Beherrschen die deutschen Pharmaverbände Storytelling im Content Marketing? – Ein Vergleich
BioNTech, Bayer, Bionorica – Von Impfstoff-Pionieren über Mainstream-Medikamente bis hin zu pflanzlichen Arzneimitteln hat die deutsche Pharma-Landschaft eine beachtliche Vielzahl und Vielfalt an Unternehmen zu bieten. Organisiert sind viele dieser Konzerne und Mittelständler in einem (oder mehreren) der vier großen Pharmaverbände:
• BAH Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V.
• BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
• Pro Generika e.V.
• vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
Deren Aufgabe wiederum ist es, die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Politik, der allgemeinen Öffentlichkeit, der Wissenschaft und anderer Branchen und Länder zu vertreten; ein ziemlich breites Publikum also. Die Ziele dabei sind zum Beispiel bessere Rahmenbedingungen in der Produktion und Lieferung oder Employer Branding einer gesamten Branche. Dazu gehört entsprechend eine hohe Dosis Kommunikation, die zeitgemäß, überzeugend und ansprechend sein sollte. Daher vergleichen wir die Webseiten, Social-Media-Kanäle und Medienformate dieser vier Verbände hinsichtlich ihrer Storytelling-Wirkung. Um es spannender zu halten, wer nun auf dem ersten Platz landet, stellen wir sie in alphabetischer Reihenfolge vor.
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BAH Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V.
„Gesunde Perspektiven. Für Deutschland.“ – So lautet der Claim des mitgliedstärksten Verbandes unter den vieren. Beim Brand Storytelling und Content Marketing haben sie sich in unseren Augen einen gesunden zweiten Platz verdient.
Die Webseite erscheint in einem modernen, frischen Design mit klarer, dynamischer Struktur. Unterschiedliche Blautöne sowie organischen Formen bringen viel Leichtigkeit ins Spiel. Dieses Corporate Design zieht sich auch auf allen Social-Media-Bildern durch, so dass es einen schönen Wiedererkennungswert gibt.
Von Print zu Online: Die Content-Strategie des BAH
Grundlage vieler Beiträge auf der Website ist tatsächlich noch ein ganz klassisches Medium, nämlich ein Printmagazin. Dieses heißt Arzneimittelpunkt und liefert in regelmäßigen Abständen viele Inhalte, die online wiederverwertet werden. Allerdings ist die Übersicht der Themen nicht ganz leicht zu navigieren. Viele Artikel dienen eher über die gesamte Webseite hinweg zur Untermalung von Themenseiten, nicht um zum Beispiel einen Blog oder ein Online-Magazin als Anlaufstelle für Leser:innen zu bedienen.
In den Artikeln merkt man, dass sich die Redaktion um journalistisches Storytelling bemüht, z.B. in Form von Interviews, Zitaten und Anekdoten. Leider wirkt die Aufmachung zumindest online sehr Text-lastig und nicht sehr leserfreundlich strukturiert. Zum Beispiel muss man für einen Beitrag über fünf Seiten weiterklicken, um ihn zu Ende lesen zu können. In Print wirkt die Aufbereitung dahingegen wesentlich ansprechender und „magaziniger“. Es werden zwar viele Stock-Fotos verwendet. Durch die Interviews sieht man aber auch Gesichter und authentische Fotos der Akteur:innen.
Der BAH in den sozialen Medien: Durchbruch auf Instagram gelingt noch nicht
In den sozialen Medien fokussiert sich der BAH vor allem auf LinkedIn (1.500+ Abonnent:innen) und Twitter (1.900+ Abonnent:innen), wo es unter anderem viel um Event-Ankündigungen geht. Daraus lässt sich erkennen, dass Dialog und persönliche Interaktion ebenfalls ein wichtiges Kommunikationsinstrument für den Verband sind. Auf Instagram wird seit über einem Jahr ebenfalls viel Arbeit in Posts und Stories gesteckt. Nur leider schafft man es noch nicht, das Thema Instagram-tauglich zu verpacken. Magere 205 Abonnent:innen folgen dem Account nur. Eingebunden sind alle Social-Media-Kanäle wiederum direkt auf der Startseite als gemischter Stream, was die Webseite lebendig und aktuell hält und dem Publikum hilft, direkt weiter auf die anderen Kanäle zu gelangen.
