Vom Popcornkino bis zur großen Kunst der Weltliteratur – Menschen lieben gute Geschichten. Das ist auch in der Entertainment-Industrie nicht anders. Neben dem neuesten Kinofilm, den aktuellen Bestsellern in den Regalen des Buchhandels oder dem brandheißen Chartbreaker aus der Feder von Taylor Swift gibt es in der Unterhaltungsbranche einen weiteren Anwärter auf das Siegertreppchen des gelungenen Storytellings.
Denn die Gamesbranche schafft es, dank ihrer einzigartigen Erzählmöglichkeiten, ihre Zuschauer zu tatsächlich Handelnden in ihren Geschichten zu machen und sie so in ihren Bann zu ziehen. Doch darum soll es heute nicht gehen. Vielmehr wollen wir einen Blick auf den Einsatz von Storytelling in der Marken- bzw. Unternehmenskommunikation werfen. Die Studios und Entwickler:innen hinter den Spielen sind sehr gut darin, ihre eigenen Narrative zu erzählen. Um zu verstehen, wie Corporate Storytelling in der Gaming-Industrie funktioniert und welche Lehren andere Branchen daraus ziehen können, werfen wir einen Blick auf zwei unterschiedliche Erzählansätze von Spieleentwickler-Studios in ihrer Unternehmenskommunikation.
Video- und Computerspiele bieten eine einzigartige Vielfalt an Erzählmöglichkeiten, von dialogbasierten Rollenspielen bis zu Environmental Storytelling, bei dem die Umgebung selbst zur Geschichte wird. Spiele wie „The Witcher„, „The Last of Us“ und „Mass Effect“ fesseln durch komplexe Handlungen und verzweigte Erzählungen, die auf den Entscheidungen der Spielenden basieren und tiefgründige Themen wie Moral, Verlust und Überleben behandeln.
Auch die Unternehmen hinter den Spielen verstehen es, ihre eigenen Geschichten geschickt zu erzählen. Ein Beispiel ist das Entwicklerstudio „Riot Games“, das mit „League of Legends“ den Free-to-Play-Markt revolutionierte und zu einem der führenden Entwicklern von E-Sport-Titeln wurde, dabei aber stets seine Wurzeln als Aufsteiger und Underdog aus der Community betont.
Aber nicht nur große Studios profitieren von starken Narrativen. Auch die Indie-Szene setzt auf überzeugendes Storytelling. Wer wenig Ressourcen für Grafik, Sound und Marketing hat, kann sich im besten Fall auf die Überzeugungskraft seiner Geschichten verlassen – innerhalb und außerhalb des Spiels. „Stories matter“ gilt hier mehr denn je. Eric Barone etwa schuf mit „Stardew Valley“ ein Indie-Erfolgsspiel, das eng mit seiner eigenen Geschichte verknüpft ist und damit die Kraft von authentischen Heldengeschichten beweist.
Eric Barone, frisch mit einem Informatikabschluss in der Tasche, fand nach der Uni keinen passenden Job, bei dem er seiner Kreativität freien Lauf lassen konnte. Stattdessen entschied er sich, sein eigenes Videospiel zu entwickeln und brachte sich alle nötigen Fähigkeiten selbst bei. Er arbeitete vier Jahre lang rund um die Uhr an „Stardew Valley”, finanziert durch einen Nebenjob und die Unterstützung seiner Partnerin. Durch engen Kontakt zur Community baute er schon vor der Veröffentlichung eine Fangemeinde auf. Als das Spiel 2016 erschien, wurde es ein Riesenerfolg und verkaufte sich weltweit über 30 Millionen Mal – eine wahre Heldenreise.
1. Gewöhnliche Welt: Eric Barone ist arbeitslos und auf der Suche nach einem Job, der ihm Raum für Kreativität und eigene Schöpfungen lässt.
2. Ruf zum Abenteuer: Inspiriert durch ein Game seiner Kindheit, Harvest Moon, möchte er lernen, ein Spiel zu entwickeln, das seinen eigenen Ansprüchen und Wünschen gerecht wird.
3. Weigerung: Er steht vor der Herausforderung, allein und ohne Vorkenntnisse ein Spiel zu entwickeln und wird von Selbstzweifeln, Isolation und Geldsorgen geplagt.
4. Mentorin: Neben der Inspiration durch die Spieleserie Harvest Moon ist Barones Partnerin Amber seine wichtigste Mentorin. Mit ihrer Unterstützung gelingt die Entwicklung von „Stardew Valley“.
5. Erste Schwelle: „Stardew Valley“ durchläuft das Zulassungsverfahren für Steam-Greenlight, ein Förderprogramm für unabhängige Entwickler:innen auf der größten Spieleplattform Steam.
6. Prüfungen, Verbündete und Feinde: Der gesamte Entwicklungsprozess wird für Barone zu einer Prüfung seines Durchhaltevermögens, wobei sein größter Gegner seine eigenen Zweifel sind. Mit dem Publishing-Studio Chucklefish findet er einen Verbündeten, der ihn bei administrativen Aufgaben unterstützt und ihm so mehr Zeit für die Entwicklung lässt.
7. Tiefste Höhle: Der anhaltende Zustand aus Stress und Angst führt Barone in seine tiefste Höhle. Nur wenige Tage vor der Veröffentlichung von „Stardew Valley“ gibt er beinahe auf. In seinem Kopf wiederholen sich immer wieder die Worte: „This game sucks“.
8. Krise: Barone muss über seinen Schatten springen und sich seiner größten Angst stellen, seine Familie, seine Community und sich selbst zu enttäuschen.
9. Belohnung: Bereits zwei Monate nach der Veröffentlichung im Februar 2016 wird „Stardew Valley“ ein internationaler Erfolg und verkauft sich eine Million Mal.
