Auf der Suche nach spannenden Geschichten aus der ganzen Welt verschlägt es mich dieses Mal in ein kleines Land zwischen der Ukraine und Rumänien, in dem weniger Einwohner:innen leben als in der gesamten Stadt Berlin. Inmitten von Weinbergen, Flüssen und üppigen Landschaften verschmelzen in Moldau verschiedenste Kulturen und Traditionen miteinander. Ich habe meine Eltern, zwei Moldauer:innen geboren 1976, zu ihren Erfahrungen als Kinder und Jugendliche in der Sowjetunion und zu moldauischen Sagen, Traditionen und Nationalheld:innen befragt.
In der Schule Russisch sprechen und kyrillische Schriftzeichen nutzen – das war für die moldauische Generation X normal. Klassenfotos im typischen Ostblockstil prägen bis heute noch ihre Wohnzimmer. Nach dem zweiten Weltkrieg war Moldau Teil der Sowjetunion und wurde zur MSSR – der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik. 51 Jahre der MSSR haben prägende Erinnerungen hinterlassen: „Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass alles immer sehr strukturiert war. Alles war organisiert. Wir wussten, dass jeder funktionieren muss, in die Schule oder Arbeit gehört. Es gab viele Vereine, in denen man mit allen anderen verbunden war. Alles war gleich, die Möbel waren für alle Haushalte vorgeschrieben, es gab kaum Auswahl bei den Lebensmitteln.“
Bis heute spricht die Mehrheit der Moldauer:innen sowohl Russisch als auch Rumänisch. Selbst in Instagram-Stories der jungen Generation sieht man noch immer kyrillische Schriftzeichen. Eine weitere Besonderheit, die immer noch an alte Sowjet-Zeiten erinnert, ist die abtrünnige Region Transnistrien. Im nordwestlichen Teils Moldaus, an der Grenze zur Ukraine, trauert eine gesamte Region den Zeiten in der Sowjetunion nach. Die Region Transnistrien sieht sich als von Moldau unabhängiger Teil, ist dem Westen abgeneigt und besteht stattdessen auf enge Beziehungen zu Russland.
Hier könnt ihr mehr über Transnistrien erfahren:
Als Gegenpol dazu steht Moldaus eng verstrickte Beziehung zu Rumänien, welche die Verbindung zum Westen und zur EU manifestiert. Zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg gehörte Moldau, damals Bessarabien, mit Rumänien zu einem gemeinsamen Gebiet namens „Romania mare“ (deutsch: großes Rumänien). Bis heute spricht der Großteil der Bevölkerung Moldauisch, das heißt Rumänisch in einem gewissen Dialekt.
Auch moldawische Bräuche und Feste ähneln denen in Rumänien sehr – Religion spielt in beiden Ländern eine große Rolle und prägt damit viele Bräuche und Sitten. Etwa 92 Prozent der Moldauer:innen sind russisch-orthodox.
Eine ganz besondere Feier, die Moldauer:innen mit Rumänier:innen verbindet, ist das so genannte Martisor-Fest am 01. März. „Am ersten Märztag schenken wir Familienangehörigen, Freund:innen und Bekannten ein rot-weißes Band, das als Armband oder Pin an der Brust getragen wird. Wir feiern damit das Ende des langen Winters und freuen uns auf den Frühling und Sommer, mit dem wieder bessere Zeiten kommen“.
Eine Sage erzählt die Geschichte des Martisors:
Es war einmal vor langer Zeit, dass sich die Sonne dann und wann in einen schönen Mann verwandelte, um mit den Menschen in den Dörfern Hora (rumänischer Volkstanz) tanzen zu können.
Ein Drache erfuhr von dieser Leidenschaft der Sonne und als diese das nächste Mal in Menschengestalt auf der Erde wandelte, folgte er ihr, entführte sie und sperrte sie in das Verließ einer Burg. An diesem Tage hörten die Vögel auf zu singen und die Kinder vergaßen, wie man lacht. Doch niemand wagte es, sich dem Drachen entgegenzustellen.
Eines Tages entschied sich ein tapferer, junger Mann dazu, zur Burg zu gehen und schließlich begleiteten ihn viele Leute, um ihm im Kampf gegen den Drachen zur Seite zu stehen.
Die Reise dauerte drei Jahreszeiten: Sommer, Herbst und Winter. Am letzten Wintertage erreichten sie die Burg, in der die Sonne festgehalten wurde. Der Kampf begann und es dauerte Tage, bis der junge Mann den Drachen besiegte.
Kraftlos und verwundet öffnete er den Kerker und befreite die Sonne. Die Natur erwachte zu neuem Leben und die Menschen begannen wieder zu lächeln. Nur der Bursche sollte den Frühling nicht mehr erleben. Das heiße Blut seiner Wunden fiel auf den unberührten Schnee.
Während der Schnee schmolz und die ersten Schneeglöckchen, die Vorboten des Frühlings, aus dem Brachland sprossen, erreichte auch der letzte Tropfen Blut des Mannes den Schnee und er starb glücklich, denn seine letzte Tat war eine edle gewesen.
Mit dem Tragen des rot-weißen Bändchens erinnern die Menschen an die Sage: Rot steht für Liebe und ist ein Symbol des roten Blutes im Schnee. Weiß dagegen verkörpert Gesundheit und die Schneeglöckchen, die den Frühling einläuten und bessere Zeiten versprechen.
Eine andere Figur, die Rumänien und Moldau miteinander verbindet, ist die des Gründervaters Stefan Cel Mare (deutsch: Stefan der Große). Seine Geschichte spielt eine große Rolle in Moldaus Erinnerungskultur und stiftet moldauische und rumänische Staatsidentität. Er gilt als Nationalheld: Im 14. Jahrhundert kämpfte er gegen die osmanische Regentschaft, konnte den moldauischen Thron besteigen und wehrte sich gegen seinen ungarischen Nachbarn. Besonders 1991, während der moldauischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die Sowjetunion, spielte Stefan Cel Mare eine große Rolle bei der Mobilisierung des Volkes. Seine Geschichte erinnerte die Protestierenden an ihre langjährige Verbindung zu Rumänien und setzte damit den Kontrast zur damals vorherrschenden sowjetischen Diktatur.
Moldau liegt auf Platz zwei der europäischen Länder mit den wenigsten Tourist:innen. Dabei bietet es weite Landschaften, alte und prächtige Kloster und historische Orte, die noch immer gut erhalten sind. „Einer der Orte, den ich meinen Gäst:innen einfach immer gerne zeige, ist Cricova“. Cricova befindet sich 15 km nördlich der Hauptstadt Chisinau. Unter der Erde verlaufen 120 km lange Tunnel und Gänge aus dem 15. Jahrhundert, die den international prämierten Cricova-Wein beherbergen. Cricova gilt als fast schon heiliger Ort – er soll vom Himmel mit Fruchtbarkeit gesegnet sein.
Auf der Suche nach Geschichten stieß ich in Moldau auf starke Einflüsse aus Rumänien und Russland, frohe Feste, stolze Erzählungen von Nationalheld:innen und auf ein kunterbunt gemischtes Volk. „Hier haben sich nach dem Zerfall der Sowjetunion viele Regionen eigenständig weiterentwickelt. Und ich würde schon sagen, dass sich hier viele Kulturen begegnen. Es sind zurzeit zum Beispiel auch viele Ukrainer:innen hier, die vor dem Krieg geflohen sind. Trotzdem fühlen wir uns als Moldauer:innen doch wie eine gemeinsame Nation“.
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