“Wir werden unter die letzten Vier kommen“, versprach Jogi Löw vor zehn Jahren vor dem WM-Viertelfinale gegen Frankreich mit gedrosselter Ambition. Selbst nachdem die “Mannschaft” die brasilianischen Gastgeber im Fünf-Minuten-Takt in den nationalen Nervenzusammenbruch geschossen hatte, erinnerte uns Toni Kroos: “Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden.” Am Ende langte es zum WM-Titel und das durfte gefeiert werden.
“Underpromise, overdeliver” ist eine ehrenwerte Einstellung, wenn auch keine, mit der man Pitches gewinnt (ich weiß, wovon ich rede). “Think Big” gilt hierzulande vielleicht für Biermaße oder Flughafenkosten. Hohe Erwartungen und große Versprechungen bescheinigen nur Hochmut und erzeugen Druck.
Diesem Thema widmete sich auch Adidas in seiner internationalen Kampagne zur diesjährigen EM: “You Got This”. Zum galoppierenden Groove des Songs Under Pressure von Queen und David Bowie und begleitet von tosender Fan-Euphorie zelebriert ein 90-sekündiger Zusammenschnitt die Triumphe der Fußball-Millionäre (gendern überflüssig).
Wenn es nur so einfach wäre. Tatsächlich, so erzählt David Beckham im Hintergrund, lasten auf Spielern wie Bellingham, Pedri und Wirtz die Träume einer ganzen Nation. Wie geht man mit dieser mentalen Last um? Adidas weiß es: “Der Druck, den Erwartungen anderer gerecht zu werden, kann vieles unerreichbar erscheinen lassen. Aber wenn du es wie Florian Wirtz schaffst, diesen Druck in Spaß, Freude und Selbstbewusstsein zu verwandeln, kannst du jeden Gegner schlagen.” Burnout-Syndrom: Solved!
Für Großbritannien hat Adidas dieser Kampagne einen eigenen Spot gewidmet, in dem Jude Bellingham die Nation aus der anscheinend traumatischen Niederlage im WM-Halbfinale 2022 entstandenen Depression herausführen soll. Eine Prophezeiung, die per Fallrückzieher im Achtelfinale fast besiegelt wurde, auch wenn es am Ende wieder nicht für den Titel gereicht hat. Nur die Tontechnik-Verantwortlichen, die Paul McCartneys Stimme zum Background-Song “Hey Jude” verzerrt haben, gehören in eine Endlosschleife von Yoko-Ono-Alben verbannt.
Für Deutschland hielt Adidas allerdings ein wichtigeres Thema parat: Trikots. Und unsere narzisstische Hassliebe zur deutschen Identität. Wie keine andere Nation sind wir besessen vom eigenen Image und den damit behafteten Klischees. Aber immer mit Selbstironie, bitte. Soll nochmal jemand zu behaupten wagen, wir hätten keinen Humor! So nimmt der unterhaltsam produzierte Spot “Typisch Deutsch” unsere eigenen Stereotypen wie Pünktlichkeit auf die Schippe, während Vielfalt, Späti-Kultur und der Song Major Tom als inoffizielle EM-Hymne gefeiert werden. In gleicher Manier stand auch das Konter-Video zum vorprogrammierten Aufschrei über das pinke Auswärtsshirt verdächtig schnell bereit.
Dumm nur, dass unser charmanter Witz im Ausland niemanden interessierte. Typisch britisch, dass sich die BBC lieber um das leidige Haar in der Suppe kümmert, dass der Schriftzug der ursprünglich personalisierbaren Shirts dazu einlud, die SS-Rune mit der Trikotnummer 44 zu bestellen.
Und nur weil wir selbstironisch zugeben, dass hier nicht immer alles pünktlich läuft, ist das noch lange keine Grund, dass die New York Times die mangelhafte Logistik rund um die EM in Deutschland genauer unter die Lupe nehmen muss. In unserem Bedürfnis nach Anerkennung getroffen, schreit es von deutschen Medien nur bockig zurück, die New York Times “lästert über” und “verreißt” die deutsche EM.
Apropos USA: Was hat Nike eigentlich die ganze Zeit gemacht, außer Adidas den Status als Ausrüster der deutschen Nationalmannschaft wegzuschnappen? Ganz ohne Pseudo-Mental-Health-Twist bekennt sich ihr Spot “Awaken Your Madness” mit vollem Commitment zum buchstäblichen Größen-Wahnsinn. And I’m here for it.
Die verbissene Besessenheit, die man haben muss, um auf das Niveau von Haaland, Vini Jr., Ronaldinho und Mbappe zu kommen, wird perfekt in Szene gesetzt: düster-bizarre Optik, hektische Schnitte, pulsierende Soul-Beats mit der frenetischen Stimme von Screamin’ Jay Hawkins zu dem Lied “There’s Somethin’ Wrong With You”.
Vielleicht passen Nike und der DFB doch besser zusammen, als manche:r denkt. Zumindest fand der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der Niederlage gegen Spanien ähnlich fieberhafte, untypisch groß denkende Worte, um für das nächste Turnier anzuheizen: „Das tut weh, dass man zwei Jahre warten muss, bis man Weltmeister wird.“
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