Umweltschutz – das ist dieses unpopuläre Wort, welches zwangsläufig mit unbequemer Arbeit in Verbindung gebracht wird. Schließlich müssen wir ins Machen kommen, damit sich bestehende Missstände ändern. Non-Governmental Organisations (kurz: NGOs) haben sich dieser anspruchsvollen Aufgabe gewidmet und packen da an, wo sie gebraucht werden. Von Natur- bis zum Tierschutz sind die Einsatzgebiete der unterschiedlichen Vereine riesig. Je nach Kommunikationskanal nehmen sie uns dabei mit auf ihre Reise und berichten von ihren Erfolgen, aber auch von den Fehlschlägen. Unter der Vielzahl an Organisationen hat sich eine von ihnen nicht weniger zugeschrieben als den Schutz des größten Ökosystems unseres Planeten: der Meere.
Etwa 71 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt, was ein Leben auf ihr überhaupt erst möglich macht. Doch während die friedliche Idylle an der Meeresoberfläche trügt, lauern in den Tiefen verborgen gravierende Probleme. Denn Klimawandel und Überfischung tragen zu einem massiven Artensterben bei. Unsere Ozeane werden immer leerer. Gleichzeitig landen etwa 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr im Meer, was etwa einer Lastwagenladung pro Minute entspricht. Machen wir so weiter wie bisher, werden wir 2050 genauso viel Müll wie Fische in den Weltmeeren haben.
Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd setzt sich deshalb seit 1977 für den Erhalt der Ozeane und gegen die Ausbeutung der Meere ein. Von dem ehemaligen Greenpeace-Mitbegründer Captain Paul Watson ins Leben gerufen, verfolgte der Verein zunächst einen eher radikalen Weg, was seinen Mitgliedern zeitweise den Ruf als Piraten einbrachte. Heute hat die Organisation einen diplomatischen Kurs eingeschlagen, der sich als deutlich effizienter erwiesen hat. So arbeitet sie vielerorts mit den jeweiligen Behörden eines Landes und verschiedenen wissenschaftlichen Instituten zusammen.
Im Kampf gegen illegale Fischerei, die zunehmende Verschmutzung sowie die Tötung zahlreicher maritimer Lebewesen dokumentiert Sea Shepherd weltweit Missstände und betreibt direkten Artenschutz, wo er erforderlich ist. Ihre Kampagnen führen die internationalen Teams um die ganze Welt. Doch bereits ein Blick vor die eigene Haustür in die Gewässer Deutschlands reicht aus, um einen Eindruck von der Arbeit der NGO zu gewinnen.
Mit der Baltic Sea Campaign hat sich die deutsche Niederlassung des Vereins der Ostsee verschrieben. Seit 2021 befreit die Mannschaft um Kampagnenleiter Florian Stadler das Baltische Meer von alter Fischereiausrüstung und birgt sogenannte Geisternetze. Diese verwaisten Fischernetze treiben mitunter jahrzehntelang im Wasser und sind eine Bedrohung für sämtliche Meereslebewesen sowie Seevögel. Doch besonders die in der Ostsee lebenden Schweinswale sind durch die zurückgelassenen Todesfallen massiv gefährdet und ihre Bestände bereits stark zurückgegangen. Ein weiterer Bestandteil der jährlichen Kampagne sind Cleanups entlang der Küste und deutschlandweit an Seen. Solche Reinigungsaktionen verhindern, dass noch mehr Abfall und Plastik ins Meer gelangen.
Schweinswale sind Delfinen zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in ihrer Anatomie. Talia Cohen
Das Storytelling für NGOs nicht immer über aufwendig produzierte Begleitvideos oder Dokumentationen erfolgen muss, zeigt die Social Media Reise der Sea Shepherd Crew. Über den gesamten Kampagnenverlauf hinweg wurden die Follower der Organisation über die aktuellen Entwicklungen mittels Reels, Videos oder Bildern informiert und die Botschaft transportiert. Warum besonders die Kommunikation über soziale Netzwerke so bedeutend für die Arbeit von Sea Shepherd und NGOs generell ist, erklärt Kampagnenleiter Florian:
Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung von Sea Shepherd zur Verfügung gestellt.
Doch nicht nur die Transparenz und der direkte Kontakt zu Supportern ist durch die Nutzung von Social Media gewährleistet.
Sea Shepherd erklärte seine Follower kurzerhand zu Held:innen und ließ sie Teil der Geschichte werden. Ein Aufruf über die sozialen Netzwerke für tauchaffine Freiwillige, um bei den Unterwasser-Bergungsaktionen zu helfen, machte den Anfang. Doch wer jetzt an den buchstäblichen Sprung ins kalte Wasser denkt, irrt.
