Storytelling Close-Up EDEKA: Der Erfolgsfaktor Emotionen

Der Supermarkt – nicht einfach nur der Ort, an dem wir unser tägliches Brot finden, sondern ein Synonym für Wohlstand. Das ursprünglich in den USA entwickelte Konsumkonzept mit breitem Angebot und verkaufsfördernder Hintergrundmusik ist gleichzeitig Schlaraffenland und Alltag. Hier schieben wir unsere Einkaufswagen zwischen prall gefüllten Regalen vor uns her, zerren unsere Kinder an Karies auf Augenhöhe vorbei und finden es peinlich, wenn an der Kasse die EC-Karte nicht funktioniert.

Supermarkt: gleichzeitig Schlaraffenland und Alltag. (canva)

Der größte Teilmarkt im hart umkämpften Einzelhandelsgeschäft ist der mit Lebensmitteln. Die Marke EDEKA hat dabei eine besonders hohe Bekanntheit. Das deutsche Unternehmen besteht seit über 125 Jahren. Es ist die größte Nahrungsmittelmarktkette Deutschlands und eine der führenden Supermärkte Europas. Der gelb/blaue EDEKA-Verbund ist die genossenschaftliche Säule des Markennamens und hat durch den Killer-Claim „Wir lieben Lebensmittel“ eine noch stärkere Strahlkraft bekommen.

Mit diesem Slogan hat es EDEKA geschafft, eine breitgefächerte Zielgruppe mit großen Emotionen zu erreichen, der sich hervorragend als Startrampe für jede ihrer Kampagnen nutzen lässt. Das Unternehmen ist im Fernsehen und im Internet allgegenwärtig. Um den Erfolg des Handelsriesen zu verstehen, lohnt ein kurzer Blick in die Vergangenheit.

Edeka Claim: wir lieben Lebensmittel (AdobeStock)

Koloniale Ursprünge: Schaufensterwettbewerbe

Die Gründung EDEKAs erfolgte 1898. Während in der Industrie die Kessel dampften und die Wirtschaft des Deutschen Reichs wuchs, führte Bismarck die gesetzliche Rentenversicherung ein, um der Arbeiterbewegung zuvorzukommen. Wenn es besondere Nachrichten gab, ertönten noch Fanfaren vom Rathausbalkon.

In dieser Atmosphäre taten sich 21 Warenhändler in der „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“ zusammen. Sie bildeten die EDEKA-Gruppe, kurz E.D.K. 1911, zehn Jahre nach Bismarcks Tod, wurde die frühere Kurzform E.d.K in den Marken- und Unternehmensnamen EDEKA verwandelt und der freiwillige Zusammenschluss von Personen um 72 Mitglieder vergrößert.

1919, in nervöser Nachkriegszeit, mussten die Warenhändler im Deutschen Reich sich selbst wieder auf die Beine bringen. Sie setzten auf stärkere Öffentlichkeitsarbeit, vor allem auf sogenannte Schaufensterwettbewerbe. So nutzten die Genossenschaften von Einzelhändlern bereits vor über hundert Jahren Prämienausschreibungen, um den eigentlichen Werbezweck anzukurbeln.

Reichsbank Note (Canva)

1933 trat Fritz Borrmann, der damalige Generaldirektor und seinerseits auch Kolonialwarenhändler, freiwillig in die NSDAP ein. Mit der Eingliederung des Saargebiets und Österreichs in das Dritte Reich konnte die Edeka-Gruppe auch diese Gebiete übernehmen. Im Jahr 1937 übergab Borrmann als Generaldirektor an Paul König und dieser trat an seine Stelle. Mit Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieg lag EDEKA zunächst am Boden.

Unter der Führung von Paul König wurde die Gruppe nach dem Zweiten Weltkrieg Schritt für Schritt wieder aufgebaut und zur erneuten Erfolgsgeschichte. Von einfachen Tante-Emma-Läden verwandelte sich das typische Filialgeschäft der EDEKA-Gemeinschaft im Wirtschaftswunder zu modernen Selbstbedienungsgeschäften, den Supermärkten.

