Planet Storytelling: Südafrika
Seit dem Ende der Apartheid 1994 versucht die sogenannte Rainbow Nation Südafrika ihr historisches Trauma zu verarbeiten und ein Narrativ für eine neue Zukunft zu entwickeln. Storytelling spielt entsprechend eine fundamentale gesellschaftliche und kulturelle Rolle im Land mit den meisten offiziellen Sprachen der Welt (11). In dieser Ausgabe unserer Planet-Storytelling-Serie betrachten wir einige Beispiele, wie eine Nation lernt, durch Geschichten zusammenzuwachsen.
Nkosi Sikelel’ iAfrika
Das Lied “Nkosi Sikelel’ iAfrika“, ursprünglich 1897 vom methodistischen Geistlichen Enoch Sontonga geschrieben, wurde zum Symbol des Widerstands gegen die Apartheid. Von den Behörden wurde es verboten und von Revolutionär:innen in ganz Südafrika und darüber hinaus dennoch, oder erst recht, aufgegriffen. Nachdem es auch in anderen Teilen der Welt Anklang fand, von Paul Simons „Graceland“-Tour bis zu Aufnahmen in Brasilien, wurde es 1994 zur südafrikanischen Nationalhymne ernannt.
Ursprünglich war „Nkosi Sikelel’ iAfrika“ jedoch nicht die einzige Hymne des Landes, sondern teilte sich diesen Status mit „Die Stem“, der Afrikaans-Version. Nach drei Jahren wurden die beiden Teile zu einer Nationalhymne vereint, der einzigen auf der Welt, die fünf Sprachen enthält: isiXhosa, isiZulu, seSotho, Afrikaans und Englisch.
Long Walk to Freedom
In seiner Autobiografie „Long Walk to Freedom“ erzählt Nelson Mandela fesselnd und authentisch die Geschichte seines außergewöhnlichen Lebens. Von seiner Kindheit in einem südafrikanischen Dorf bis zu seinem langen Kampf gegen die Apartheid, beschreibt er darin nicht nur politische Ereignisse, sondern auch persönliche Entwicklungen und emotionale Herausforderungen.
Das Buch ist nicht nur ein Bericht über sein Leben, sondern auch ein Musterbeispiel für Storytelling: Seine Sprache ist kraftvoll, eindringlich und zugänglich. Er verwendet Metaphern, Bilder und emotionale Nuancen, um seine Erfahrungen lebendig werden zu lassen. Mit seinem Schreibstil vermittelt Mandela klare Botschaften über Einheit, Versöhnung und den Wert des Widerstands gegen Ungerechtigkeit. Sein Ziel war es nicht nur seine eigene Geschichte zu erzählen, sondern auch Lehren für die Zukunft zu ziehen und die Leser:innen zu inspirieren.
Truth-Telling
„Truth-Telling” wurde zu einem entscheidenden Teil des Heilungsprozesses nach dem Ende der Apartheid. Nach den demokratischen Wahlen von 1994 stand der neu gewählte Präsident Nelson Mandela vor der Herausforderung, wie mit der massiven rassistischen Unterdrückung und den Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid umgegangen werden sollte.
So entschied sich Südafrika unter Mandelas Führung für die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission), in der die Opfer ihre Geschichten der Unterdrückung erzählen und die Täter:innen ihre Verbrechen ehrlich eingestehen sollten, um eine staatliche Begnadigung zu erhalten. Wenn auch nicht mehr unter dem Deckmantel einer offiziellen Institution, wird diese Tradition der gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung durch Geschichten bis heute gepflegt.
Ubuntu – I am because we are
Die Philosophie des Ubuntu ist tief in der südafrikanischen Kultur verwurzelt und verkörpert das Prinzip des gemeinschaftlichen Daseins und des menschlichen Miteinanders. Der Begriff stammt aus den Bantu-Sprachen und wird in vielen afrikanischen Gesellschaften, besonders aber in Südafrika, verwendet. Ubuntu lässt sich am besten mit „Menschlichkeit gegenüber anderen“ oder „Ich bin, weil wir sind“ übersetzen.
Dieses Weltbild hat insbesondere beim Übergang von der Apartheid zur Demokratie eine wichtige Rolle gespielt. Es dient als Leitfaden für Versöhnung, soziale Gerechtigkeit und den Aufbau einer inklusiven Gesellschaft. Der Begriff Ubuntu hat nicht nur in Südafrika, sondern auch international Beachtung gefunden und wird oft als Inspiration für Konzepte wie Mitgefühl, Gemeinschaft und interkulturelle Verständigung verwendet.
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