Storytelling statt Storyyelling: Warum Botschaften besser erzählt und nicht einfach hinausposaunt werden
In einer Welt, in der wir ständig von Informationen überflutet werden, scheint der lauteste Schrei oft die größte Aufmerksamkeit zu bekommen – und nicht der wertvollste Inhalt. Doch ist diese Strategie langfristig erfolgreich? Wohl kaum. Wer wirklich gehört und verstanden werden möchte, sollte auf die Kunst des Storytellings setzen. Und zwar so, dass die eigene Message berührt, fesselt und nachhallt.
Bild: cottonbro studio
Was zunächst ein Typo war, entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als perfekte Beschreibung für ein (Internet-)Phänomen: die verzweifelte Jagd nach Aufmerksamkeit durch lautere, provokantere und inhaltslosere Veröffentlichungen. Doch wer sich inmitten des Lärms unserer nachrichtenüberfluteten Welt Gehör verschaffen will, muss nicht lauter sein, sondern relevanter. Storytelling statt Storyyelling eben. Denn am Ende sind es Geschichten, die Bedeutung, Emotionen und vor allem eine Verbindung schaffen. Aber warum genau funktioniert das eigentlich so gut?
Storytelling: Wie Geschichten wirken
Die Antwort liegt tief in unserer menschlichen Natur. Seit Jahrtausenden erzählen wir uns Geschichten, um Wissen zu teilen, Gemeinschaft zu leben und Emotionen auszudrücken: am Lagerfeuer, in Form von Märchen, Mythen oder Sagen. Die meisten Kulturen haben beispielsweise Erzählungen, um die Entstehung der Erde zu erklären.
In meinem Beitrag über Australien gehe ich näher auf Geschichten der Aboriginal People ein, deren Version zur Entstehung der Welt Traumzeit genannt wird.
Storys fesseln uns, weil sie auf universellen Erfahrungen basieren. Sie lassen uns lachen, weinen, staunen oder gar wütend zurück – sie lassen uns fühlen. Deshalb sind sie im großen Stil relatable, denn Emotionen sprechen überall die gleiche Sprache. Geschichten haben außerdem das Potenzial, komplexe Sachverhalte verständlich und greifbar zu machen. Gutes Storytelling droppt nicht nur Fakten, sondern nimmt uns mit auf eine Reise, ordnet ein, schafft Bezug und Relationen. Diesen Skill nutzen auch Marken, Politiker:innen, die Wissenschaft und Influencer. Denn wer versteht, Storytelling für sich einzusetzen, hat einen klaren Vorteil.
Don’t just sell – tell a story!
Am Ende des Tages geht es darum, Gehör zu finden – aber nicht durch das Hinausposaunen von phrasigen Claims. Storytelling ist kein Trend, sondern eine grundlegende Fähigkeit und eine langfristige Strategie, die Unternehmen heute beherrschen müssen, um im Kommunikationsdschungel zu bestehen. Marken, die Geschichten erzählen, bauen eine Beziehung zu ihren Kunden auf. Sie zeigen, dass sie mehr zu bieten haben als Produkte und Dienstleistungen – sie haben eine Identität, eine Mission und Werte. Deshalb reicht es nicht, einfach irgendeine Geschichte zu erzählen.
Storytelling ist eine strategische Entscheidung. Es geht darum, die richtigen Geschichten zu finden. Jene, die auf den Charakter der Marke einzahlen. Ein Paradebeispiel dafür ist Patagonia. Die Brand hat es geschafft, dass Menschen nicht einfach nur Jacken kaufen, sondern Konsum als Aktivismus deuten – und hat Storytelling damit durchgespielt.
Mit Herz statt Lautstärke überzeugen
Wo es Positivbeispiele gibt, sind auch die Negativbeispiele nicht weit. In einer Zeit, in der unsere Aufmerksamkeitsspanne angeblich immer kürzer und die Content-Economy immer größer wird, ist unser Fokus zur Ware geworden. Catchy Infos werden also möglichst emotional in die Überschrift, den Teaser, die ersten 3 Sekunden des Reels gepackt. Negative Nachrichten bringen mehr Engagement und Aufregung führt zu mehr Interaktion – genannt Rage Baiting. Das wird von manchen Influencern und Marken aktiv genutzt, um zu provozieren, hitzige Diskussionen auszulösen und die Community zu spalten. Traurig, aber wahr.
Der Smoothie-Hersteller True Fruits geriet 2019 in massive Kritik, weil er rechte, sexistische und ableistische Rhetorik in die Welt posaunte. Dabei wurde klar, dass sich das Startup in seiner Unbekümmertheit um nichts weiter schert als um den eigenen Erfolg. Dafür ist ihnen kein Preis zu hoch und keine Grenzverletzung zu debil. Die Internetgemeinde (sowie der Einzelhandel) hat das abgestraft – zumindest teilweise. Aktivisten haben sogar eine eigenen Instagram Seite ins Leben gerufen, um sich mit der fragwürdigen Strategie des Unternehmens auseinander zu setzen.
Dass diese Selbstreflexion der Konsumierenden Auswirkungen auf den (Nicht-)Erfolg von Marken hat, lässt hoffen. Zum einen, dass Firmen ihre Marktmacht für mehr als nur Gewinnmaximierung nutzen. Zum anderen, dass unsere Gesellschaft weiterhin in der Lage ist, weiter als eine Überschrift oder zehn Sekunden zu denken – und damit strategisches und werteorientiertes Storytelling immer sinnvoller bleibt als provokatives Storyyelling.
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12. November 2024