„Wie kann der Transformationsprozess für #Arzneimittel-Hersteller gestaltet werden?“ Dieser Frage geht die Unternehmensgründerin und Autorin @fraenzi bei der #BAHMGV nach. Mehr Infos zur Mitgliederversammlung: https://t.co/TMmZWkZsft pic.twitter.com/WnnFHaKTHW
— Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (@BAH_digital) September 23, 2021
Hervorzuheben ist außerdem noch die Umtriebigkeit im Bereich Video-Content. Im YouTube-Archiv finden sich über 90 Clips. Die meisten von ihnen sind kurze Erklärfilmchen. Ausschnitte aus Interviews oder kleiner zusammengeschnittene Teile einer Kampagne, z.B. „Gesundheit ganz persönlich“ mit Statements von Passant:innen und Apotheker:innen zu den Apotheken vor Ort. Zu diesem gibt es zum Beispiel ein Kampagnenvideo, das Storytelling-technisch mit authentischen Bildern, Szenen und Protagonist:innen punktet.
Storytelling beim BAH: Platz 2 für gelungenen Medienmix und inspirierende redaktionelle Ansätze
Das aktuelle Highlight-Video (Corona: Wie Arzneimittel-Hersteller die Versorgung gesichert haben) des Verbandes geht diesbezüglich leider wieder einen Schritt zurück. Mit Stock-Videos und vorgelesenen Statements verschiedener Verbandsakteur:innen wirkt es recht eintönig. Auch die Aussagen sind erwartungsgemäß ziemlich werblich. Nichtsdestotrotz führt dieser Clip mit immerhin über 12.000 Views das Ranking der BAH-Videos auf YouTube an. Es kann aber durchaus sein, dass dieser Erfolg auch daran liegt, wie und wo das Video überall eingebunden und geteilt wurde, zum Beispiel auch im Newsletter oder anderen Formaten.
Alles in allem hat der Verband einen schönen Medienmix, der auf der Webseite und in den sozialen Medien, wie auch auf Events und als wertiges Printmagazin sinnvoll vernetzt wird. Aus den redaktionellen Inhalten ließe sich mit ansprechendem visuellem Content und einer übersichtlichen Blogstruktur noch mehr herausholen. Für einprägsames Storytelling und um ihre Zielgruppen auch besser abzuholen, ist es wichtig, nicht nur aufzuklären, sondern auch emotional zu berühren, zu inspirieren und zu motivieren. Dafür braucht es vielfältigere Protagonist:innen als nur den Verband selbst. Die Apothekenkampagne war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
„Wir wirken – ein ehrgeiziger Beweggrund, dem sich der BPI und seine im Verband organisierten Mitglieder verpflichtet fühlen. Wir setzen uns bei Politik, externen Stakeholdern und Öffentlichkeit für eine Standortpolitik ein, die Arbeitsplätze sichert, Arzneimittel-Innovationen vorantreibt und die der dauerhaften und parteiübergreifenden Aufgabe gerecht wird: Die zukunftsfähige Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Patienten sicherzustellen!“ – So lautet der Claim und die dahinterstehende Vision des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, zu dem 270 Mitgliedsunternehmen mit ihren rund 78.000 Mitarbeitenden gehören.
Eine extra dafür eingerichtete Landingpage beginnt vielversprechend. Als Hook dient ein Image-Video, das einen wiedererkennbaren, unterhaltsamen Illustrationsstil hat. Dieser ist aber auch schon das Highlight der Kampagne. Die Inhalte des Videos warten mit den üblichen Werbefloskeln und obligatorischen Corona-Referenzen auf. Immerhin 100.000 Views konnte der Clip aber seit Mai 2021 generieren, was als Erfolg gewertet werden kann.
Im Vergleich dazu hat eine aufwendige Video-Interviewreihe aus der früheren Kampagne „Die Menschen hinter den Medikamenten“ hingegen nur maue YouTube-Zahlen im meist zweistelligen Bereich vorzuweisen. Das kann aber auch daran liegen, dass diese bis vor Kurzem nicht über den YouTube-Player auf der Webseite des BPI eingebunden wurden.
Der Ansatz dieser Serie, die Protagonist:innen aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen in der Pharmabranche zu Wort kommen zu lassen, hat auf jeden Fall Storytelling-Potenzial. Ob es dabei jeweils mehr nach Geschichte oder eher nach platter Werbung (oder gar Rechtfertigung) für die Arbeit im Pharma-Bereich klingt, hängt ganz stark von der jeweiligen Persönlichkeit der dargestellten Person ab, die selbst erzählt. Leider fehlt auch etwas der rote Faden zwischen den Testimonial-Videos.
