schönen roten Blumen in der Atacama Wüste entdecken.
Von der Wüste reisen wir weiter durch Chile zur Küste. Westlich der chilenischen Hafenstadt Valparaíso liegt die Insel Robinsón Crusoe. Ihren Namen erhielt sie durch ebenjenen weltberühmten Abenteuerroman des englischen Schriftstellers Daniel Defoe. Ihn inspirierte das Schicksal des schottischen Matrosen Aleksandar Selkirk, der von 1704 bis 1709 wegen Meuterei auf der Insel ausgesetzt wurde. Der Sage nach, soll hier ein Schatz vergraben und 1714 vom spanischen Seefahrer Juan Esteban Ubilla bei seinen Raubzügen entlang der südamerikanischen Pazifikküste auf der Insel versteckt sein. Bis heute ist man auf der Suche nach dem verborgenen Schatz. Ob man ihn jemals finden wird?
Weit fernab der Zivilisation von Chile liegt eine weitere sagenhafte Insel, die uns in ihren Bann zieht. Um die Osterinsel ranken viele Mythen und Sagen. Viele Leute fragen sich, wie Menschen überhaupt diesen einsamen Fleck Erde besiedeln konnten. Immerhin liegt das Land weit von Chiles Küste entfernt. Forschungen zufolge sollen die Ureinwohner die Osterinsel vor rund 1500 Jahren per Boot aus Polynesien besiedelt haben. Sie ist vor allem bekannt durch die riesigen Steinköpfe, die verstreut auf der ganzen Insel emporragen. Die Gesichter der sogenannten Moai sind bis zu zehn Meter hoch und geben Raum für viele Fragen. Warum hat man diese Figuren dort aufgestellt und vor allem, wie? Immerhin sind die Steinkolosse tonnenschwer und damals gab es noch keine Baukräne. Vermutlich waren die Statuen Teil von Kultstätten, die der Ahnenverehrung dienten.
Doch die meisten Moai waren bei Ankunft der ersten Europäer zerstört. Auch wenn wohl manche den Erdbeben zum Opfer fielen, wurden einige Steinstatuen offenbar absichtlich umgeworfen. Viele stehen auch unvollständig und wurden nicht zu Ende gebaut. Warum? Vermutlich gewann der Machtwechsel des Vogelmannkultes an Bedeutung und so wurde der alte Glauben fallen gelassen.
Dieser besagte Kult entstand vermutlich zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert. In jährlichen Wettkämpfen musste das erste Ei, das von einer inseltypischen Ruß-Seeschwalbe auf der Insel gelegt wurde, gefunden werden. Der Gewinner war dann der Vogelmann und durfte sich als neuer Herrscher des Volkes brüsten, denn dieses Ei galt für die Ureinwohner als Huldigung des Gottes Makemeke. Unzählige Schnitzereien auf Felsen zeigen Darstellungen dieser mythischen Vogelwesen.
Was haben die chilenischen Inseln nur an sich? Auf unserer weiteren Reise durch Chile begegnet uns im Süden des Landes die nächste geheimnisvolle Insel: Chiloé. Hier entstanden drei beeindruckende Geschichten, die wir euch natürlich nicht vorenthalten wollen und die man durchaus mit einem Schmunzeln betrachten kann.
Werden unverheiratete Frauen plötzlich oder ungewollt schwanger, begründen die Chilenen das mit folgender Geschichte: „El Trauco“ ist ein kleiner hässlicher Zwerg, der in Höhlen und Stämmen des Waldes lebt. Dort schlägt er mit der Axt auf die Bäume. Dann weiß jeder: Er ist wieder da! Der Zwerg ist besonders hinterlistig, da er sich in Baumstämmen versteckt und die vorbeilaufenden Menschen erschreckt. Seine Ziele sind besonders Frauen, die er erobern und verführen möchte. Dank seiner magischen Kräfte stürzt er sie in ruhige Träume, in denen er ihnen wie ein gutaussehender Galan erscheint. Erwacht aus seinem Bann, kehren die verwirrten Frauen zurück in ihr Zuhause und können sich an nichts mehr erinnern. Bis nach neun Monaten ein Kind geboren wird, dass den Zauber in sich trägt.
Wenn die Fischer erfolgreich bei ihrem Fischfang waren, dann wussten sie, dass die schöne Meerjungfrau „La Pincoya“ in der Nacht zuvor am Ufer getanzt und dabei auf den Ozean geschaut hatte. Mit ihrem weißen Teint und blonden Haaren, ist sie die Lebensgrundlage der Fischer. Wenn jedoch der Ertrag nur knapp war, gingen sie davon aus, dass die „ Göttin des Meeres“, wie sie auch genannt wird, mit dem Rücken zum Meer tanzte und in Richtung Land schaute. Dann schickte sie Fische und Muscheln an einem anderen Ort, wo sie dringender benötigt wurden. „La Pincoya“ ist eine äußerst freundliche mythische Figur, doch sollte man sich hüten sich, die schöne Meerjungfrau zu verärgern, denn dann bringt sie Unwetter aufs Meer. Und manchmal, wenn es sehr still ist, hört man wohl ein leises Singen von ihr, dem man nicht widerstehen kann…
Jetzt wird es gruselig: Wenn ein schwach erkennbares Schiff am Horizont im Nebel sichtbar wird, dann kann es nur das Geisterschiff „El Caleuche“ sein, das durch die Meere des südlichen Chiles segelt. Es rauscht auch unter der Meeresoberfläche mit hoher Geschwindigkeit. Die Besatzung von „El Caleuche“ widmet sich hauptsächlich dem Schmuggel und beliefert Händler:innen, die einen Pakt mit ihr haben. Deshalb sagt ein Sprichwort, wenn ein einheimischer Kaufmann schnell reich wird, dass er fragwürdige Geschäfte mit „El Caleuche“ macht. Wenn das Schiff jedoch verfolgt wird, verwandelt es sich in Felsen, Baumstämme oder in Seegras, um unbemerkt zu bleiben und so zu vermeiden, gefangen zu werden.
Wir würden gerne noch unendlich viele schöne Orte in Chile zeigen und mehr fesselnde Mythen erzählen, doch leider geht auch die schönste Reise irgendwann zu Ende. Aber eines ist sicher: Chile ist ein faszinierendes Land voller spannender Geschichten, einer beeindruckenden Landschaft, Kultur und Jahrtausende alter Traditionen und sicherlich eine Reise wert.
Du möchtest noch mehr über die Geschichten in Südamerika erfahren? Dann schau doch einmal beim Planet Storytelling Peru vorbei.
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