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Von den Wurzeln der PR zu Michael Jackson: Wie Storytelling Legenden formt – und Realität verzerrt
Brands Communications – PR, Content, Redaktion 8. April 2025

Von den Wurzeln der PR zu Michael Jackson: Wie Storytelling Legenden formt – und Realität verzerrt

Michael Jackson PR - Von den Wurzeln der PR zu Michael Jackson: Wie Storytelling Legenden formt – und Realität verzerrt

Ein geplantes Biopic über Michael Jackson entfacht erneut Diskussionen. Während Hollywood sein Vermächtnis feiert, kämpfen seine mutmaßlichen Opfer weiterhin um Gehör und Gerechtigkeit. Wie kann es sein, dass eine Figur mit solch schwerwiegenden Vorwürfen filmisch verehrt wird, während die Betroffenen mit Drohungen und Verunglimpfungen rechnen müssen? Die Antwort liegt nicht nur in der Strahlkraft seiner Musik, sondern in einer jahrzehntelangen PR-Strategie, die Jacksons Image unantastbar machte. Eine Strategie, die zeigt, wie Public Relations die öffentliche Wahrnehmung lenken – und manchmal auch manipulieren kann.

PR: Ein zweischneidiges Schwert

PR ist eine Disziplin voller Widersprüche. Sie kann Marken aufbauen, Vertrauen schaffen und gesellschaftliche Debatten anstoßen – doch sie kann ebenso Realität verzerren, Skandale verschleiern und Mythen zementieren.

Michael Jacksons Karriere ist ein Paradebeispiel dafür, wie gezielte PR nicht nur ein Image formt, sondern auch eine Schutzmauer gegen Kritik errichten kann. Seine Strategie bewegte sich stets auf dem schmalen Grat zwischen geschicktem Medienmanagement und gezielter Desinformation. Doch die Mechanismen, die seinen Mythos geschaffen haben, sind keineswegs neu.

Von P.T. Barnum zu Michael Jackson: Skandale als Strategie

Wenn jemand als Urvater moderner PR gelten kann, dann P.T. Barnum. Der Showman und Unternehmer wusste bereits in den 1830ern, dass nicht die Wahrheit zählt, sondern was die Menschen glauben wollen. Er erschuf Spektakel, provozierte die Presse und lebte nach dem Motto: „Es gibt keine schlechte Publicity.“

P.T. Barnum
P.T. Barnums „True“ Life – erzählt von ihm selbst

P.T. Barnum war ein Meister der Täuschung – und der Aufmerksamkeit. Seine Freakshows waren spektakulär inszenierte Schwindeleien: eine angebliche Meerjungfrau, die sich als zusammengenähter Fisch- und Affenkörper entpuppte, oder die „161-jährige Amme von George Washington“, deren wahres Alter niemand kannte, weil es komplett erfunden war. Doch genau das machte den Reiz aus. Menschen strömten in seine Shows, nicht weil sie glaubten, dass alles echt war, sondern weil sie unterhalten werden wollten.

Barnum verstand, dass Kontroversen und Skandale das beste Marketing sind. Als eine seiner Attraktionen einmal als Betrug entlarvt wurde, setzte er einfach eine eigene Anzeige in die Zeitung – in der er sich selbst als Lügner bezeichnete. Der Effekt? Noch mehr Neugier, noch mehr Besucher:innen. „Es gibt keine schlechte Publicity“, lautete sein Credo. Solange die Leute über ihn sprachen, hatte er gewonnen.

Michael beschwert sich in „Leave Me Alone“ über Skandale, die er selbst fabriziert hatte.

An diese Strategie – das Spiel mit Wahrheit und Fiktion, das bewusste Provozieren von Spekulationen – knüpfte Michael Jackson an. Geschichten über Sauerstoffkammern, gekaufte Elefantenmensch-Knochen oder bizarre Rituale? Viele davon waren seine Erfindungen, gezielt platzierte Skandale, die seine mystische Aura stärkten. Selbst wer den Wahrheitsgehalt anzweifelte, spielte ungewollt mit: Die Medien griffen die Geschichten auf, die Öffentlichkeit diskutierte – und Jacksons Ikone wurde unantastbarer.

Edward Bernays: PR als Wissenschaft der Beeinflussung

edward bernays - Von den Wurzeln der PR zu Michael Jackson: Wie Storytelling Legenden formt – und Realität verzerrt
Edward Bernays brandete sich selbst als der „Vater der PR“.

Während Barnum auf Täuschung setzte, brachte Edward Bernays, der Neffe von Sigmund Freud, Psychologie ins Spiel. Er erkannte, dass Menschen weniger durch Argumente überzeugt werden als durch Emotionen. Seine berühmtesten PR-Erfolge: Er brachte Frauen dazu, öffentlich zu rauchen, indem er Zigaretten als „Torches of Freedom“ inszenierte. Er überzeugte Architekten, Bücherregale in Häuser einzuplanen, um den Buchverkauf anzukurbeln. Bernays machte PR zu einer subtilen, aber einflussreichen Disziplin – eine Blaupause für moderne Image-Kampagnen.