Denn Freiwillige, die mutig genug waren, aus ihrer gewohnten Welt herauszubrechen, mussten zunächst entsprechend vorbereitet und geschult werden. Schließlich sind die Bedingungen der rauen Ostsee alles andere als einfach – schlechte Sicht und Eiseskälte inklusive. Die Gefahr, sich selbst in den Netzen zu verfangen, ist groß, da sie nicht statisch im Wasser liegen und sich bewegen. Das Tauchteam muss also nicht nur körperlich gegen die permanente Strömung ankämpfen, sondern immer zu 100 Prozent fokussiert sein. Nach den Vorbereitungen war es Ende Juni endlich soweit und die Baltic Sea Campaign ging für eine weitere Saison an den Start.
Hand in Hand konnten schnell erste Erfolge verbucht werden. Die positive Bilanz: Etliche Kilogramm Fischereiausrüstung, Plastikmüll und ein 1.500 Meter langes Stellnetz wurden geborgen. Weitere Wochen und viele weitere Meter Geisternetze sollten folgen. Neben einigen hundert geretteten Meerestieren wurden dabei jedoch auch mehr als 1.100 getötete Lebewesen gezählt.
Glück im Unglück: Diese Krabbe konnte lebend aus einem Geisternetz befreit werden. | Sea Shepherd
Reine Zahlen wirken auf uns meistens zu abstrakt. Trockene Fakten wiederum zu langweilig. Wir haben in der Vergangenheit bereits darüber geschrieben, dass sich das Narrativ in der Klimakommunikation ändern muss. Auch deshalb sind Plattformen wie Instagram und Co. ein ideales Mittel für NGOs, denn sie lassen vor allem die Bilder für sich sprechen. Erst wenn die Auswirkungen unseres Handelns sichtbar werden, lassen sich die Menschen vielleicht zu einem Umdenken bewegen. Das sieht auch Florian so und erklärt, dass neben der Bildsprache vor allem Sachlichkeit gefragt ist:
Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung von Sea Shepherd zur Verfügung gestellt.
Jede Geschichte – egal, ob real oder fiktiv – hat Höhen und Tiefen. Nach zahlreichen herausfordernden Tauchgängen, in denen Schiffwracks von hunderten Kilo Netzen befreit werden konnten, führt die Baltic Sea Campaign die Crew Ende Juli nach Travemünde. Dort markierte der Fund eines toten Seehundes den traurigen Höhe- oder besser gesagt Tiefpunkt der Operation. Das Tier hatte sich im Netz verfangen und ist elendig ertrunken. Robben sind zwar hervorragende Taucher, doch auch sie müssen nach spätestens 30 Minuten an die Oberfläche, um Luft zu holen. Solche erschütternden Funde sind leider keine Einzelfälle.
Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung von Sea Shepherd zur Verfügung gestellt.
Und doch gibt es sie: die Momente, die das Team daran erinnern lassen, wofür sich all diese Mühen lohnen.
Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung von Sea Shepherd zur Verfügung gestellt.
Am 2. November 2023 wurde die Baltic Sea Campaign offiziell abgeschlossen und das Schiff – die Triton – kehrte in seinen Heimathafen zurück. Vier Monate lang patrouillierte es auf dem Baltischen Meer. Oberflächlich betrachtet hat sich nichts verändert. Doch unter der Wasseroberfläche konnte das Team mehr als 10 Tonnen Fischereiausrüstung aus der Ostsee holen. Netze, die für viele maritime Lebewesen den Tod bedeuteten und weitere Opfer gefordert hätten, wären sie nicht geborgen worden.
Seit drei Jahren liegt der Schwerpunkt der Baltic Sea Campaign auf der Bergung von Geisternetzen. Viele weitere werden sicherlich folgen, denn solange die Fischerei nicht verantwortungsvoll mit den endlichen Ressourcen unseres Planeten umgeht, wird die Arbeit von Sea Shepherd und den zahlreichen Freiwilligen nötig sein. Wie schafft es Florian, bei dieser scheinbaren Mammutaufgabe die Zuversicht nicht zu verlieren?
Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung von Sea Shepherd zur Verfügung gestellt.
Es liegen noch einige (See-)Meilen und eine Menge harte Arbeit vor uns. Doch es lohnt sich. Auch wenn die Veränderungen nur langsam sichtbar werden und die Prozesse dauern: unlängst hat ein Umdenken bei den Menschen stattgefunden. Immer mehr Konsument:innen entscheiden sich für eine fleischärmere oder sogar vegane Ernährung. Immer mehr erkennen das Zusammenspiel zwischen dem eigenen Handeln und dem direkten Einfluss auf die Natur. Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierethik werden besonders bei der heranwachsenden Generation zunehmend wichtiger. Vielleicht ist Umweltschutz doch nicht so ein unpopuläres Wort, sondern viel mehr ein Lichtblick und die Erinnerung daran, dass jede:r von uns etwas dazu beitragen kann.
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