10. Rückkehr: Barone arbeitet daran, sein Spiel durch den Austausch mit der Community ständig zu verbessern und Fehler zu beheben.
11. Auferstehung: Er hat es geschafft, eine loyale und begeisterte Gemeinschaft und Käuferbasis aufzubauen und sich einen Namen als talentierter Indie-Entwickler in der Spielebranche zu machen.
12. Rückkehr mit dem Elixier: Dank „Stardew Valley“ ist Barone heute finanziell unabhängig und kann seine Ressourcen in neue Projekte stecken.
Die Geschichte von Eric Barone und „Stardew Valley“ ist ein Paradebeispiel für die Heldenreise: Er beginnt als unerfahrener Entwickler, wird mit Herausforderungen und Rückschlägen konfrontiert und durchläuft eine transformative Reise, die ihn vom unbekannten Programmierer zum gefeierten Ausnahmetalent macht. Wie der Held in einer epischen Geschichte, der auf seinem Weg Prüfungen besteht, Mentoren findet und schließlich triumphiert, erlebt auch Barone Wendepunkte, durchquert seine tiefsten Abgründe und gelangt am Ende an sein Ziel.
Neben den Erfolgsgeschichten von Studios wie Riot Games oder Indie-Projekten wie „Stardew Valley“ gibt es in der Spielebranche auch immer wieder Beispiele des Scheiterns. So schaffte es das polnische Entwickler-Studio „CD Projekt“, sich 2020 dank Storytelling von einer nie zuvor dagewesenen Krise zu erholen. Ganz nach dem Handlungsmuster von „Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg“ (Rise, Fall, and Redemption) inszenierte sich der Mitgründer Marcin Iwinski selbst zum geläuterten Mentor für Millionen Spielende weltweit.
Gegründet in den späten 1980ern in Polen, erreichte das Spieleentwickler-Studio „CD Projekt“ 2015 weltweiten Erfolg mit seinem Game „The Witcher 3 – Wild Hunt“. Der zu diesem Zeitpunkt bereits dritte Teil einer Trilogie um die Figur des Hexers Geralt von Riva wurde von Fans sowie Medien lange Zeit als Paradebeispiel für Storytelling im Genre der Rollenspiele herangezogen und verhalf dem Studio zu insgesamt 50 Millionen verkauften Spielekopien. Kein Wunder also, dass die Spielerschaft weltweit auch fünf Jahre später dem neuen vermeintlichen Erfolgsgaranten aus der Feder des Entwicklerstudios entgegenfieberte.
Mit dem Release des dystopischen Open-World-Rollenspiels „Cyberpunk 2077“ im Jahr 2020 geriet das Unternehmen in eine schwere Krise: Das mit Vorschusslorbeeren überhäuften Spiel wurde wegen technischer Probleme durch die enttäuschten Fans weltweit scharf kritisiert. Am Ende kam es sogar zu einer Sammelklage von wütenden Aktionär:innen.
Trotz dieses herben Rückschlags arbeitete „CD Projekt“ daran, das Vertrauen der Community zurückzugewinnen, indem es das Spiel kontinuierlich verbesserte und eine bemerkenswerte Transparenz in der Außenkommunikation pflegte. Im Laufe der Krise nahmen „CD Projekt“ und Mitgründer Marcin Iwinski die Rolle des geläuterten Mentors an der Seite ihrer enttäuschten Community ein.
Den wiederauferstandenen Mentor kennen wir, wie so oft, bereits aus dem Kino – ebenso wie aus den Biografien erfolgreicher Unternehmen. Dumbledore, Begleiter und Schulleiter des berühmte Zauberers Harry Potter, beginnt als allwissender und mächtiger Mentor an Harrys Seite, bevor er jedoch Fehler macht, die Harry Potter gefährden. Durch Rückbesinnung auf seine Mentorenrolle wird er später zu zentralen Figur im Kampf gegen Voldemort.
In die Reihe dieser Mentoren lässt sich seit einigen Jahren nun auch CD Projekt einordnen. Das folgende Video zeigt ein Statement von Marcin Iwinski, in dem er sich offen und ehrlich an seine enttäuschten Fans wendet. Er erzählt die Geschichte eines schuldbewussten und einsichtigen Mentors, der die Herausforderungen erkennt, Fehler eingesteht und aktiv Lösungen anbietet. Durch öffentliche Entschuldigungen, transparente Updates und Roadmaps für zukünftige Verbesserungen hat das Studio eine Geschichte von Wachstum, Reue und dem Streben nach einem besseren Spielerlebnis für ihre Community geschaffen.
„Stories are what our dreams are made of.“
Final Fantasy X
Die Spielebranche zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Storytelling ist, um Menschen zu fesseln und langfristig an sich zu binden. Und dabei geht es nicht nur um die Erzählungen innerhalb der Spiele, sondern auch um die Geschichten, welche die Entwicklerstudios von sich erzählen. Ob Heldenreisen wie die von Eric Barone oder der Weg vom Aufstieg, Fall und der Wiedergeburt etablierter Studios wie „CD Projekt“ – sie alle beweisen, dass authentische und emotionale Geschichten auch in der umsatzstärksten Unterhaltungsbranche der Welt wichtige Erfolgsfaktoren sind.
Denn Verkaufszahlen und Wachstum gehen Hand in Hand mit der Beziehung zu den vielfältigen und leidenschaftlichen Communities der Spielewelt. Ihre Loyalität gilt es zu gewinnen, wenn man es in der Gaming-Welt weit schaffen möchte – und das schafft man nur, indem man die eigene Menschlichkeit nicht verschweigt, sondern für sich nutzt.
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