Michael Jackson verstand dieses Prinzip perfekt. Sein Image als ewiger Peter Pan, als Heiler der Welt, als Retter der Unschuldigen war keine zufällige Entwicklung, sondern eine bewusst inszenierte Identität. Songs wie Heal the World oder We Are the World verstärkten das Bild eines charismatischen Wohltäters. Wer ihn angriff, zweifelte nicht nur an einer Person, sondern an einer ganzen Erzählung, die tief in kollektive Emotionen eingebettet war.

Die große Lüge: Wenn Wiederholung zur Wahrheit wird

Ein weiteres Prinzip aus der PR-Geschichte: Wiederholung formt Realität. Edward Bernays erkannte früh, dass Menschen nicht rational, sondern emotional auf Botschaften reagieren – und dass konstante Wiederholung eine Erzählung tief in den Köpfen verankert. Seine Techniken wurden zur Grundlage moderner PR, fanden aber auch in der politischen Propaganda Anwendung. Joseph Goebbels übernahm Bernays’ Erkenntnisse zur Massenbeeinflussung und formulierte es drastisch: „Eine Lüge, die oft genug wiederholt wird, wird zur Wahrheit.“

Diese Methode ist nicht nur ein Werkzeug totalitärer Regime, sondern auch in der Unterhaltungsindustrie und Markenkommunikation omnipräsent. Michael Jackson nutzte sie meisterhaft. Immer wieder betonte er: „Die Medien lügen über mich!“ – so oft, dass viele ihm glaubten. Er inszenierte sich als Opfer einer sensationsgierigen Presse, die ihn zerstören wolle. Dabei war es genau diese Presse, die er zuvor strategisch für seinen Mythos genutzt hatte.

Seine Wiederholungsstrategie funktionierte, weil sie auf einem tief verwurzelten psychologischen Reflex basierte: Menschen neigen dazu, vertrauten Botschaften eher zu glauben – selbst wenn sie falsch sind. Wer oft genug hört, dass Michael Jackson ein unschuldiges Genie sei, entwickelt eine emotionale Bindung zu dieser Erzählung.

Guinness-Weltrekorde als PR-Tool

Wenn es um die Verankerung eines Images geht, darf ein Buch nicht fehlen: das Guinness Book of World Records. Ursprünglich als PR-Gag der Guinness-Brauerei entstanden, entwickelte es sich zum ultimativen Marketinginstrument. Denn wer im Guinness-Buch steht, muss doch eine Legende sein, oder?

Michael Jackson erkannte den Wert von Weltrekorden als PR-Instrument. Titel wie „erfolgreichster Entertainer aller Zeiten“ oder „meistverkauftes Album aller Zeiten“ festigten seinen Status als King of Pop. Doch nicht alle seiner Guinness-Weltrekorde entsprachen dem, was die Öffentlichkeit daraus machte.

Ein besonders hartnäckiges Missverständnis betrifft seinen Rekord für „most charities supported by a pop star“. Die Formulierung des Titels ist geschickt und bewusst gewählt. Viele glauben fälschlicherweise, dies bedeute, dass Jackson der spendabelste Popstar aller Zeiten war. Wikipedia nennt eine Spendensumme von 500 Millionen Dollar – eine Zahl, die sich jedoch kaum belegen lässt. Tatsächlich liegt der nachgewiesene Betrag wohl eher im einstelligen Millionenbereich. Doch durch geschickte PR blieb das Narrativ des großzügigen Wohltäters bestehen.

Wer bestimmt die Wahrheit?

Die Frage ist nicht nur, wie Jacksons Team es geschafft hat, sein Image bis heute so gezielt zu steuern und zu schützen. Die größere Frage ist: Warum bevorzugen wir als Gesellschaft oft den Mythos gegenüber der Realität?

PR ist mächtig. Sie kann Marken, Karrieren und sogar historische Narrative formen. Und sie zeigt, wie tief sich Storytelling in unser Denken eingräbt. Wer die Mechanismen der PR versteht, kann hinterfragen, warum bestimmte Geschichten erzählt werden – und welche nicht.

Vielleicht liegt die Antwort nicht nur bei Michael Jackson selbst, sondern in einer breiteren Medienlandschaft, die über Jahrzehnte hinweg gelernt hat, Ikonen unantastbar zu machen. Manche erfinden sich selbst als „Könige“, stilisieren sich zu unfehlbaren Figuren und lassen sich feiern, während ihre Verfehlungen systematisch umgedeutet oder geleugnet werden. Je lauter die Kritik, desto lauter das eigene Narrativ: Opfer einer Verschwörung, missverstanden, verfolgt.

Wer die PR-Meister von damals versteht, versteht auch, warum andere machtbesessene Männer mit Vorliebe für Prunk, Schlagzeilen und Selbstdarstellung es geschafft haben, ganze Bevölkerungen auf ihre Seite zu ziehen – egal, wie oft die Realität dagegenspricht.

Michael Jackson - The Millennial and the King - Frau auf Thron

Miriams Buch – Out Now!

A sharp, self-aware, and darkly funny look at the power of narratives, The Millennial and the King unpacks how one man built his legend, and how one woman re-examines her role in his movement and beyond. Part media autopsy, part midlife reckoning, part PR masterclass, this literary collage explores our hunger for stories—even when they turn out to be myths.



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