Wenn Held:innen erzählen: Storytelling im Vorstellungsgespräch
Ob beim Vorstellungs- oder Feedbackgespräch, oft habe ich als Interviewer oder Vorgesetzte das Gefühl, dass mein Gegenüber sich nicht recht öffnen kann und ich somit nicht viel über meinen Gesprächspartner als Menschen und seine Bedürfnisse erfahre. Logischerweise gibt zum Beispiel ein Lebenslauf mehr her als die Abhandlung reiner Zahlen und Fakten. Doch fragt man im persönlichen Gespräch nach diesem, höre ich oft nur die gleiche Aufzählung der bisherigen Stationen. Als HR Manager möchte ich aber eigentlich die Persönlichkeit hinter dem CV kennenlernen, die spannende Geschichte über die bisherige Reise hören, die diesen Menschen zu uns geführt hat. Gerade in Vorstellungsgesprächen, aber auch in Feedbackgesprächen sind viele Menschen erst einmal gehemmt und wissen gar nicht, wie sie ihre Erfahrungen und Stärken unterhaltsam verpacken können.
Storytelling als eine Gesprächsmethode kann deshalb bei einer solchen Unterredung Abhilfe schaffen: Der (potentielle) Mitarbeiter muss sich in diesem Fall in die Rolle des Helden hineinversetzen und sich wichtige Fragen stellen, wie:
- Wo im Leben stehe ich gerade? Im Tal, mitten im Aufstieg oder bereits kurz vor dem Gipfel?
- Wo komme ich her und was habe ich auf meinem Weg bereits erlebt?
- Was für Werkzeuge trage ich in meinem Rucksack, die hilfreich für die Firma sind?
- Welches Ziel möchte ich am Ende des Weges überhaupt erreichen?
- Was sind die nächsten Hürden, die ich überwinden muss, um an mein Ziel zu kommen?
- Welche Gegenspieler habe ich auf dem Weg dorthin?
- Welches Werkzeug benötige ich von meinem Mentor, um diese Hürden überwinden zu können?
Die Antworten, die durch solch eine Fragestellung zutage kommen, unterscheiden sich deutlich von denen, die man bekommt, wenn man auf normalem Weg nach möglichen Problemen, Herausforderungen etc. fragt. Vielleicht liegt das daran, dass sich ein solcher Fragenkatalog wie eine spannende Geschichte anhört und die Kandidaten und Mitarbeiter deshalb plötzlich den Mut haben, offen und ehrlich zu antworten. Auch der Perspektivenwechsel hilft sicherlich dabei. Wenn ich mir bildhaft überlege, welcher Kollege oder Kunde sich mir als Gegenspieler in den Weg stellt und meine Karriere blockiert oder was mir die Firma an Hilfsmitteln zur Verfügung stellen muss, damit ich oben am Gipfel ankomme, fällt es mir leichter, meine Ziele überhaupt zu definieren und herauszufinden, was mir auf meinem Weg dorthin eigentlich fehlt.
Erst war auch ich unsicher, ob das vielleicht komisch rüberkommt, wenn ich plötzlich im Vorstellungs- oder Feedbackgespräch einen Weg aufmale und genau so die Fragen stelle. Aber an den Antworten habe ich gemerkt, dass diese Methode wirklich hilfreich sein kann, um Menschen besser kennenzulernen bzw. sie plötzlich auf ganz andere Antworten kommen als mit der üblichen Fragerei.
Und auch für Bewerber wirkt diese Art des Interviews (hoffentlich positiv) nach. Als ich einer Bewerberin beispielsweise absagen musste, weil sie noch nicht genug Kenntnisse für eine Beraterstelle bei uns hatte, schrieb sie mir zurück, dass auch sie das Gefühl nach unserem Gespräch hatte und fügte hinzu:
„Mein Rucksack an Erfahrungen ist noch nicht gut genug gefüllt, um bei euch zu bestehen.“
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