Gute Geschichten haben eines gemeinsam: Sie berühren unser Herz. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir uns den dramatischen Gefühlen hingeben, die Tragödien in uns auslösen, oder ob wir uns an Witz und Humor erfreuen. Wenn es Unternehmen gelingt, unsere Emotionen zu wecken und gleichzeitig ihre Botschaften authentisch zu vermitteln, haben sie verstanden, was Storytelling für sie leisten kann.
Die Brand-Storytelling-Kampagnen des Monats Mai bringen ebendies mit. Die Traditionsunternehmen Montblanc und Mercedes Benz werfen einen nostalgischen, aber nicht verklärenden Blick auf ihre eigene Geschichte. Mercedes schafft es dabei sogar, seine Liebe zur deutschen Demokratie zu untermauern und beweisen, dass politisches Storytelling kein No-Go ist. Lustiger läuft es bei der Sparda Bank, die Mut und Humor kombinieren, um ihrer Marke Charakter zu verliehen und das Vertrauen ihrer Zielgruppe zu erlangen. Um Vertrauen geht es ebenfalls in den aktuellen Spots der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, wenn auch aus deutlich tragischeren Gründen.
Ein Spot für die Kinoleinwand – so präsentiert sich die neue Werbung des Herstellers von Leder, Uhren und Füllfederhaltern Montblanc. Für die neue Kampagne zum 100-jährigen Jubiläum seines „Meisterstücks“ engagierte das Unternehmen keinen Geringeren als Kultregisseur Wes Anders. Mit seinem surrealen Retro-Stil und charmantem Humor erweist der Filmemacher der Traditionsmarke eine Hommage und wirft dabei vor allem einen Blick in die Vergangenheit.
Im historischen Ambiente einer Skihütte auf dem namensgebenden Berg Montblanc lassen die drei Protagonisten Jason Schwartzman, Rupert Friend und Anderson selbst die Ideen und Kampagnen von Montblanc im Stil einer Sales-Show Revue passieren. Von der ursprünglichen Vision eines Füllfederhalters, der Reisende auf Expeditionen begleitet, dank einer Kappe mit Auslaufschutz, damit er (oder sie) auf der ganzen Welt gewollt Spuren auf Papier hinterlassen kann. Bis hin zu Andersons eigener kleiner Kreation eines Modells, das scherzhafterweise so gar nicht in die Eleganz der Szenerie passen will.
Mit einem charmanten Augenzwinkern inszenieren Anderson und Montblanc gemeinsam die Botschaft ihrer Jubiläumskampagne und produzieren eine Ode an die Kunst des Schreibens und damit auch an das Geschichtenerzählen.
Wie andere Unternehmen ihre Firmenjubiläen gekonnt in Szene setzen, erfahrt ihr hier.
Auf den ersten Blick scheinen der 75. Geburtstag des deutschen Grundgesetzes und das Lieblingsprodukt der Deutschen, das Auto, nicht viel gemeinsam zu haben. Während das eine das staatliche Zusammenleben in einem demokratischen Staat regelt, bringt das andere die Bürger:innen eben jener Nation mal schneller, mal weniger schnell von A nach B. Und doch verbindet den deutschen Verkaufsschlager Automobil viel mit dem eigenen Land – vor allem die eigene Autonomie. Mit dem Slogan „Freiheit ist ein starker Motor“ gratuliert Mercedes-Benz deshalb am 23. Mai dem Grundgesetz zum Geburtstag.
Auf Plakaten in Berlin und Stuttgart sowie im Internet gibt Mercedes-Benz Einblicke in die eigene Geschichte der letzten 75 Jahre. Nach einem unternehmensinternen Aufruf reichten zahlreiche Mitarbeitende Fotos ihrer eigenen Wagen aus den Jahren 1949 bis 2024 ein. Alle Fahrzeuge erzählen die privaten Geschichten ihrer Besitzerinnen und Besitzer. Vom Oldtimer-Familienerbstück aus den 50er-Jahren bis zum modernen Elektroauto der ersten Klasse. Mercedes-Benz nutzt den Jubiläumstag, um seine eigenen Geschichten von Freiheit und Vielfalt zu erzählen.
Die Kampagne gliedert sich ein in eine Reihe von demokratiefreundlichen Werbeinitiativen des Automobilherstellers. Mercedes-Benz beweist, dass politisches Storytelling nicht nur NGOs und der Politik vorbehalten ist. Auch weltweit führende Konzerne können mit Geschichten ihrer Marke eine selbstbewusste und klare Stimme verleihen, die sich nicht scheut, gesellschaftliche Stellung zu beziehen.
Sommer, Sonne, nackte Haut? Für den neuen Spot der Sparda Bank wird blankgezogen. Denn unter dem Motto „Freie Konto Kultur“ greift die Berliner Bank das Lebensgefühl ihrer ostdeutschen Zielgruppe mit einem Augenzwinkern und einem Seitenhieb auf den Finanzdienstleister Visa auf.
Während in einem VISA-Werbefilm von 1991 die klassische Sex-Sells-Dame ihre Visa-Karte aus dem 90er-Jahre-Badeanzug zaubert, geht die Sparda einen Schritt weiter und präsentiert bargeldloses Bezahlen ganz ohne Kleidung. Die deutsche Werbebranche scheint nackte Männerbäuche zu lieben, denn es funktioniert. Bereits im Januar punktete BRLO mit einer Persiflage auf eine Calvin-Klein-Werbung. Damals ging es allerdings um eine gehypte Biermarke und nicht um ein Finanzinstitut. Sparda zeigt, wie lohnend es sein kann, die seriöse Hülle fallen zu lassen und dem humorvollen Storytelling eine Chance zu geben. Ob die Referenz auf das nackte Kulturgut der DDR bei der heutigen ostdeutschen Zielgruppe noch immer zieht, bleibt abzuwarten.
„Nah am Leben. Und nah am aufgeben“. Dieser finstere Claim ziert eines von vielen Werbeplakaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Rahmen ihrer Kampagne „Wir sind für sie nah“. In Zusammenarbeit mit der Agentur Ressourcenmangel schaltete die KBV zwei TV-Spots, die auf tragische Weise vor dem Praxissterben in Deutschland warnen. Dabei findet ein Perspektivwechsel statt, der der Botschaft noch mehr Gewicht verleiht.
Beide Spots beleuchten das emotionale Innenleben der Betroffenen, nämlich der Ärzt:innen und der Patient:innen. Im ersten Video steht vor allem die Überforderung im Arbeitsalltag der Mediziner:innen und ihr eigentlicher Wunsch, ihren Behandelnden zu helfen, im Vordergrund. Der zweite Spot geht dafür auf die Sorgen und Nöte der Betroffenen ein, die auf eine flächendeckende Versorgung in der Praxis angewiesen sind. Beide Perspektiven zeigen aber vor allem eines: die Menschen dahinter.
Die Kampagne dient der Aufklärung der Bevölkerung und wendet sich mahnend an die politischen Entscheider:innen. Die Botschaft ist klar: Wenn Praxen schließen müssen, verlieren Menschen auf beiden Seiten die Nähe zu einer menschlichen und vertrauensvollen medizinischen Grundversorgung. In dieser brenzligen Lage ist Tragik vielleicht genau das richtige Mittel der Wahl.
Mehr Inspiration zu gelungenem Brand Storytelling zeigen wir zum Beispiel in unseren Blogposts mit den besten Kampagnen aus dem April und März .
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