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Webseite des BPI: Zwei Landingpages, die noch nicht ganz ihren Platz gefunden haben
Ein klar abgegrenztes Narrativ ist ebenfalls das Stichwort, wenn es um die Verbindung bzw. Abgrenzung der Landingpage wirwirken.de mit der Webseite des BPI geht. Auf beiden werden regelmäßig Artikel veröffentlicht. Auf wirwirken.de – der optisch ansprechenderen Anlaufstelle – heißt es, dass die Themen Digitalisierung und Innovation in den Mittelpunkt gestellt werden. Jedoch finden sich dort auch Beiträge über andere Themen; und auf der Website des BPI wiederum auch Artikel über Digitalisierung und Innovation. Was die meisten Blogposts – egal auf welcher Landingpage – jedoch gemeinsam haben: trotz Versuchen des Data Storytelling sind sie recht trocken und Text-lastig aufbereitet. Bilder dienen meist nur als Header oder Beitrags-Image und sind im nicht-einheitlichen, nüchternen Stock-Foto-Look gehalten.
In den sozialen Medien konzentriert sich der BPI vor allem auf Twitter (1.300+ Abonnent:innen) und LinkedIn (1.200+ Abonnentinnen), wo er regelmäßig die eigenen Inhalte, aber auch Beiträge von Partnern und Mitgliedern teilt.
3. Platz für den BPI: Storytelling in Rot, aber ohne Faden
Als Fazit für den dritten Platz unseres Rankings können wir festhalten, dass der BPI grundsätzlich schon auf der richtigen Fährte ist. Die Social-Media-Aktivitäten sind grundsolide. Mit einer eigens neu positionierten Landingpage gibt er den Raum für redaktionelle Inhalte, mit denen man theoretisch eine große Bandbreite an Zielgruppen informieren und inspirieren kann. Leider bleibt es in der Umsetzung meist noch zu nüchtern. Auch sind die Kernthemen Digitalisierung und Innovation recht vage bzw. allgemeingültig. Da wäre sicherlich noch Potenzial für eine passgenauere Positionierung.
Ein Perspektivwechsel vom „wir“ zu „ihr“ – zumindest für die redaktionellen Storys – und emotionalere Bilder könnten zwei einfache Kniffe für ansprechendere Inhalte sein. Gerade die Tatsache, dass der BPI als einziger der vier Verbände als Unternehmensfarbe nicht blau, sondern rot innehat, böte noch etliche Möglichkeiten bei der Gestaltung und dem Wiedererkennungswert der Inhalte, auf der Webseite und in allen anderen Medien.
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Pro Generika e.V.
Der erste Blick auf die Webseite des Verbands der Generika- und Biosimilarunternehmen in Deutschland stimmt noch recht optimistisch. Die Aufmachung und Struktur sieht klar und übersichtlich aus und hat einen hohen Anteil visueller Inhalte. Bei genauerer Betrachtung muss man allerdings feststellen, dass das Thema Storytelling auf vielen Ebenen einfach viel zu kurz kommt.
Schlusslicht im Storytelling im Vergleich der Pharmaverbände
Daher bildet Pro Generika das Schlusslicht in unserem Vergleich. Zwar sind sie im Bereich dynamischer Inhalte, also neu erscheinende Artikel, recht aktiv. Allerdings sind diese aus redaktioneller Sicht überwiegend als PR-News anzusehen, weniger als Storys. Möchte man auf einen dieser Beiträge gehen, um ihn zu lesen, können teilweise über fünf Klicks dabei im Wege stehen, was nicht sehr nutzerfreundlich ist. Die Twitter-Arbeit des Verbandes (1.400+ Abonnent:inne) macht einen professionellen Eindruck. Auf YouTube bzw. im Bereich Video-Content bemüht man sich um informativen Content. Allerdings handelt es sich meistens um einen in die Kamera gesprochenen, recht trockenen Beitrag oder Appell, bei dem mehr erzählt als visuell gezeigt wird.
vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
Somit bleibt zuletzt der Spitzenreiter in unserem Storytelling-Vergleich vorzustellen. Wobei schon jetzt als Fazit gesagt werden kann, dass der vfa, dessen Mitglieder mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes repräsentieren, den ersten Platz auch wirklich mit deutlichem Abstand hält.
