„Seitenbacher-Müsli, woisch, des isch des Müsli von dem Seitenbacher!“
Ein Blick auf die Müslipackung im Supermarktregal genügt, und schon erklingt die markante Stimme von Willi Pfannenschwarz im Kopf. Der schwäbische Dialekt des Seitenbacher-Firmenchefs ist durch die jahrelange Werbung im Radio und Co. längst zum Markenzeichen des deutschen Lebensmittelunternehmens geworden. Dabei klingt Seitenbacher heimatlich und authentisch: Es erzählt die Geschichte eines Unternehmens, das stolz auf seine Herkunft ist.
Seitenbacher zeigt, wie Mundart als Storytelling-Tool funktioniert. Dialekte und Akzente verleihen einer Marke Wiedererkennungswert und schaffen eine starke Verbindung zur Zielgruppe. Wie nutzen andere Unternehmen diese Strategie – und was können wir von ihnen lernen?
Jede Marke erzählt eine Geschichte. Doch wie sie erzählt wird, macht den Unterschied. Genauso wie Menschen mit ihrer Art zu kommunizieren ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, offenbart sich die Markenidentität in ihrer einzigartigen Stimme: Ist sie bodenständig und traditionsbewusst wie Edeka, die durch die Betonung regionaler Produkte Vertrauen schafft? Oder steckt in ihr Abenteuerlust und Motivation wie bei Red Bull, die ihre Zielgruppen zur Höchstleistung antreiben? Eine Marke, die ihre Persönlichkeit kennt und genau weiß, welche Geschichte sie erzählen will, findet leichter den passenden Ton. Doch sich in der Masse abzuheben, hörbar zu bleiben und dabei authentisch zu wirken, erfordert strategisches Feingefühl.
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Ein besonders wirkungsvolles Stilmittel, um eine Marke unverwechselbar zu gestalten, ist ihre Herkunft hörbar zu machen. Während viele Unternehmen auf neutrale Werbestimmen setzen, nutzen einige gezielt Akzente und Dialekte, um ihre Markenstory noch authentischer zu transportieren. Neben der markanten Stimme von Seitenbacher, zeigt IKEA, wie ein gezielt eingesetzter Akzent nicht nur die Identität einer Marke transportiert, sondern die Sprecherstimme selbst zum festen Bestandteil der Markenwahrnehmung wird.
Seit 1999 verleiht der Schauspieler Jonas Bergström seine Stimme an IKEA. Seitdem prägt er das Markenerlebnis und sorgt für hohen Wiedererkennungswert. Doch warum passt diese Stimme so perfekt zum schwedischen Möbelhaus – und welche Rolle spielt sie im Storytelling?
Ein Blick auf die Zielgruppe von IKEA liefert eine Antwort. Das Unternehmen richtet sich vor allem an junge Menschen und Familien, die funktionales und erschwingliches Design schätzen. Bergströms sanfte Stimme erzielt genau die richtige Wirkung: Sie klingt freundlich, fast väterlich, und vermittelt gleichzeitig Kompetenz und Vertrauen. Sein schwedischer Akzent verstärkt diese Wahrnehmung, indem er das skandinavische Lebensgefühl, dass von einer Leichtigkeit und einer engen Verbundenheit zur Natur geprägt ist, lebendig macht. So erzählt IKEA nicht nur von Möbeln, sondern von einem Lebensstil. Die Stimme vermittelt das Gefühl eines Zuhauses, das für alle da ist – funktional, gemütlich und nahbar.
IKEA und Seitenbacher beweisen, dass der jahrelange Einsatz von Mundart als Storytelling-Tool eine Marke unverwechselbar machen kann. Doch wie gelingt es Marken, trotz eines festen Dialekts oder Akzents ihre Markenstimme lebendig und interessant zu halten?
