Ohne Wortinhalte geht in PR und Content Marketing nichts. Grund genug, sich einmal genauer mit der Frage zu beschäftigen, wie gute Texte schreiben und schreiben lassen gelingt. Denn alle Autor:innen wissen, wie frustrierend es sein kann, dass es das eine Rezept für den guten Text nicht gibt. Die Zutaten müssen jedes Mal aufs Neue gesucht werden. Hilfreich sind jedoch einige Erkenntnisse zur Funktionsweise des Gehirns und der Kreativität – gerade, weil diese der ersten Intuition widersprechen mögen. Hier ist ein Einblick in meine persönliche Küche des Erzählens.
Der beste Schutz, keinen schlechten Text zu schreiben, ist, gar nicht erst anzufangen. Gut, das Vorgehen empfiehlt sich nicht uneingeschränkt. Irgendwer muss am Ende den PR oder Marketing-Content ja meist verfassen. Vielleicht kann ich aber einen geeigneteren Schreib-Typen den Content schreiben lassen? Um die oder den beste:n Verfasser:in zu finden, lohnt es sich zu fragen, welche spezifischen Anforderungen der Text erfüllen muss.
Als ich die Freiberuflichkeit verließ und zu Mashup Communications stieß, war ich besonders fasziniert von den unterschiedlichen Schreibtypen, die sich gegenseitig mit Headlines, PR-Stories und Social Media Captions unterstützen. So viele Autor:innen bildeten jedoch auch einen Dschungel, in dem ich mich erstmal orientieren musste. Wer tickt wie? Wie schreibt wer? Ein Schreibtyp hat nämlich viel mit der Persönlichkeit zu tun und damit, welche Gehirnhälfte in uns dominanter ist: die rechte oder die linke. Manche verlassen sich beim Lernen eher auf eine logisch-analytische Herangehensweise; andere auf eine fühlend-kreative. Das prägt unsere Schreibe. Wer analytisch an einen Text herangeht, hat seine Struktur im Kopf, bevor er oder sie zur Tastatur greift. Für mich ergibt sich der genaue Aufbau meist erst durch den Schreibprozess. Insbesondere gutes Storytelling verlangt jedoch das Spiel mit linker und rechter Gehirnhälfte. Also konzipiere ich vorab und vertraue dann dem kreativen Prozess.
Disziplin ist dabei wichtig, aber nicht ganz so wichtig wie Freude. Wenn ich einen Text beginne, frage ich mich als allererstes: Warum will ich mich überhaupt davor drücken? Das will ich nämlich eigentlich immer. Dabei war als Kind das Schreiben für mich selbstverständlich von Freude und spontanen Einfällen geprägt. Vor kurzem fand ich tief vergraben in einer Kiste unter meinem Bett meine allererste Geschichte, die ich mit neun Jahren geschrieben hatte. Einen Literaturnobelpreis hätte sie nicht verdient und doch war ich überrascht, als ich sie erneut las. Sie hatte Konflikt, Zuspitzung, Krise, Wende und sogar ein Ende – alles, was mir viele Jahre später in Schreibkursen beigebracht wurde, wie der Aufbau einer Geschichte funktioniere.
Als erwachsener Mensch musste ich mich bewusst entscheiden, die Disziplin über Bord zu werfen und die rechte fühlend-kreative Gehirnhälfte wirken zu lassen. Am besten schreibe ich am frühen Morgen. Die täglichen Erwartungen sind auf Eis gelegt und die Stressfaktoren für die linke Gehirnhälfte damit gering. Weniger gehemmt und ein bisschen verträumt komme ich so leicht in den Flow.
Es ist früh am Morgen und meine äußere Umwelt gut organisiert, aber trotzdem hält mich etwas davon ab loszuschreiben. Das leere Blatt schaut mich wie eine Kampfansage an. Ich trete den Rückzug an und prokrastiniere, indem ich mir erstmal ein paar Tiktok-Videos anschaue. In meinem Feed erzählt ein Musikdozent von einer Aufgabe, die er seinen Studierenden gestellt hat: Schreibt den denkbar schlechtesten Song, den ihr schreiben könnt. Das gefällt mir und ich lege das Handy weg. Ich nehme mir vor, mich selbst auszutricksen, so wie der Musikdozent seine Kursteilnehmenden. Sie waren bei dieser Aufgabe nämlich nicht mehr damit beschäftigt waren, sich zu vergleichen und den Reichtum ihrer Fähigkeiten beweisen zu wollen. Stattdessen konzentrierten sich die Studierenden auf ihre besten Fähigkeiten und setzen diese spielerisch ein. Das Ergebnis war, dass jede:r in der nächsten Unterrichtsstunde ihren oder seinen besten Song präsentierte.