Angefangen beim ersten optischen Eindruck auf der Webseite, zieht sich eine ausgeglichene Balance und eine klare, frische CI über alle Kanäle. Gut durchdachte Artikelreihen mit interessanten Headlines sind der Aufhänger der Website und werden ganz zu Beginn prominent platziert. Auf Social-Media-Kanäle und -Formate wird an verschiedenen Stellen, aber ohne zu stören, immer wieder verwiesen. Und das ist auch richtig so, denn diese haben einiges zu bieten:
Verdienter 1. Platz: Der vfa geht die Extrameile im Content Marketing
Der vfa ist der einzige Verband, der einen Podcast betreibt. Manchmal wechselt dort das Narrativ bzw. das inhaltliche Format, je nachdem auf welche größer angelegte Kampagne es jeweils einzahlen soll. Mit Freude beobachten wir, dass man sich dort neuerdings sogar noch weiter in die Welt des Storytelling traut. Mit dem „Forschungskrimi“ werden die Parallelen zwischen der Detektivarbeit und den Mysterien der Wissenschaft aufgegriffen.
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Wer sagt, dass Pharma-Themen nicht zu Instagram passen, wird beim vfa eines Besseren belehrt. Über 12.900 Abonnent:innen belegen, dass der Verband es wirklich schafft, seine Themen mit originären Inhalten und einer Verbraucher-nahen Aufmachung der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das belegt auch die Interaktion auf die einzelnen Posts.
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Und damit nicht genug. Auf YouTube präsentiert der vfa nicht nur eine Fülle an Inhalten, sondern auch beeindruckende Aufruf-Zahlen, die nicht selten im fünfstelligen Bereich liegen. Mit vielfältigen Formaten und Kampagnen – auf die wir gleich noch einmal gesondert eingehen – hat man sich eine treue Gefolgschaft von über 1.200 Abonennt:innen aufgebaut. Auch bei den Formaten erkennt man, dass hier eine große Bereitschaft besteht, immer neue Wege auszuprobieren. So experimentierte der Verband zuletzt auch mit Livestreams im Rahmen seiner sogenannten Debattentour.
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Content-Kampagnen vom vfa liefern Infos und machen Spaß
Auf der separaten Landingpage Forschung ist die beste Medizin gibt sich der Verband sogar noch mehr Raum für Storytelling. Bei den Inhalten geht es eben nicht nur um eintönig in die Kamera gesprochene Interviews, sondern es wird das ganze Repertoire der Kommunikation, wie sie heutzutage funktioniert, angewandt. Zwei der Kampagnen-Highlights machen bereits beim Lesen der Grundidee Lust auf mehr.
„Influencer-Kampagne: Forschung erlebbar machen: Das hat sich der vfa mit der Kampagne #ForschungIstDieBesteMedizin zum Ziel gesetzt. Dazu öffnen Forscherinnen und Forscher die Türen zu ihren Laboren, erzählen von ihren individuellen Wegen, ihren Erfolgsmomenten und ihrer persönlichen Motivation – und laden manchmal sogar zum Mitforschen ein.“
„Research on Stage: #ForschungIstDieBesteMedizin – warum, das haben Forscherinnen und Forscher selbst erzählt. Am 1. März 2018 hieß es im legendären Berliner „Kino International“ „Research on Stage“: Bühne frei für Geschichten aus der Welt der Arzneimittelforschung. In einem völlig neuen Format berichteten acht Forscherinnen und Forscher aus Mitgliedsunternehmen des Verbands vor großem Publikum, was sie bei ihrer Arbeit persönlich jeden Tag aufs Neue motiviert.“
Selbst ein sonst recht stiefmütterlich behandelter Teil vieler Unternehmenswebseiten, die Presseseite, wartet mit professionellem und frischem Design auf. Als Service bekommt man nicht nur Corporate Fotos zum Download, sondern auch extra bereitgestellte Bilder aus der Forschung. vfa-Mitglieder, die einen eigenen Twitter-Kanal pflegen, werden hier ebenfalls besonders hervorgehoben; und immer wieder im Abspann auch Verweise auf die eigenen Video- und Audio-Formate. Fazit: Alles richtig gemacht!
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25. November 2024