Das EDEKA-Statement: Verschiedene Marketingkampagnen mit dem gleichen Claim

Je breiter die Zielgruppe, desto universeller müssen auch die Emotionen sein, mit denen ein Unternehmen die Aufmerksamkeit gewinnen möchte. Die Grundlage des EDEKA-Erfolgs liegt laut Slogan in der Liebe zu Lebensmitteln. Das Unternehmen nutzt dieses feste Brand Positioning Statement als Startrampe für jedes Projekt. Gleichzeitig ist dieser Claim, wie bei einer bunten Matrjoschka-Puppe, immer auch der Kern der Botschaft, auf den die Marketer strategisch klug und kreativ ihre Kampagnen aufbauen. „Wir lieben Lebensmittel“ vermittelt als Devise neben einem starken Wiedererkennungswert gleich das Alleinstellungsmerkmal mit: So wird seit 2012 ein gelbes Herz eingesetzt, das die bekannte Liebe von EDEKA zu Lebensmitteln symbolisiert.

Der ursprüngliche Markenclaim wird dabei je nach Bedarf von Slogans wie „Wir lieben Nachhaltigkeit“ und „Wir lieben Bio“ ergänzt und vertieft. So zeigen die Videos zur Kampagne #Vielfalt die Reaktionen von Kund:innen, die in einer eigens präparierten Filiale feststellen müssen, dass es nur noch Produkte aus Deutschland im Regal gibt, wodurch sie auf die gewohnte Fülle von Waren verzichten müssen. Der Spot endet mit dem abgewandelten Claim „Wir lieben Vielfalt“, der auch als Slogan für gelebte Diversität jenseits der Einkaufsregale verstanden werden soll.

 

“SusTelling“ – Sustainability Storytelling: Pandas Reise entlang der Lieferkette

Supermärkte werden in ihrer Erscheinung immer austauschbarer. Infolge der geringen Unterscheidungsmerkmale und der großen Konkurrenz, ist es also nötig, dass Unternehmen mit kreativen Ideen und neuen Geschichten aufwarten. Gleichzeitig fordern uns Klimawandel, Artensterben und soziale Ungleichheit ebenfalls neue ökonomische Wege zu beschreiten.

Im Rahmen einer Partnerschaft mit dem WWF demonstrierte der Handelsriese mithilfe von “SusTelling“ rund um einen Panda die Verwendung nachhaltiger Produkte. Zum TV-Auftakt schickte der Vollsortimenter den Bären auf eine Reise entlang der Lieferkette. Zudem lächelte der WWF-Panda von ca. 800 Produkten der Supermarktkette. Damit wollen beide Partner vor Augen führen, was sie gemeinsam mit den Erzeugern schon in Sachen Nachhaltigkeit geleistet haben und noch leisten werden.

 

Heldenreise als emotionale Werbung: Meisterwerksstatus im Storytelling

Zahlreiche Werbeclips von EDEKA wurden bereits zu viralen Hits, zum Beispiel die Weihnachtskampagnen #heimkommen und #zeitschenken oder die Ernährungsinitiative #issso. Neben Begeisterung gibt es auch kritische Diskussionen, etwa Vorwürfe von Diskriminierung dicker Menschen und viel Ärger in sozialen Netzwerken.

Jenseits dieser Kontroversen bescheinigen Branchenkenner:innen den Werbevideos aus Sicht des Storytellings oftmals Meisterwerksstatus.

© Mashup Communications

Storytelling in drei Akten: #Heimkommen mit EDEKA

Der TV-Spot #heimkommen von 2015 ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Storytelling in Werbung verwendet wird und in drei Akte des Hook, Hold und Payoff aufgeteilt werden kann.