Das Schweizer Unternehmen Ricola zeigt: Konsistenz bedeutet nicht Stillstand. Ein Dialekt kann sowohl Beständigkeit schaffen als auch Spielraum bietet, um Geschichten neu zu erzählen. Ein gutes Beispiel liefert der Werbespot „Wer hat’s erfunden?“ aus dem Jahr 2016. Darin kombiniert Ricola den Schweizer und den finnischen Dialekt, um auf humorvolle Weise seine wahre Herkunft zu betonen und Missverständnisse auszuräumen. Durch den geschickten Einsatz beider Dialekte bleibt die Botschaft klar, ohne eintönig zu wirken.
Die Marke hat sich stetig weiterentwickelt und 2021 ein Rebranding durchgesetzt. Ziel war es, die Verbindung zur Natur als zentralen Unternehmenswert für die Zielgruppe erlebbar zu machen, ohne die vertraute Mundart aufzugeben. Das Ergebnis dieser Strategie zeigt sich bereits in den Werbespots der Kampagne „Nimm einfach Ricola“ aus den Jahren 2021 und 2022. Das Unternehmen erhielt ein neues Gesicht: einen animierten Biber mit Schweizer Dialekt, der am Ende der Spots die Kernbotschaft übermittelte. Die Mundart blieb erhalten, wurde jedoch durch eine neue Stimme und Figur modern interpretiert.
Der Biber symbolisiert Naturverbundenheit und Ausdauer und verkörpert damit perfekt Ricolas Werte für Nachhaltigkeit und Tradition. Damit beweist das Schweizer Unternehmen, dass ein konsequent eingesetzter Dialekt durch gezielte Ergänzungen flexibel bleibt, ohne an Wiedererkennungswert zu verlieren.
Seitenbacher, IKEA und Ricola zeigen, dass Mundart ein erfolgreiches Tool sein kann, um den Markencharakter zu formen, Geschichten erlebbar zu machen und eine emotionale Verbindung zur Zielgruppe aufzubauen. Doch nicht jede Marke, die auf Dialekt oder Akzent setzt, wird automatisch erfolgreich. Der Unterschied liegt im Wie: Ist die Sprache authentisch? Spiegelt sie die Markengeschichte wider? Und vor allem: Passt sie zur Zielgruppe?
Damit eine Markenstimme mit Mundart nicht nur für Aufmerksamkeit sorgt, sondern auch langfristig als Storytelling-Tool funktioniert, lohnt es sich, einige bewährte Prinzipien zu beachten:
1. Authentizität schafft Vertrauen
Mundart verleiht einer Marke Charakter, doch nur, wenn sie authentisch ist. Unnatürliche wirkende Begriffe oder „falsche“ Mundartwörter können die Geschichte eines Unternehmens unglaubwürdig erscheinen lassen. Ein Beispiel dafür ist ein Werbespot der Schweizer Firma Coop, die einen Schweizer Dialekt nutzte, dabei aber hochdeutsche Begriffe wie „doch“ und „stets“ einbaute. Dies kann für die Zielgruppe unauthentisch oder befremdlich wirken. Um solche Fauxpas zu vermeiden, sollten Unternehmen konsequent auf Muttersprachler:innen als Sprecher:innen setzen.
2. Verständlichkeit als Schlüssel zum Erfolg
Dialekte und Akzente können eine Geschichte greifbar machen, dürfen aber nicht dazu führen, dass die Botschaft verloren geht. Das Unternehmen Kerrygold setzt daher beispielsweise auf eine sanfte irische Färbung, die Wiedererkennungswert schafft, aber keine Hürde darstellt.
3. Stereotypen gezielt nutzen oder vermeiden
Der bewusste Einsatz von Dialekten und Akzenten kann Klischees verstärken oder unbeabsichtigt Vorurteile bedienen. Besonders problematisch wird es, wenn eine Mundart nur für eine einzelne Kampagne eingesetzt wird, ohne in eine langfristige Strategie eingebettet zu sein. Ein Beispiel ist der Super Bowl-Werbespot „Get Happy“ von Volkswagen (2013), in dem ein weißer Schauspieler mit übertriebenem jamaikanischem Akzent spricht. Die Darstellung sollte ein fröhliches Lebensgefühl vermitteln, sorgte aber für Rassismusvorwürfe.