Weshalb aber braucht es einen solchen Trick? Dafür gibt es eine wissenschaftliche Erklärung, die auch mit der Funktionsweise des Gehirns zu tun hat. Zunächst ignoriert das menschliche Gehirn als erstes, worin es am besten ist, um sich auf drängendere Probleme konzentrieren zu können. Außerdem lernen Menschen, indem sie andere Menschen kopieren, was den Vergleich mit anderen auch so nützlich macht. Beim Schreiben eines Songs oder Texts steht mir diese Biologie jedoch im Weg. Also weg damit! Ich fange also an, den denkbar schlechtesten Text zu schreiben.
Es hat funktioniert und der Text ist geschrieben. Es ist an der Zeit meine innere Kritikerin hervorzuholen und die geschriebenen Worte mit der linken Gehirnhälfte auf Logik zu prüfen. Ich passe an, korrigiere und überarbeite. Allzu große Gedankensprünge sind getilgt, aber das gewisse etwas fehlt trotzdem noch. Was mich rettet ist, ist die Voraussicht, mit der ich meine Deadline vor der eigentlichen Deadline gesetzt habe. In dieser Zwischenzeit erlaube ich mir, den fast fertigen Text ruhen zu lassen, einen offenen Geist zu bewahren und weiter nach Ideen zu suchen, um zu einer umfassenderen Perspektive zu gelangen.
Denn kreativer Fortschritt im Kern ist geprägt von diesem Widerstand gegen den Impuls, schnell zu einer Lösung zu gelangen. Dies zeigt zum Beispiel der Schaffensprozess des Films „Toy Story“. Pixar hat dabei versucht, die Regeln des Animationsfilms komplett neu zu schreiben und ist ein ganzes Jahr lang daran gescheitert. Im TED-Talk erzählt Filmemacher Andrew Stanton, wie er in dieser Zeit den Rat bekam, genau die Elemente in den Film zu integrieren, auf die er gerade verzichten wollte: Songs, „Ich will“-Momente, ein fröhliches Dorf, eine Liebesgeschichte und nicht einmal einen Bösewicht sollte es geben. Am Ende hörte Stanton auf keinen dieser Ratschläge und „Toy Story“ wurde einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Langsamkeit ist also keineswegs zu verwechseln mit Unproduktivität. Und eine Deadline hinauszuzögern ist oft das Beste, was einer Geschichte passieren kann. Im Idealfall handelt es sich um die eigene Deadline.
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Wenn die Deadline da ist, ist die Frage unausweichlich: Ist der Text gelungen? Aber was heißt das überhaupt? Meine erste Geschichte mit neun, gefällt mir zum Beispiel besser als vieles, was ich Jahre später geschrieben habe. Mit mehr Erfahrung schreibe ich keine besseren Texte, aber ich gehe komplett anders mit Feedback um: Erstens hole ich mir überhaupt welches ein. Meine erste Erzählung hat hingegen niemand je zu Gesicht bekommen. Zweitens habe ich gelernt, Kritik nicht als Kritik an meiner Schreibe oder gar an meinen Gedanken aufzufassen, wie ich es als Praktikantin noch gerne tat. Heute habe ich die Haltung, dass es nichts gibt, wodurch mein Text besser wird als durch vernichtende Kritik – am besten von jemanden, der als Schreibtyp komplett konträr zu mir tickt.
Manchmal ärgere ich mich trotzdem und erinnere mich wieder an „Toy Story“. Als Steve Jobs nämlich zu Pixar kam, hatte er viele kluge Leute vor sich, die sich jedoch gegenseitig im Weg standen. Denn es ist sehr viel einfacher, eine Idee zu kritisieren als eine Idee zu entwickeln. Pixars Antwort war der „plussing“-Ansatz, nachdem Kritik nur geübt werden darf, wenn diese zugleich einen möglichen Lösungsansatz enthält. Die Team-Dynamik drehte sich um 180 Grad und führte zum Erfolg von Pixar – angefangen eben mit dem Film „Toy Story“. Daran denke ich auch heute, wenn ich Praktikant:innen einen Text schreiben lasse. Auch hilft mir das „plussing“ nützliches von destruktivem Feedback zu unterscheiden – und zu entscheiden, welche Ratschläge ich ignoriere.
Egal, ob wir selbst Content schreiben oder schreiben lassen – das eine Rezept zum guten Text gibt es nicht. Eine nahende Deadline, ein hoher Anspruch an den zu schreibenden Text, geforderte Disziplin und Feedbackschleifen können in bestimmten Fällen hilfreich sein – und in anderen destruktiv wirken. Wer allerdings bereit ist, sich von voreiligen Annahmen zu verabschieden und dem kreativen Prozess zu vertrauen, öffnet einen Raum, in dem Schreiber:innen ihr Potenzial voll ausschöpfen und voneinander lernen können.
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