In Teil eins der Einführung schickt uns der Clip in den Ort, die Handlung und die Problematik: Ein älterer Mann, der Weihnachten offenbar allein verbringt. Im zentralen zweiten Teil wird der einsame Herr näher beleuchtet und der Twist präsentiert: Er erfindet seinen eigenen Tod, um seine Familie nach Hause zu holen. In Teil drei kommt es zur Auflösung der Konflikte in einem Happy End.

Die Zuschauer:innen sollen während der kurzen 1:47 Minuten des Videos nicht das Gefühl bekommen, einen Werbespot zu sehen, sondern vielmehr einen gut gemachten Kurzfilm, mit Erfolg. Die Präsenz von EDEKA-Produkten im Spot fällt erst nach mehrfachem Hinsehen auf.

 

Episches Storytelling: #issso schießt den Vogel ab

EATKARUS hingegen ist die Erzählung eines Jungen, der sich seinen Traum vom Fliegen erfüllt. Anhand dieses mythologischen Werbehöhenflugs lässt sich die Heldenreise besonders schön darstellen:

 

Gewohnte Welt: grauer Einheitsbrei und Kugelformen

Der Spot öffnet in einer tristen Stadt. Alles in diesem Ort ist grau und kugelförmig. Eatkarus sitzt am Mittagstisch mit seiner Familie in seiner gewohnten Welt. Er spürt seinen Mangel noch nicht, wirkt aber unglücklich. Begleitet werden die Bilder vom Song „All I Can Do“ von Ben Kendrick. Dort heißt es:„Why does life sometimes feel so wrong like running in circles and you don’t belong?“ Die Identifikation mit dem Jungen geschieht fast automatisch.

Der Ruf: durch den Vogel wird Eatkarus sein Mangel bewusst

Eatkarus‘ Abenteuer beginnt, als er, betrübt vom Anblick seines gewohnten Essens, aus dem Fenster schaut. Dort bemerkt er einen Piepmatz, der lebensfroh wirkt und mit leichter Feder davonfliegt. Dieser hat eine tiefere Bedeutung, denn er symbolisiert den Moment, in welchem  dem Jungen sein eigener Mangel zum ersten Mal bewusstwird. Ben Kendrick singt dazu: „I always knew that this day would come it’s time to break free, meet me on the run.“

Die Verweigerung: ein kurzer Augenblick

Die Idee, aus der gewohnten Welt herauszutreten, erzeugt bei Eatkarus Unbehagen. Er ist so entmutigt vom Istzustand, dass er dem Lockruf des Federviehs eigentlich folgen will, aber beim Blick auf seine Mutter doch wieder unsicher wird. Der Soundtrack dazu: „But what am I really running from. And I look up to the open sky, hopes in my heart, dreams in my eye. Will I ever make it right this time.“

Mentoren: Vogel und Bote in einem

Der Vogel in der Geschichte hat eine doppelte Aufgabe: Er fungiert als Bote und Mentor. Seine Fähigkeit, in den Himmel aufzusteigen, inspiriert den Jungen dazu, den Tisch zu verlassen. Das Tier und Eatkarus gehen somit in eine Mentor-Schüler-Beziehung über.

Überschreiten der ersten Schwelle: die Mutter als Hindernis

Die Risiken des Abenteuers und das Übertreten der Schwelle in eine fremde Welt werden oft durch andere Figuren visualisiert und dramatisch hervorgehoben. Nicht selten sind es diejenigen, die den Held:innen am nächsten stehen, wie in diesem Fall die Mutter. Der Song untermalt das: “I hear the sound of change, it’s everywhere. They’re tryin‘ to hold me down, but I don’t care.“

Prüfungen, Verbündete, Feinde: Skepsis und Stolz

Die anderen Bewohner:innen sind sehr in der gewohnten Welt gefangen. Wir sehen eine Frau, die skeptisch einem Bündel von Ballons hinterherblickt. Eatkarus und sein Wunsch nach Veränderung bedeuten für sie eine Bedrohung ihrer Welt. Als aber der Vater des Jungen den Drachen vor dem Fenster sieht, ist für einen Moment Stolz in seinem Blick erkennbar.