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Doch nicht immer führt der Einsatz von überspitzen Dialekten oder Akten zu negativen Reaktionen. Gezielt genutzt können sie auch zum Markenzeichen werden. Ein Beispiel ist der Schöfferhofer Weizen-Werbespot aus den 1990er Jahren mit dem berühmten Satz: „Die so schön hat geprickelt in meinem Bauchnabel“. Oder auch die Nescafé-Kampagne von 1992, die mit „Ich habe gar kein Auto, Signorina“ bis heute Kultstatus genießt.
Beide Marken setzten gezielt auf einen Akzent, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen und die Botschaft zu verstärken. Während Schöfferhofer Weizen mit der französischen Sprachfärbung eine humorvolle, leicht erotische Note erzeugte, vermittelte Nescafé durch den italienischen Akzent Leichtigkeit und Genuss. Beide Kampagnen fanden in ihrer jeweiligen Zielgruppe großen Anklang und sind bis heute eng mit den Marken verknüpft.
Die Beispiele zeigen, dass einmalig eingesetzte Mundart durchaus funktionieren kann. Doch ohne eine tiefere Verbindung zur Marke bleibt das Risiko, dass sie als austauschbares Stilmittel verpufft oder, wie im Super Bowl-Spot von Volkswagen, auf Kritik stößt. Für eine langfristige Storytelling-Strategie ist es daher meist sinnvoller, eine konsistente Identität aufzubauen, statt auf stereotype Darstellungen zu setzen.
4. Anpassungsfähigkeit an verschiedene Zielgruppen
Unternehmen mit breiter Zielgruppe müssen zwischen regionaler Identität und Verständlichkeit abwägen. Ein Dialekt kann Nähe und Wiedererkennungswert schaffen, birgt aber die Gefahr, Teile der Zielgruppe auszuschließen. Während die Flensburger Brauerei mit norddeutschem Dialekt seine Wurzeln betont, wäre diese Strategie für eine globale Marke wie Nike weniger sinnvoll. Marken sollten daher prüfen, ob eine Mundart die richtige Zielgruppe anspricht.
Dialekte und Akzente sind mehr als nur ein Wiedererkennungsmerkmal: sie können eine Marke mit Emotionen aufladen, ihre Herkunft betonen und individuelle Geschichten erzählen. Doch ihr Erfolg hängt davon ab, wie sie eingesetzt werden. Während Marken wie IKEA, Seitenbacher und Ricola zeigen, dass Mundart eine Markenstimme prägen und dennoch Raum für Weiterentwicklung lassen kann, birgt ein unüberlegter und rein kurzfristiger Einsatz von Dialekten und Akzenten Risiken. So zeigen Fälle wie Volkswagen und Coop, dass ein unpassender oder falscher Sprachgebrauch schnell befremdlich wirken und die gewünschte Wirkung verfehlen kann.
Eine gelungene Markenstimme mit Dialekt oder Akzent ist authentisch, verständlich und konsistent. Sie unterstützt die Markenbotschaft, anstatt von ihr abzulenken, und bleibt flexibel genug, um sich mit der Marke weiterzuentwickeln. Unternehmen, die Mundart als strategisches Storytelling-Tool nutzen, haben die Chance, nicht nur gehört, sondern auch gefühlt und erinnert zu werden.
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Wer noch mehr über IKEA und die Geschichte des schwedischen Möbelgiganten wissen möchte, dem sei unsere Storytelling Close-Up dazu empfohlen: Storytelling Close-Up IKEA: Jedes Möbelstück eine kleine Geschichte
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