Vordringen zur tiefsten Höhle: mentale Vorbereitung

Eatkarus ist zu schwer, um abzuheben, und nun auch noch mit Pflastern und blauen Flecken übersät. Er sitzt wieder am Mittagstisch und bekommt erneut grauen Matsch serviert. Er ist an seinem letzten Zielpunkt vor der entscheidenden Prüfung angekommen und bereitet sich hier mental vor. „And all I can do-And all I can do -And all I can do is try.“

Krise: kurz vor Ziel, am Rande der Erschöpfung

Auch wenn er gescheitert ist, lässt er sich nicht von seinem Ziel abbringen. Er bricht wieder auf und baut sich einen Flügelanzug. Dem Vogel folgt er aus der Stadt hinaus, bis zu einem schneebedeckten Berg. Am Rande der Erschöpfung stürzt er in den Schnee und weint. Hat er seinen Mentor und die Kraft verloren?

Die Belohnung: Nahrung in der eigentlichen Form

Doch dann entdeckt er den Vogel wieder, der von einem Strauch Beeren frisst. Nach einigen Sekunden fliegt der dieser davon. In dem Moment stellen Eatkarus und die Zuschauer:innen den Zusammenhang zwischen den Beeren und dem Fliegen her.

Rückweg und Auferstehung: Bau einer weiteren Flügelkonstruktion

Zuhause arrangiert Eatkarus die gesammelten Beeren auf dem Tisch und baut eine neue Flugkonstruktion. Dieses Mal orientiert er sich stärker an der Natur und befestigt federähnliche Papierstücke.

Auferstehung: ein neuer Mensch

Eatkarus hat sich jetzt schon verändert. Seine Gestalt ist nicht mehr kugelförmig, er ist nun ein schmaler Junge. Er steht auf der Straße und bewundert seine selbstgebauten Flügel. Dann dreht er sich um, hält inne, während die Musik spielt: “I won’t give up and I won’t give in -Where it ends is where I begin -But am I really, am I really strong enough -And all I can do -And all I can do- And all I can do is try.“

Alle Figuren, die er auf seinem Weg getroffen hat, sind da und beobachten ihn bei seinem letzten Kampf. Wird er es schaffen, sein Leben so zu leben, wie er es sich wünscht?

Rückkehr: Ziel erreicht

Der Junge wandert durch die Straßen und rennt durch Felder. Dann passiert es: Eatkarus hebt ab. Er schwebt Seite an Seite mit dem Vogel, so wie er es sich immer erträumt hat. Freude! Freiheit! Er hat seine Ängste überwunden.

Unser Held liegt im Gras und isst seine gesunden Beeren. Er blickt mit einem Lächeln gen Himmel. Er kann zwar immer noch nicht fliegen, doch das ist nicht entscheidend. Durch die Änderung seiner Gewohnheiten wurde er der Mensch, der er sein wollte. Er ist zufrieden, denn er hat sein Ziel erreicht.

Der Werbespot ist auf YouTube noch einmal mit dem Hinweis versehen, dass alle, die sich auch bewusster ernähren möchten, Tipps und Inspiration auf EDEKA holen können. Mit dem Satz: „Iss wie der, der du sein willst“ und dem EDEKA-Logo endet der epische Werbefilm.

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Redaktion

Unser Redaktionsteam nimmt uns mit auf eine Erkundungsreise durch die Welt des Brand Storytelling und durch unseren Agenturalltag. Es appelliert an unsere Vorstellungskraft und verzaubert uns mit Zukunftsmusik. Zudem macht es sich stark für faire Themen mit Haltung.

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